Eingelangt am 21.10.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen
und Kollegen
an die Bundesministerin
für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt betreffend Asylkrise? Nein,
wir haben ein Managementproblem!
ÖVP-Innenminister Gerhard Karner lässt keine
Gelegenheit mehr aus, um die vermeintliche Überlastung des
österreichischen Asylsystems in den Vordergrund zu stellen. In der Folge werden die falschen
Aktionen gesetzt, die das Problem in keinster Weise lösen und sogar vom
Koalitionspartner stark kritisiert werden - wie etwa die Idee der Auslagerung
von Asylverfahren in Drittstaaten zu ventilieren oder neuerdings eine
unsachliche, nicht treffsichere Onlinekampagne zur kollektiven Abschreckung von
Asylwerber_innen um 260.000 Euro zu schalten. Schon 2016 hat das Innenministerium eine ähnliche
Kampagne mit Schwerpunkt in Afghanistan lanciert, die im Internet, Fernsehen,
in Zeitungen und sogar auf Bussen mit Slogans wie "Österreichs
Asylrecht nun noch strenger" dagegen warb, sich auf den Weg nach
Österreich zu machen. Migrationsexpert_innen bezweifeln
grundsätzlich, dass derartige Kampagnen auf Betroffene eine abschreckende
Wirkung haben, wenn bei ihnen entsprechende Fluchtgründe vorliegen (siehe
„Kampagne gegen illegale Migration: Fragwürdige
Abschreckung“ sowie „Innenminister
Karner will Asylprüfungen in Drittstaaten auslagern“ I Der Standard).
Darüber hinaus
betont Minister Karner immer öfter, es gebe mehr Asylanträge aus
Ländern mit einer niedrigen Anerkennungsquote und, für gewisse
Antragsteller_innen, etwa aus "Urlaubsländern", gäbe es
keine positiven Aussichten, und das müsse man signalisieren.
Tatsächlich gibt es
einen Anstieg an Asylanträgen von Personen aus Nationen, die eine geringe
Anerkennungsquote haben. Im Jahr 2022 (Januar bis August)
war der Anteil an Personen, welche um internationalen Schutz ersuchen und aus
Tunesien, Pakistan, Indien oder Marokko kommen, folgender:
Quelle: Asylstatistik BMI (https://www.bmi.gv.at/301/Statistiken/files/2022/Asylstatistik_August_2022.pdf)
Jedoch muss Folgendes
festgehalten werden:
- Nach Maßgaben des Asylrechts ist jeder
Antrag auf internationalen Schutz einer Einzelprüfung zu unterziehen.
Auch eine Person, die aus einem Land mit einer niedrigen Anerkennungsquote
kommt, könnte schutzbedürftig sein. In Marokko ist
beispielsweise die Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit stark
eingeschränkt. Das gleiche gilt in Tunesien, wo Amnesty International ebenfalls
über unfaire Verfahren berichtet. Willkürliche Inhaftierungen,
insbesondere von Menschenrechtsaktivist_innen, sowie die
unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch
Exekutivbeamt_innen bis hin zur Folter sind in Indien keine
Seltenheit (vgl. Amnesty International Report 2021/2022).
- Nach wie vor kommen viele
Antragsteller_innen im Jahr 2022 aus Afghanistan (22%) und Syrien (19%) - Afghanistan und Syrien sind somit weiterhin die
antragsstärksten Nationen. Aufgrund der dramatischen Situation
in diesen Herkunftsländern haben Antragsteller_innen eine sehr hohe Chance, einen Schutzstatus zu bekommen. Es
finden außerdem keine Abschiebungen in diese Länder
statt.
Abgesehen davon stellt sich die Frage: Warum
kommen Menschen aus Indien, Pakistan und Tunesien bis nach Österreich?
Laut Migrationsexpert_innen trägt vor allem die Visafreiheit mit Serbien
dazu bei. Personen aus Tunesien können für 90 Tage ohne Visum
nach Serbien einreisen, dasselbe bis zu 30 Tage gilt auch für indische Bürger_innen,
was den Weg in die EU erheblich erleichtert (siehe "Migrationsexperte:
Zahl der Flüchtlinge wird im Winter steigen" I MDR). Das
Bundesministerium für Inneres steht nach eigenen Angaben im engen Kontakt
mit Serbien und bestrebt eine Vertiefung der Kooperation mit Serbien.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Welche Rückführungsabkommen hat
Österreich aktuell mit Drittstaaten (exkl. EU bzw.
EWR-Staaten)?
- Gibt es auf bilateraler Ebene mit Tunesien
Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen?
- Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstatus?
- Wenn ja, wann sollen diese Verhandlungen
abgeschlossen sein und wann rechnen Sie ggf. mit einem Inkrafttreten
eines Abkommens?
- Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es auf bilateraler Ebene mit Pakistan
Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen?
- Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstatus?
- Wenn ja, wann sollen diese Verhandlungen
abgeschlossen sein und wann rechnen Sie ggf. mit einem Inkrafttreten
eines Abkommens?
- Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es auf bilateraler Ebene mit Indien
Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen?
- Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstatus?
- Wenn ja, wann sollen diese Verhandlungen
abgeschlossen sein und wann rechnen Sie ggf. mit einem Inkrafttreten
eines Abkommens?
- Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es auf bilateraler Ebene mit Marokko
Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen?
- Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstatus?
- Wenn ja, wann sollen diese Verhandlungen
abgeschlossen sein und wann rechnen Sie ggf. mit einem Inkrafttreten
eines Abkommens?
- Wenn nein, warum nicht?
- Mit welchen dieser Drittstaaten finden
derzeit auf EU-Ebene Verhandlungen über
Rückführungsabkommen statt?
- Wie ist der jeweilige Verhandlungsstatus?
- Wann sollen die jeweiligen
Rückführungsabkommen abgeschlossen sein und wann sollen
sie in Kraft treten?
- Gibt es auf bilateraler Ebene mit weiteren
Drittstaaten Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen?
- Wenn ja, bitte um Auflistung der
betreffenden Staaten und Angabe des jeweiligen Verhandlungsstatus.
- Wann sollen diese Verhandlungen jeweils
abgeschlossen sein und wann rechnen Sie mit einem Inkrafttreten der
Abkommen?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wie lange dauern die Verhandlungen
eines Rückübernahmeabkommens im Durchschnitt?
- Welche relevanten Drittstaaten
kooperieren derzeit nicht bei Rückübernahmen, unabhängig
davon ob ein Abkommen besteht oder nicht?
- Haben Sie in Verhandlungen bzw.
Gesprächen mit serbischen Vertreter_innen, insbesondere angesichts
der geplanten Vertiefung der Kooperation mit Serbien, die
Visafreiheit
- zwischen Serbien
und Tunesien thematisiert?
i. Wenn ja, wann, mit welchen Vertreter_innen und mit welchen Inhalten und
Ergebnissen jeweils?
ii. Wurde Ihrerseits eine Einschränkung der Visafreiheit
angesprochen?
- zwischen Serbien
und Pakistan thematisiert?
i. Wenn ja, wann, mit welchen Vertreter_innen und mit welchen Inhalten und
Ergebnissen jeweils?
ii. Wurde Ihrerseits eine Einschränkung der Visafreiheit
angesprochen?
- zwischen Serbien
und Indien thematisiert?
i. Wenn ja, wann, mit welchen Vertreter_innen und mit welchen Inhalten und
Ergebnissen jeweils?
ii. Wurde Ihrerseits eine Einschränkung der Visafreiheit
angesprochen?
- Ist Ihr Ressort in Kenntnis anderer
Visa-Abkommen zwischen den Balkanstaaten und anderen Drittstaaten, welche
wie die Visapolitik Serbiens Einreisen von Drittstaatsangehörigen
nach Österreich bzw. in die EU vereinfachen?
- Wenn ja, seit wann bzgl. welcher Abkommen
zwischen welchen Staaten?
- Wenn ja, seit wann gab es in der Folge wann
Gespräche bzw. Verhandlungen hinsichtlich einer Anpassung der
Visapolitik zwischen Ihrem Ministerium und den betroffenen Ländern?
- Wenn nein, warum nicht?
- Am 3. Oktober gab Karl Nehammer im Rahmen
eines sogenannten "Migrationsgipfel" mit Ungarn und Serbien
bekannt, dass Serbien seine Visapolitik anpassen wird. Wann wird Serbien
seine Visapolitik jeweils mit welchen Ländern und inwiefern anpassen?