12909/J XXVII. GP
Eingelangt am 02.11.2022
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Anfrage
des Abgeordneten Peter Wurm
an die Bundesministerin für Justiz
Hohe Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, eine steigende Anzahl an Sozialhilfebeziehern und eine zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten sind nicht zuletzt ein Resultat unverhältnismäßiger Corona-Maßnahmen dieser türkis-grünen Bundes-regierung. Dazu kommen gestörte Lieferketten und explodierende Weltmarktpreise im Zuge der aktuellen Ukraine-Krise, die zu stark steigenden Preisen auf dem Energiesektor und bei Ver- und Gebrauchsartikeln des täglichen Bedarfs geführt haben. Immer weniger Personen finden so ein Auskommen mit ihrem Einkommen. Dies führt im Resultat sehr oft auch zu Zahlungsverzug, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit.
In diesem Zusammenhang sollte man daher auch das Instrument der „Offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ aus justiz-, vor allem aber auch aus sozial- und konsumentenpolitischer Sicht genau beobachten.
Die offenkundige Zahlungsunfähigkeit ist bei einem Vollzugsversuch im Rahmen der Exekution auf bewegliche Sachen, dem häufigsten Exekutionsmittel, durch den Gerichtsvollzieher oder den Verwalter in Exekutionssachen bei Ermittlung von beweglichen Vermögen wahrzunehmen, und zwar in jenen Exekutionsverfahren, in denen der Exekutionsantrag nach dem 30. Juni 2021 bei Gericht eingelangt ist. Seit dem Inkrafttreten der Gesamtreform des Exekutionsrechts bis Anfang dieses Jahres wurden über 332.000 Vollzugsberichte mit dem Ergebnis „keine pfändbaren Gegenstände“ in Verfahren verzeichnet, die nicht aufgrund von vollständiger Zahlung oder Einstellung, die meist auf eine Zahlung an den betreibenden Gläubiger zurückzuführen ist, endeten.
Diese Berichte deuten auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit der verpflichteten Partei hin, wenngleich diese nicht immer vorliegen muss. Allerdings kann auch bei einem anderen Vollzugsergebnis offenkundige Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Ein Vergleich der Zahlen zeigt, dass die offenkundige Zahlungsunfähigkeit noch in weniger Fällen wahrgenommen wird, als von der Praxis im Gesetzwerdungsprozess geschätzt wurde. Die Regelung hat sich aber bewährt, weil mit ihr bereits erreicht wurde, dass Exekutionsverfahren gegen zahlungsunfähige Schuldner ruhen. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Bei späterer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können im Exekutionsverfahren erworbene Pfändungen erlöschen und die Hereinbringung von Forderungen angefochten werden. Der Verfahrensaufwand des Exekutionsverfahrens und die Kosten für die Anfechtung sind vermeidbar, wenn rechtzeitig ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Darüber hinaus steht dem Schuldner, der kein Unternehmen betreibt, eine Entschuldung nach drei Jahren im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens mit Tilgungsplan nur offen, wenn er binnen 30 Tagen nach öffentlicher Bekanntmachung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit ergreift und keine neuen Schulden eingeht, die er nicht bezahlen kann.
Mit Bekanntmachung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit ruhen sämtliche Exekutionsverfahren der verpflichteten Partei. Ein auf das bewegliche Vermögen gerichteter Exekutionsantrag eines betreibenden Gläubigers ist nicht mehr zu bewilligen (ausgenommen Exekution wegen Unterhaltsanspruch). Die Exekutions-führung gegen eine verpflichtete Partei, dessen Zahlungsunfähigkeit rechtskräftig festgestellt wurde, ist nicht mehr möglich.
Mit der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen besteht ein regelmäßiger Austausch. Derzeit besteht kein Handlungsbedarf.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wie hat sich die Fallzahl der „Liegenschaftsexekutionen“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 im Monatsvergleich bis heute österreichweit entwickelt?
2. Wie hat sich die Fallzahl der „Liegenschaftsexekutionen“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 im Monatsvergleich bis heute in den einzelnen Bundesländern entwickelt?
3. Wie hat sich die Fallzahl der „Liegenschaftsexekutionen“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 im Monatsvergleich bis heute in den einzelnen Bezirksgerichts-Sprengeln entwickelt?
4. Welche Schlüsse ziehen Sie als Justizministerin bisher aus der Entwicklung der „Fahrnisexekutionen“ seit 2020?
5. Wie hat sich bei den „Liegenschaftsexekutionen“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 insbesondere die Anzahl der Vollzugsberichte mit dem Ergebnis „keine pfändbaren Gegenstände“ (bis 31.12.2021: 332.000 Vollzugsberichte mit dem Ergebnis „keine pfändbaren Gegenstände“- 9887/AB) entwickelt?
6. Wie hat sich die Anzahl der Vollzugsberichte mit dem Ergebnis „keine pfändbaren Gegenstände“ im Vergleich zu den „Liegenschaftsexekutionen“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 umgelegt auf die Bundesländer und einzelnen Bezirksgerichtssprengel entwickelt?