1277/J XXVII. GP
Eingelangt am 13.03.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend Hitzetod eines Rekruten
"Ich verbrenne! Ich sterbe! Holen Sie einen Arzt!".
Mit diesen Worten schrie ein jun-
ger Rekrut am 3. August 2017 bei einem Hitzemarsch im Waldviertel um Hilfe, wie
der Falter am 10.03.2020 berichtete (https://www.falter.at/zeitung/20200310/ich-
sterbe-holen-sie-einen-arzt). Wie aus den verschiedensten
Zeugeneinvernahmen
und Tatortrekonstruktionen hervorgeht, wurde der junge Mann entgegen eindeutigen
internen Dienstvorschriften jedoch weiterhin zum Marschieren gedrängt, so lange, bis
er zusammenbrach. Anstatt den Mann jedoch sofort ins Spital zu bringen, wie es die
Regeln vorsehen, ließ man ihn noch eine Dreiviertelstunde im Feld und dann weitere
zehn Minuten am heißen Asphalt liegen, woraufhin er wenig später im Krankenhaus
verstarb.
Der Notarzt fand den 19-Jährigen vor der Kaserne am Asphalt und in der prallen
Sonne - mit einer Körpertemperatur von 43,5 Grad. Einer der Sanitäter stellte zudem
fest, dass keine Erste-Hilfe-Maßnahmen vom Bundesheer Personal gesetzt wurden.
An diesem Tag und zu diesem Zeitpunkt betrug die Lufttemperatur in Horn 36 Grad.
Zwei Stunden lang versuchten Ärzte, das Leben des Rekruten zu retten - vergeblich.
Das Bundesheer wies die "absurden und pietätlosen
Anschuldigungen", Mitverant-
wortung an seinem Tod zu tragen, vehement zurück. Ein Infekt im
Körper des Rekru-
ten soll letztendlich zu seinem Tod geführt haben. Die vier Soldaten in
Verantwortung
sollen gegen keine Vorschriften verstoßen haben; sie haben ausreichend Wasser zur
Verfügung gestellt und leichtere Adjustierung angeordnet. Die Kriminalpolizei hat das
Marschgepäck später abgewogen: 24,73 Kilo.
Im Hitzeerlass aus dem Verlautbarungsblatt 1 des
Bundesministeriums für Landes-
verteidigung und Sport ist die Sachlage sehr eindeutig: "Extreme
Temperaturen lie-
gen dann vor, wenn folgende Werte erreicht werden: um 12 Uhr plus 28 Grad im
Schatten". Das Vorgehen in diesem Fall wird durch die Dienstvorschriften geregelt:
"Ausnützung von kühlen Räumen und schattigen Plätzen im Freien bei großer Hitze",
"Vermeiden von Fußmärschen vor allem in offenem und unbedecktem Gelände in
den heißen Tagesstunden". Und: "Sofern verfügbar, ist bei der Ausbildung außerhalb
der Kaserne die Teilnahme von ausgebildetem Sanitätspersonal im notwendigen
Ausmaß sicherzustellen." Damit ist eigentlich vollkommen klar: Bei einer Temperatur
von 36 Grad hätte dieser Marsch auf keinen Fall stattfinden dürfen. Und wenn doch,
nur in Begleitung von ausgebildetem Sanitätspersonal.
Weiter: "Im Falle der Gefahr des Eintretens
gesundheitlicher Schäden bei Angehöri-
gen der übenden Truppe durch extreme Temperaturen ist die Ausbildung
vorzeitig zu
beenden. Der Meldung eines Untergebenen über seinen körperlichen Zustand ist
dabei vorerst vorbehaltlos Glauben zu schenken, dieser einem Arzt vorzuführen und
bei Feststellung unwahrer Angaben zur Verantwortung zu ziehen."
Gemäß allen Protokollen hat der Rekrut mehrmals versucht zu vermitteln, dass ihm
zu heiß wäre - "Ich verbrenne" - und verlangt, von einem Arzt untersucht zu werden.
Mehreren Zeugenaussagen zufolge hat der 19-Jährige geschwitzt, gezittert, die Au-
gen verdreht und war kaum in der Lage, in geraden Sätzen zu sprechen. Trotzdem
hat keiner der Verantwortlichen gehandelt. Erst nach 20 Minuten wurde ein
Miiltärpritschenwagen gerufen, weitere 20 Minuten
vergingen, bevor der Notarzt verständigt wurde. Obwohl auch das im Erlass
ganz eindeutig geregelt ist: Bei "Mattig-
keit, Beklemmungsgefühl, Kopfschmerzen oder starkem Durst" muss ein
Rekrut un-
verzüglich ins Spital gebracht werden.
Ein Satz, der in dieser Berichterstattung besonders auffällt: Der Gefreite in Verant-
wortung sagte: "Ich selbst hatte nie eine Belehrung über den Dienst bei extremen
Temperaturen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Rekruten aufgrund der Hitze
überfordert waren." Diese Aussage wurde zwar revidiert, wirft aber dennoch Fragen
auf.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1.
Welchen Dienstgrad hatten die für den Rekruten
verantwortlichen Ausbildenden?
a. Welche Ausbildung hatten diese beim Bundesheer zu dem Zeitpunkt des Vor-
falls abgeschlossen?
2.
Wurden die verantwortlichen Soldaten im Vorfeld zu den
Dienstvorschriften bei
Hitze geschult?
a. Wenn ja, inwiefern? Bitte um Erläuterung nach Dienstgrad
der Verantwortli-
chen.
b. Wenn ja, wann? Bitte um Erläuterung nach Dienstgrad der
Verantwortlichen.
3.
Wie wird sichergestellt, dass die Dienstvorschriften bei Hitze
allen Ausbildnern bekannt ist?
a. In welcher Form werden diese Informationen mit den
Verantwortlichen geteilt?
4.
Besteht die Möglichkeit, dass die verantwortlichen Soldaten
sich der Vorschrift
nicht bewusst waren?
a. Wenn ja, wieso?
b. Wenn nein, wieso wurde nicht danach gehandelt?
5.
Wieso konnte dieser Marsch trotz der Hitze stattfinden?
a. Wieso wurde kein ausgebildetes Santitätspersonal
miteingebunden, obwohl
dies nach Dienstvorschrift notwendig gewesen wäre?
6.
Mit welcher Begründung wurde der Rekrut nicht sofort ins
Spital gebracht, obwohl
auch das nach Dienstvorschrift unverzüglich passieren hätte sollen?
7.
Gibt es Ihrer Kenntnis nach weitere Fälle, bei denen auf
einen Notruf verzichtet
wurde?
a. Wenn ja, welche? Bitte um Auftistung nach Jahr und
Beschreibung des Hergangs,
der Betroffenen und den Konsequenzen.
8.
Gab es in Folge dieses Vorfalls Konsequenzen von Seiten des
Bundesheeres?
a. Wenn ja, welche?
b. Welche Konsequenzen gab es konkret für die Soldaten in Verantwortung?
b. Gab es Konsequenzen, um Ausbildende hinsichtlich der Dienstvorschriften und
des Verhaltens bei Hitze besser zu schulen?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
d. Gab es Konsequenzen
hinsichtlich anderen, in diesem Sommer stattfindenden,
Märschen in großer Hitze?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
9.
Der damalige Verteidigungsminister Doskozil hat eine
Untersuchungskommission
zur Aufarbeitung dieses Falles eingesetzt. Wieso wurde der Endbericht dieser
Kommission nicht veröffentlicht?
a. Von wem wurde die Kommission verlangt? Von wem kam die
Anordnung?
b. Wer waren die Mitglieder dieser Untersuchungskommission?
10.
Waren Bedienstete des BMLV in Kontakt mit Personen, die in die
Ermittlungen
der Staatsanwaltschaft miteinbezogen waren?
a. Wenn ja, wer?
b. Wenn ja, wann?
c. Wenn ja, wo?
d. Wenn ja, was war der Inhalt und das Ergebnis der
Gespräche?