12796/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.10.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

betreffend faire Verträge für Künstler*innen

 

Im September ging ein offener Brief des Sängers Wolfgang Ablinger-Sperrhacke an Kulturpolitiker*innen in Regierung und Parlament, in dem dieser die Vorgänge rund um abgesagte bzw. verschobene Aufführungen während der Corona-Pandemie bei den Salzburger Festspielen beschreibt. Der Künstler kritisierte darin massiv die Vorgangsweise der Festspielleitung, wonach es für freie Künstler*innen keine Kompensationen für abgesagte Engagements gab und damit das wirtschaftliche Risiko aufgrund der Pandemie auf diese abgewälzt wurde ‑ all das noch zu einem Zeitpunkt, da sich das Kuratorium dem Vernehmen nach dessen bewusst war, dass auf Grund grundsätzlicher Öffnungsschritte force majeure als Absagegrund rechtlich nicht zutreffend war.

 

Die SPÖ hat bereits seit Beginn der Corona-Pandemie in mehreren Anträgen und Anfragen auf die Situation von freischaffenden Künstler*innen hingewiesen. Leider gab es keine einheitlichen Regelungen bei coronabedingten Absagen in den Bundeskulturinstitutionen und vom Bund massiv unterstützten Festivals wie den Salzburger Festspielen. Während beispielsweise Mörbisch, oder auch internationale Festivals wie Bayreuth und Aix-en-Provence Kompensationszahlungen leisteten, fielen diese bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen aus. Selbst bei den Bundestheatern gab es unterschiedliche Regelungen. Viele Verträge wurden auch trotz mangelnder rechtlicher Grundlage wegen höherer Gewalt aufgelöst.

 

Durch den offenen Brief sind nun weitere Details zu Tage getreten, vor allem ‑ aber nicht nur ‑ betreffend die Salzburger Festspiele, die einer Klärung bedürfen. „Der Umgang mit den nicht benötigten Künstlerinnen und Künstlern zählt zu den wenig ruhmreichen Kapiteln dieses Festivals.“ So lauten Zeilen aus dem offenen Brief von Opernsänger Wolfgang Ablinger-Sperrhacke an die Salzburger Festspiele. Bei den fehlenden Kompensationszahlungen im Falle von Absagen und Verschiebungen wird in dem Brief vor allem die Situation des Extrachores thematisiert. Seit Jahrzehnten existiert laut dem Schreiben hier ein Modell der Zusammenarbeit, das hinterfragenswert scheint: Der Privatverein Konzertvereinigung rekrutiert die Mitglieder des Extrachores, stellt detaillierte Vereinbarungen aus und hält Vorproben, meist Feb/März, ab. Eigene Verträge stellen die Salzburger Festspiele üblicherweise nicht aus, übernehmen aber die Auszahlungen (samt Sozialabgaben).

 

Im Jahr 2020 entfielen nun einige Produktionen ersatzlos, andere wurden verschoben. Den Vertreter*innen des Extrachores wurde von der Konzertvereinigung nur eine Abschlagszahlung für die bereits geleisteten Vorproben im Februar und März bezahlt. Die restlichen Verträge wurden seitens der Konzertvereinigung ohne Kompensationszahlungen aufgelöst. Das Auflösungschreiben erweckt dabei durchaus den Eindruck, dass hier Druck von Seiten der Salzburger Festspiele ausgeübt wurde:

(Auszug aus dem Mail der Konzertvereinigung zur Auflösung der Verträge am 9. Juni 2020)

 

Diese Vorgänge waren auch Thema im Kuratorium der Salzburger Festspiele, in das auch ein Vertreter des Bundes entsandt wird. Dem Vernehmen nach wurde dort beschlossen, dass für Kompensationszahlungen die betroffenen Agenturen ein gemeinsames Anspruchsschreiben an die Salzburger Festspiele richten sollten, was jedoch nie erfolgte. Daher harrt diese Frage trotz der bereits verstrichenen Jahre einer Klärung.

 

Auch aktuell stellt sich die Vertragslage in den Bundestheatern und bei Festivals oftmals immer noch zum Nachteil von Künstler*innen dar. Aufgrund der wieder hohen Inzidenzzahlen stehen Absagen und Verschiebungen immer noch auf der Tagesordnung. Auch heute erhalten bei Verschiebungen Künstler*innen oftmals vorerst keine Gage und bei Absagen entfällt die Entlohnung. Ebenfalls versuchen Veranstalter*innen durch eine sehr späte Ausstellung von Verträgen etwaigen Zahlungsverpflichtungen zu entgehen. Damit wird das wirtschaftliche Risiko auch jetzt noch auf die einzelnen Künstler*innen abgewälzt und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht ausreichend wahrgenommen. Verträge von geförderten Institutionen mit Künstler*innen müssen rechtzeitig abgeschlossen werden und auch im Krisenfall gelten. Fördergelder, die trotz corona-bedingten Absagen in der Institution verbleiben, müssen auch an Künstler*innen weitergegeben werden. Absagen dürfen nicht zum alleinigen Risiko von Künstler*innen werden.

 

Es ist bedauerlich, dass der von der Staatssekretärin initiierte Fairness-Prozess hier bisher kein Umdenken eingeleitet hat und selbst in den Bundeskulturinstitutionen im eigenen Verantwortungsbereich keine Verbesserungen beschlossen wurden. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1)      Wie oft fanden seit Anfang 2020 Sitzungen des Kuratoriums der Salzburger Festspiele statt?

a) In welchen dieser Sitzungen waren coronabedingte Absagen und Verschiebungen Thema?

b) Wann genau wurde über den Umgang mit Verträgen bei Absage oder Verschiebung gesprochen?

c) Was wurde hier konkret diskutiert und in der Folge beschlossen?

d) Dem Vernehmen nach waren sich die Mitglieder des Festspielkuratoriums bewusst, dass auf Grund der grundsätzlichen Öffnungsschritte force majeure als Absagegrund nicht gültig war. Warum hat Salzburg sich dann trotzdem auf force majeure berufen, ohne eine derartige Absageklausel überhaupt in den Originalverträgen zu haben?

e) Ist es zutreffend, dass seitens des Kuratoriums angeregt wurde, dass betroffene Agenturen für Kompensationszahlungen ein gemeinsames Anspruchsschreiben an die Salzburger Festspiele richten sollten?

f)  Was hat man sich von so einer Vorgangsweise versprochen?

g) Wie ist das weitere Vorgehen nach Scheitern dieses Vorschlags?

h) Wie viele Künstler*innen haben bis heute noch keine Kompensationszahlungen für Absagen oder Verschiebungen bei den Salzburger Festspielen 2020 bekommen?

i)  Wann ist endlich mit einer Erledigung im Sinne der Künstler*innen zu rechnen?

2)      Wurde im Kuratorium das Modell der Zusammenarbeit zwischen Salzburger Festspiele und der Konzertvereinigung thematisiert?

a) Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

b) Warum werden Verpflichtungserklärung zwischen Konzertvereinigung und Sänger*innen statt direkten Verträgen mit den Salzburger Festspielen abgeschlossen?

c)      Ist es zutreffend, dass den zusätzlichen Mitgliedern der Konzertvereinigung erheblich weniger an Vergütungen bei gleicher Arbeit als den Stammmitgliedern gezahlt wird und wie ist das mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar?

d) Haben die Salzburger Festspiele Druck auf die Konzertvereinigung gemacht, dass Vereinbarungen ohne Kompensationen gelöst oder geändert werden?

e) Wenn es bisher kein Thema im Kuratorium war, werden Sie es zum Thema machen?

f)  Laut § 7 Theaterarbeitsgesetz beginnt ein Bühnenarbeitsvertrag auch entgegen anderslautender Vereinbarungen mit dem Tag des Arbeitsantrittes, wobei dieser auch Vorproben umfasst. Wie wurde das bei den Zusatz-Mitgliedern der Konzertvereinigung gehandhabt?

g) Für welchen Zeitraum werden die Mitglieder der Konzertvereinigung jeweils angestellt?

h) Erhalten die Sänger*innen schriftliche Verträge?

i)  Wenn nein, warum nicht?

3)      Laut der Anfragebeantwortung 4724/AB vom 19.2.2021 wurden an der Wiener Staatsoper im ersten Corona-Lockdown 103 Gastverträge mit einem Volumen 3,61 Mio. € aufgelöst, bei der Volksoper 50 Gastverträge mit einem Volumen von 0,74 Mio. Wie stellt sich die Entwicklung in weiterer Folge dar?

a) Wie viele Verträge mit welchem Volumen wurden seit Beginn der Covid-19-Pandemie aufgrund von Absagen oder Verschiebungen aufgelöst? (Aufschlüsselung bitte nach Institution, Berufsgruppe und Jahr)

b) Welche Summen wurden dennoch ausbezahlt, obwohl die Veranstaltung nicht stattfinden konnte? (Aufschlüsselung bitte nach Institution, Berufsgruppe und Jahr)

4)      Laut der Anfragebeantwortung 4724/AB wurden an nicht festangestellte Künstler*innen in der Staatsoper lediglich 0,82 Mio. €, in der Volksoper 0,29 Mio. € trotz Absage ausbezahlt. Das bedeutet, dass die Auszahlungsquote bei der Staatsoper lediglich bei 22,7 Prozent und bei der Volksoper bei 39,1 Prozent lag. Wie stellt sich die Entwicklung in weiterer Folge dar?

a) Wie hat sich die Auszahlungsquote der Staatsoper und der Volksoper seit Beginn der Coronapandemie entwickelt? (Aufschlüsselung bitte nach Institution, Berufsgruppe und Jahr)

b) Durch welche Maßnahmen wurde sichergestellt, dass die an die Bundestheater ausbezahlten Corona-Hilfen auch den selbständigen Künstler*innen zugutekommen?

c) Enthalten aktuelle Verträge nach wie vor eine Klausel zu höherer Gewalt?

d) Welche Aktivitäten wurden von Ihrer Seite hier gesetzt?

5)      Laut der Anfragebeantwortung 4724/AB wurde die Bundestheater-Holding GmbH vom BMKÖS ermächtigt, individuelle Auflösungsverträge mit sozial gestaffelten Abschlagszahlungen zu vereinbaren. Warum wurde hier der Weg über individuelle Auflösungsverträge gewählt und keine transparente, allgemein gültige Regelung festgelegt?

a) Nach welchen Richtlinien wurden die einzelnen Auflösungsverträge erstellt?

b) Ist es richtig, dass jene Künstler*innen, die sich anwaltlich vertreten ließen, bessere Auflösungsvereinbarungen erhalten haben als jene ohne anwaltliche Vertretung?

c) Wurde die Ermächtigung des BMKÖS an die Bundestheater-Holding schriftlich mitgeteilt?

d) Was war der genaue Inhalt dieser Ermächtigung und wann wurde sie erteilt?

6)      Im Burgtheater enthalten die Gastverträge Vereinbarungen für den Fall einer Absage. Wie sieht es bei Staatsoper und Volksoper aus?

a) Sind hier nach wie vor keine Vereinbarungen für den Absagefall vorgesehen, als auch keine Teilzahlungen bei Verschiebungen?

b) Wenn ja, warum nicht? Werden Sie sich für solche einsetzen?

c) Wenn nein, wie lauten die Vereinbarungen bei Absage, wie bei Verschiebungen?

7)      Laut § 42 Abs 2 TAG haben das Theater und das Mitglied die Vergütung für die Vermittlung eines Bühnenarbeitsvertrages je zur Hälfte zu bezahlen. Wie sieht hier die gelebte Praxis in den Bundestheatern aus?

8)      Sind Ihnen Verstöße gegen das TAG seitens der Bundestheater oder der Salzburger Festspiele bekannt?

a) Wenn ja, welche?

9)      Eine Novellierung des TAG wurde bereits angekündigt. Wie ist hier der aktuelle Stand?

a) Wann wir die Novelle dem Nationalrat vorliegen?

b) Wie soll künftig mit force majeure umgegangen werden, wie mit Verschiebungen?

c) Wie werden Sie sicherstellen, dass bei Pandemien oder ähnlichen Krisen das Risiko nicht auf einzelne (Gast)künstler*innen abgewälzt wird?

10)  Welche Rolle spielten faire Verträge bisher beim Fairness-Prozess?

a) Werden Sie auf eine faire Vertragsgestaltung ein besonderes Augenmerk legen?

b) Werden Sie Richtlinien für eine faire Vertragsgestaltung für die Bundeskulturinstitutionen und für Fördernehmer*innen vorlegen?

c) Wenn ja, was ist hier für wann geplant?

d) Wenn nein, warum nicht?

11)  Auf Grund des VfGH-Urteils zu den Kulturbetretungsverboten wurden diese ab Ungleichbehandlung mit der Religion als rechtswidrig, gleichheitswidrig und sachlich nicht nachvollziehbar eingestuft, eine derartige Ungleichbehandlung erfüllt aber nicht die Kernkriterien von Höherer Gewalt/force majeure, da es auf politisch willkürlichen Entscheidungen beruht. Welche Auswirkungen wird das auf die bereits ausgestellten Auflösungsverträge bzw. auf die Nichtzahlung von Gagen der Soloselbstständigen haben, wenn die Rechtsgrundlage für eben diese Auflösungen im Nachhinein als falsch eingestuft wurde?