12690/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.10.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Blimlinger, Olga Voglauer, Georg Bürstmayr, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend „Bedrohung der Medienfreiheit durch heimische Exekutive?“

BEGRÜNDUNG

 

Bei einer Demonstration von Corona-Maßnahmengegner:innen, Verschwörungserzähler:innen und Faschisten am 10. September 2022 wurden der Journalist Michael Bonvalot und sein Team eingekesselt. Die Einsatzkräfte kamen dem Team rund um Bonvalot nicht etwa zur Hilfe, sondern haben es abgedrängt und die Identitäten des Journalisten und seiner Begleiter:innen festgestellt.

Die Tageszeitung Der Standard berichtete: „Er wurde auf einer Veranstaltung am 10. September mit seinem Team bestehend aus Sicherheitsleuten und einer Fotografin nach Angriffen von Demonstranten von der Polizei abgedrängt und vorübergehend festgesetzt – das zeigen Videos, die dort gemacht wurden. Obwohl sich Bonvalot und sein Team ruhig verhielten und er deutlich sichtbar seinen Presseausweis trug, erzwangen die Beamten Identitätsfeststellungen.“

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sah sich zu folgendem Statement veranlasst: „Es kann nicht sein, dass Journalist*innen bei Ausübung ihrer Arbeit von der Polizei mit absurden Amtshandlungen aufgehalten werden. Wir fordern mehr Schutz für Medienschaffende und bessere Schulung der vor Ort tätigen polizeilichen Einsatzkräfte.“

Die Landespolizeidirektion Wien wiederum verteidigte sich, „die Identitätsfeststellungen seien ‚aufgrund des Verdachts mehrerer Verwaltungsübertretungen‘ durchgeführt worden. Welche, könne man aus Gründen des Datenschutzes nichts sagen, da ‚die betroffenen Personen bekannt sind‘.“

Die Grünen haben zu diesem Vorfall bereits am 21.9.2022 eine parlamentarische Anfrage gestellt, die Betroffenen haben eine Maßnahmenbeschwerde beim VwGH eingebracht.

Nun wurde bekannt, dass die Begleiter:innen von Bonvalot Strafverfügungen in Höhe von jeweils 500 Euro erhalten haben. Gegen Bonvalot läuft das Verfahren.

Die Strafen setzen sich laut Medieninformationen jeweils wie folgt zusammen: 300 Euro nach dem Sicherheitspolizeigesetz wegen Störung der öffentlichen Ordnung sowie 200 Euro nach der Straßenverkehrsordnung, da die Begleiter:innen von Bonvalot am Parkring „als Fußgänger den vorhandenen Gehsteig nicht benützt" hätten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Wenn ein gewaltbereiter Mob ein Presseteam bedroht, sollten die Einsatzkräfte aus Ihrer Sicht sicherstellen, dass das Presseteam in Ausübung der Pressefreiheit seiner Arbeit nachgehen kann?

2.    Warum ist das hier nicht geschehen?

3.    Während des Einsatzes konnte den Betroffenen offenbar kein Grund genannt werden, weshalb sie abgedrängt und ihre Identitäten festgestellt wurden. Wie begegnen Sie dem medial kolportierten Vorwurf, dass die Behörden das Vorgehen der Einsatzkräfte nun mit den verfügten Strafen nachträglich zu rechtfertigen versuchen?

4.    Wenn ein Presseteam von einem gewaltbereiten Mob bedroht und von den Einsatzkräften abgedrängt wird, sollte das Presseteam aus Ihrer Sicht dafür bestraft werden, dass es „als Fußgänger den vorhandenen Gehsteig nicht benützt" hat?

5.    Welche gesetzlich Grundlage gibt es für die Forderung, dass ein Presseteam bei einer Demonstration den vorhandenen Gehsteig benutzen muss und wie soll Ihrer Ansicht nach in Zukunft journalistische Berichterstattung von Demonstrationen ermöglicht werden, wenn die Straße nicht betreten werden kann, auf der die Versammlung stattfindet über die berichtet werden soll?

6.    In der Anzeige gegen Michael Bonvalot wird ihm vorgehalten er habe die Kundgebung gestört. Ist eine Berichterstattung durch akkreditierte Journalisten in Ihren Augen eine Störung oder worin genau begründet sich die behauptete Störung?

7.    Das Tragen einer FFP-2 Maske wird in der Anzeige als „Vermummung“ klassifiziert. Teilen Sie diese Einschätzung, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen epidemiologischen Situation und der mutmaßlich vielen ungeimpften Personen auf der genannten Versammlung?

(Anm.: In jüngerer Vergangenheit war das Tragen von FFP-2 Masken bei Versammlungen zeitweise sogar Pflicht)

8.    Wer war der Einsatzleiter bei der genannten Versammlung, der das Vorgehen der Einsatzkräfte angeordnet und damit zu verantworten hat?

9.    Ebenfalls in der Anzeige wird festgehalten: „Nach Beendigung der AH (Anm.: Amtshandlung) wurde via Funk durchgegeben, dass die I-Feststellungen (Anm.: Identitätsfeststellungen) unverzüglich einzustellen sind. Durch wen dieser Funkspruch abgesetzt wurde, kann nicht angegeben werden.“

a.    Wurde von den Einsatzkräften festgestellt, dass die Identitätsfeststellungen nicht rechtmäßig erfolgt sind?

b.    Wieso kann nicht angegeben werden von wem dieser Funkspruch abgesetzt wurde?

c.    Können Sie veranlassen dass aus den Einsatzprotokollen diese Information erhoben wird?

10. Wie wollen Sie in Zukunft Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger („Pressefreiheit“) bei Demonstrationen – insbesondere gegen die Corona-Maßnahmen – besser schützen?

11. Plant das Innenministerium einen Erlass, der bei zukünftigen Demonstrationen den Schutz der Pressefreiheit als Einsatzziel ausdrücklich artikuliert?

12. Erhalten die Einsatzkräfte in ihrem Einsatzbefehl individuelle Informationen zu konkreten Journalist:innen?

13. Haben die Einsatzkräfte in ihrem Einsatzbefehl zur Versammlung am 10.9.2022 individuelle Informationen zu Michael Bonvalot erhalten?

a.    Wenn ja, welche?

14. Sind Sie als letztverantwortlicher Minister mit dem Vorgehen der Behörden in diesem Fall zufrieden?

15. Wo sehen Sie Änderungsbedarf?