12637/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.10.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Genossinnen und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend die ILO Konvention C190 („Kampf gegen Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz“)

 

 

Die Internationale Arbeitsorganisation der UNO (ILO) hat im Juni 2019 ihr Übereinkommen 190 gegen Gewalt und Belästigungen in der Arbeitswelt verabschiedet. Mit der Verabschiedung dieses wichtigen Übereinkommens zeigte die ILO zum hundertjährigen Bestehen, dass sie handlungsfähig ist, sowie schnell und effektiv auf wichtige globale Herausforderungen reagieren kann.

 

Das Übereinkommen schützt Arbeitnehmer*innen und andere Personen in der Arbeitswelt und an ihrem Arbeitsplatz. ILO-Generaldirektor Guy Ryder begrüßte im Juni 2019 die Verabschiedung der Konvention mit den Worten. „Der neue Standard erkennt das Recht aller auf eine Arbeitswelt frei von Gewalt und Belästigung an. Der nächste Schritt ist die Umsetzung dieses Schutzes in die Praxis, so dass eine bessere, sicherere menschenwürdige Arbeitsumwelt für Frauen und Männer entsteht.“

 

Drei Jahren nach der Beschlussfassung durch die UNO ist die Ratifizierung des Abkommen leider in einem Großteil der Staaten noch immer nicht vollzogen worden. Da Gewalt am Arbeitsplatz ein ständiges Thema ist, wäre eine rasche Ratifizierung der ILO-Konvention und das Einleiten von zielgerichteten Maßnahmen wichtig.

 

Aus einer Studie des Instituts für empirische Sozialforschung GmbH (IFES), welche im Auftrag der GPA verfasst wurde, geht hervor, dass 56% aller Arbeitnehmer*innen in Österreich bereits Opfer verbaler Gewalt waren. Besonders betroffen sind Angestellte in Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Krankenhäusern und Rettungsdiensten. Die Covid-19 Pandemie und ein Mangel an Arbeiter*innen verstärkte diesen Trend noch. „Arbeit in diesen Bereichen war schon immer emotional und körperlich fordernd. Nun kommt die Ausnahmesituation der Pandemie mit enormem Druck auf die Beschäftigten und massiv verunsicherten PatientInnen dazu. ArbeitgeberInnen sind gefordert, gerade jetzt einen wachsamen Blick auf das Geschehen zu haben und Beschäftigte vor Übergriffen zu schützen“, sagt Elfriede Schober vom ÖGB.

 

Die Studie zeigt darüber hinaus, dass Frauen häufiger von verbaler Gewalt betroffen sind (40%) als Männer (35%). Die Übergriffe gehen dabei in 77 Prozent der Fälle von Männern aus. Auch Personen bis 35 Jahre erleben öfter gewaltvolle Situationen. Diese Tendenz zeigt sich auch in den  Fragen  zu  sexueller  Belästigung.  Jede*r  Sechste  (16%)  hat  sexuelle  Belästigung  am


Arbeitsplatz schon einmal mitbekommen, 12 Prozent der Frauen und 3 Prozent der Männer waren selbst betroffen. In fast 80 Prozent der Fälle geht die Belästigung von einem Mann aus.

 

Das zeigt das Frauen überproportional mit sexualisierter Gewalt konfrontiert sind. Sie erfahren sexuelle Belästigung durch Arbeitskollegen oder Vorgesetzte. Arbeiten Frauen etwa in Geschäften oder anderen, öffentlich zugänglichen Einrichtungen, kommt oft auch Gewalt durch Kunden*innen hinzu. Eine ähnliche Situation zeigt sich in Kranken- und Pflegeberufen durch  Patient*innen.  Das  reicht  von  Beschimpfungen,  Bedrohungen,   gezielten sexuellen Anzüglichkeiten und Abwertungen bis hin zu körperlichen Angriffen oder Raubüberfällen. Die neue ILO-Konvention gibt hier wichtige Orientierungen für den Abschluss von betrieblichen Regelungen oder Tarifverträgen vor, um diesen Formen von Gewalt etwas entgegenzusetzen.

 

Vor dem Hintergrund der weltweiten #MeToo-Debatte hat die ILO auf UN-Ebene mit der ILO Konvention C190 ein wirkungsvolles Instrument geschaffen. Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt gehört geächtet und bekämpft. Ein engagiertes Auftreten von Politik, Sozialpartner*innen und Institutionen ist wichtig und ein Zeichen dafür, dass sich die Österreichische Politik zur Bekämpfung von Gewalt am Arbeitsplatz bekennt.

 

Daher wäre eine schnelle Ratifizierung des Übereinkommens wünschenswert. Da aus der Anfragebeantwortung 8549/AB hervorgeht, dass der Rat ohnedies eine Ratifikationsverpflichtung und die Kommission immerhin eine Ermächtigung vorsieht, würde Österreich jedenfalls auch nicht in Konflikt mit EU Kompetenzen geraten. Österreich könnte dieses Abkommen also vorab ratifizieren und somit eine Vorreiter-Rolle im Kampf gegen Gewalt am Arbeitsplatz einnehmen, noch ehe der Juristische Dienst der Rates ein Gutachten erstellt hat.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

 

1.      Welche Problematiken, die eine Zunahme an Gewalt in den Bereichen Öffentlicher Personenverkehr, Sicherheitsdienstleister, Angestellte im Gesundheitsbereich, Handelsangestellte sowie im Tourismus- und Gastronomiegewerbe erklären könnten, sind der Bundesregierung bekannt?

 

2.      Besteht eine Meldepflicht und verpflichtende Datenerfassung bei Übergriffen (mit und ohne Verletzung) an die Statistik Austria?

 

3.      Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder gedenkt sie zu ergreifen,


um eine verbesserte Datenlage zur Prüfung von Gewalt im Arbeitsbereich festzustellen, um somit auch Handlungsempfehlungen zu schaffen?

 

4.      In Österreich existieren zahlreiche Gesetze und Projekte, wie etwa die von Ihnen in Ihrer Anfragebeantwortung (8549/AB) erwähnte Steigerung der Förderungsmittel für Gewaltschutz oder der 2. Gewaltschutzgipfel am 27. November 2021. Dennoch zeigt die Studie des IFES, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer*innen in Österreich von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen ist Tendenz steigend. Wie müssen die in Österreich geltenden Gesetze und Projekte verbessert werden, um ausreichend Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz zu bieten?

 

5.      Welche weiteren Maßnahmen wurden seit der Beschlussfassung der ILO-Konvention im Jahr 2019 von Seiten der Bundesregierung zur Prävention von Gewalt am Arbeitsplatz gesetzt?

 

6.      Aus der Studie des IFES geht hervor, dass insbesondere Frauen von sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind. Die #MeToo-Bewegung zeigt, dass Machtasymmetrien betroffene Frauen oft dazu veranlassen, solche Gewalt aus Angst vor Kündigung oder anderen negativen Konsequenzen nicht zu melden. Werden solche Fälle sexueller Gewalt am Arbeitsplatz in einer eigenen Statistik erfasst?

 

7.      Da viele solcher, in Frage 6 erwähnten, Fälle vermutlich nicht gemeldet werden, ist von einer große Dunkelziffer auszugehen. Gibt es Schätzungen seitens Ihres Ministeriums wie groß diese Dunkelziffer sein könnte, bzw. stehen Sie in Verbindung mit den zuständigen Behörden/dem zuständigen Ministerium um eine solche Schätzung erheben zu können?

 

8.      Welche konkreten Maßnahmen gedenkt das Arbeitsministerium zu setzen, um ein Bewusstsein für die Problematik (sexuelle) Gewalt am Arbeitsplatz zu schaffen?

 

9.      Worin besteht nach Ansicht der Bundesregierung die staatliche Schutzpflicht in Bezug auf Gewalt und Diskriminierung am Arbeitsplatz?

 

10. Aus Ihrer Anfragebeantwortung (8549/AB) geht hervor, dass Österreich aktiv an der Ausarbeitung der ILO 190 Konvention beteiligt war. Wörtlich hieß es von Ihnen, dass

„für die österreichische Bundesregierung […] die Bekämpfung von Gewalt und Belästigung in allen Bereichen ein wichtiges Anliegen [ist]. Das vorliegende Übereinkommen liefert für den Kampf gegen Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz international einen wichtigen Beitrag.“ Weiters hielten Sie fest, dass die Kommission eine Ratifizierungsermächtigung und der Rat eine Ratifizierungverpflichtung vorsehen, sich darüber aber noch uneins sind. Dennoch bedeutet dies, dass es seitens der EU keine Hürden bzgl. der Ratifizierung der ILO Konvention 190 in Österreich zu erwarten gäbe. Warum hat die Österreichische Bundesregierung dennoch noch keine Ratifizierung der ILO Konvention 190 vorgenommen?


11. Denken Sie, die Ratifizierung der ILO Konvention 190 wäre ein geeignetes Mittel zur Prävention von Gewalt am Arbeitsplatz in Österreich?