12743/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.10.2022
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Stögmüller, Blimlinger, Freundinnen und Freunde,

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend NS-Wiederbetätigung und unzureichende Disziplinarstrafen im österreichischen Bundesheer

 

Begründung

Wieder erschüttert ein Fall von NS-Wiederbetätigung das österreichische Bundesheer. Wie der Kurier am 12.10.2022 berichtete sorgte das Disziplinarverfahren des Kärntner Oberstabswachtmeisters G. für Aufregung.[1] Die Entscheidung, strafmildernde Umstände hervorzuheben und G. mit einer Geldstrafe von weniger als €5000 zu belegen ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des VwGH und den konkreten Sachverhalt ungewöhnlich.

Schon in den Jahren 2014 und 2015, sowie 2017 bis 2020 soll OStWm G. „Handlungen in nationalsozialistischem Sinne“ gesetzt haben. Die aktuelle Causa begann, nachdem einschlägige Fotos des Unteroffiziers mit diversen nationalsozialistischen Objekten an die Öffentlichkeit gelangten. Kurz darauf erfolgte eine Hausdurchsuchung durch Staatsschutz und Militärpolizei in seiner militärischen und seiner privaten Unterkunft.[2] Es wurden zahlreiche NS-Objekte und Memorabilien bei ihm zuhause gefunden. Einige davon wurden G. laut eigener Aussage von seinem Groß- und Urgroßvater weitergegeben, andere hatte er im Internet bestellt. Auf Datenträgern sollen laut Staatsanwältin etliche Bilder aus der NS-Zeit gefunden worden sein.[3] Bei der Nachschau tauchte auch entwendete Knallmunition in G.s Wohnung auf.[4]

Auf selbstgemachten Fotos war G. in einer scheinbar selbst zusammengestellten Uniform eines SS-Obersturmbannführers mit sichtbarem Hakenkreuz, Aufnäher mit SS-Runen und Reichsadler zu sehen, dazu eine personalisierte Urkunde mit Dienstgrad Obersturmbannführer, auf der auch Reichsadler mit Hakenkreuz zu sehen war, sowie ein Hakenkreuztischwimpel. Die Fotos, die scheinbar zur Zurschaustellung seiner Memorabilien gemacht wurden, tauchten wenig später auf sozialen Medien auf.[5] Kurz darauf wurde G. auch fotografisch beim Hitlergrußgeben festgehalten. Wie Medien berichteten, tat er dies unter anderem in der Spielerkabine eines Fußballplatzes;[6] aus G.s Disziplinarerkenntnis jedoch geht hervor, dass er auch im ersten Quartal 2020 in der Starhemberg-Kaserne in Wien „vor seinen Kameraden mit der ausgestreckten rechten Hand den „Hitlergruß“ darbot.“[7]

            Im Juli 2022 wurde G. am Landesgericht Klagenfurt wegen Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne zu zehn Monaten bedingter Haft und einer Geldstrafe verurteilt.[8] Darauf folgte ein Disziplinarverfahren des Bundesheers selbst, in dem G. ein „reumütiges und umfassendes Tatsachengeständnis“ ablegte, sich „einsichtig“ verhielt und von dem NS-Regime distanzierte. Obwohl entschieden wurde, dass G. „vorsätzlich gegen seine Dienstplichten verstoßen“ hatte, wurden diverse strafmildernde Gründe, zu denen sein Geständnis und seine Distanzierung, aber auch „Unbescholtenheit und bisheriger ordentlicher Lebenswandel“ gezählt wurden, angeführt. Auch das Argument, er hätte die Taten nur unter Alkoholeinfluss begangen, wurde mildernd gewertet. Der nicht genannte Disziplinaranwalt hielt fest, dass „Milderungsgründe klar überwiegen“ und G. „ansonsten bisher ein guter Unteroffizier war“.[9]

Die Bundesdisziplinarbehörde sah von einer Dienstfreistellung beziehungsweise einer Entlassung ab. Der Disziplinaranwalt, der dem Ressort untersteht und an Weisungen der Ministerin gebunden ist, erwähnte zwar, dass „nach der Rechtsprechung des VwGH aufgrund des Treueverlustes die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht“ käme, sah im Endeffekt aber eine Geldstrafe von zwei Monatsgehältern, also € 4.968,20, als „schuld- und tatangemessene Bestrafung.“[10] OStWm G. „möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen.“[11]

            Faktum ist, dass diese Causa dem Ansehen des Bundesheers und der Republik Österreich schwer schadet. Das Bundesheer ist dem Schutz der Republik und ihrer Verfassung verpflichtet. Für einzelne Elemente, die sich wiederholt als staatsfeindlich bzw. -gefährdend herausstellen, muss es adäquate Konsequenzen geben. Solche Ideologien dürfen weder in den Streitkräften noch in anderen Bereichen des Staates einen Fußbreit erlangen. Zu diesem Zwecke sieht der Gesetzesrahmen das Weisungsrecht der Bundesministerin vor; das Bundesministerium muss in solchen Fällen in Zukunft schneller und konsequenter handeln.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

 

1.    Wann wurden Sie über den Fall des OStWm G. konkret informiert?

 

2.    Wann wurde Generalsekretär Kandlhofer über die Causa informiert?

 

3.    Wie wurde Ihr Kabinett über die Causa informiert?

 

4.    Welche konkreten Maßnahmen/Weisungen/sonst. haben Sie unternommen?

 

5.    Hat es Ihrerseits bzw. seitens des BMLV eine Weisung an den Disziplinaranwalt im Fall G.s gegeben?

a.    Wenn ja, welchen Inhalt hatte diese?

b.    Wenn ja, wer war weisungsbefugt?

c.    Wenn ja, war es eine mündliche oder eine schriftliche Weisung?

d.    Wenn ja, an wen erging die Weisung noch? Wer wurde davon in Kenntnis gesetzt?

e.    War Generalsekretär Kandlhofer in den Entscheidungsprozess eingebunden? Wenn ja, inwiefern?

 

6.    Hat es ein konkretes Gespräch mit Ihnen und dem Disziplinaranwalt gegeben?

a.    Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

b.    Wurde dieses Gespräch in einem Protokoll oder Aktenvermerk dokumentiert?

c.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Wenn ja, wurde das Schriftstück veraktet?

 

7.    Hat es Gespräche mit Ihrem Kabinett und dem Disziplinaranwalt über die konkrete Causa gegeben?

a.    Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

b.    Wer war bei den Gesprächen anwesend bzw. wer war für diese Causa in Ihrem Kabinett verantwortlich?

c.    Wurde dieses Gespräch in einem Protokoll oder Aktenvermerk dokumentiert?

d.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Wenn ja, wurde das Schriftstück veraktet?

 

8.    Hat das Vorgehen des Disziplinaranwalts im Fall G. Ihrer Weisung entsprochen?

a.    Wenn nein, hat der Disziplinaranwalt weisungswidrig gehandelt?

 

9.    Warum haben Sie sich gegen eine Weisung auf Entlassung entschieden?

 

10. Haben Sie Wahrnehmungen, dass im näheren personellen Umfeld des OStWm G. weitere Ermittlungen unternommen werden bzw. wurden?

a.    Wenn ja, bei wem und aufgrund welcher Verdachtslagen?

 

11. Wurde die von Ihnen angekündigte Kommission nach § 8 BMG (1) zur "Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen" bereits eingesetzt?

a.    Welches Ziel hat diese Kommission?

b.    Hat die Kommission bereits eine Geschäftsordnung?

c.    Mit welchen Mitgliedern nach Abs. 2 des § 8 BMG wird die Kommission zusammengestellt?

d.    Wer hat den Vorsitz der Kommission?

 

12. Wann ist mit einem Abschluss der Arbeiten der Kommission zu rechnen?

a.    Wird der Bericht auch dem Ausschuss für Landesverteidigung übermittelt?

 

13. Gibt es ähnliche Fälle im BMLV, in denen Soldat:innen, die nach dem VerbotsG dem AbzG, dem EGVG III-1-4 oder dem SymbG verurteilt wurden, weiterhin im Dienst blieben?

a.    Wenn ja, wie viele Personen sind aktuell im Personenstand des BMLV bzw. im ÖBH nach dem VerbotsG dem AbzG, dem EGVG III-1-4 oder dem SymbG verurteilt?

 

14. Welche Maßnahmen werden präventiv von Ihrem Ministerium getroffen, um Wiederbetätigung zu verhindern?



[1] Schreiber, Dominik und Kid Möchel. Unteroffizier ging in SS-Uniform spazieren - kein Entlassungsgrund. Kurier. 12.10.2022. https://kurier.at/chronik/oesterreich/nazi-unteroffizier-ging-in-ss-uniform-spazieren-kein-entlassungsgrund/402178806. Online aufgerufen am 12.10.2022.

[2] Schreiber, ibid.

[3] ORF Kärnten. (k.A.). SS-Uniform gebastelt: Zehn Monate bedingt. 4.7.2022. https://kaernten.orf.at/stories/3163414/. Online aufgerufen am 13.10.2022.

[4] Bundesdisziplinarbehörde. Disziplinarerkenntnis, OStWm G. 19.9.2022. GZ: 2022-0.566.529. Seite 4.

[5] Schreiber, ibid.

[6] ORF Kärnten, ibid.

[7] Bundesdisziplinarbehörde. Seite 2.

[8] ORF Kärnten, ibid.

[9] Bundesdisziplinarbehörde. Seite 13.

[10] Ibid, Seite 7.

[11] Ibid, Seite 14.