12957/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.11.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend WKStA und ihre Gegner – was steckt dahinter?
In atemberaubender Weise dringen über verschiedenste Kanäle Information über strafrechtlich relevante Ereignisse im Land ans Tageslicht. Gleichzeitig werden Stimmen zur Einschränkung oder gar Abschaffung von Maßnahmen zur effektiveren Verfolgung und Aufdeckung strafbarer Handlungen laut. So werden etwa „Kronzeugenregelung“ oder „Whistleblower Hotline“, welche in entwickelten Rechtsstaaten eine Selbstverständlichkeit darstellen, zunehmend angefeindet.
Gerade die jüngsten Entwicklungen um in der Vergangenheit dem Anschein nach strafrechtlich relevant agierenden Persönlichkeiten, von welchen so manche nunmehr aufgrund unterschiedlicher Umstände „ihre Karten auf den Tisch legen“ wollen, befeuern diesen Trend.
Eine der staatlichen Einrichtungen, welcher in der Justiz die vom Gesetzgeber vorgesehene Rolle eines unerschrockenen Verfolgers krimineller Sachverhalte unabhängig von Person und Partei zukommt, ist die WKStA. Dass sie sich unter anderem auch mit einer Reihe von Aktivitäten um eine politische Bewegung mit Regierungsbeteiligung auseinander zu setzen hat, ist für interessierte Beobachter ebenso wenig erstaunlich wie Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes, sich mit bemerkenswerten „Aktivitäten“ dieser Bewegung während der Coronazeit zu befassen, etwa den Aktivitäten um die „COFAG“.
All das war bis dato vor allem Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Das hat sich nun geändert: Zum Erstaunen vieler ist die neue Führung der österreichischen Rechtsanwaltschaft, der Präsident des Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), mit massiver, aber nicht erkennbar begründeten Kritik an der Verfolgerin von Korruption und Wirtschaftsdelikten aufgefallen.
Unter anderem in einem Kurier-Interview vom 26.9.2022 („Reform der WKStA ist dringend nötig“) übt der neue Präsident Dr. Armenak Utudjian anlässlich seines Amtsantritts harsche Kritik an der WKStA. Diese habe sich eine „Sonderstellung“ im Vergleich zu anderen Staatsanwaltschaften „herausgenommen“, sich verselbstständigt und von Systemen, die andere Staatsanwaltschaften einhalten, entfernt. Weiters habe er den offenbar persönlichen Eindruck, dass Aktenleaks in den allermeisten Fällen nicht aus der Anwaltschaft, sondern „unserer Auffassung nach aus dem Behördenbereich kommen“ In einem weiteren Interview mit der Wiener Zeitung vom 27.9.2022 („Aktenleaks müssen abgestellt werden“) äußert er den Verdacht, dass Aktenteile aus der Justiz an die Medien gespielt werden.
Dass der neue Präsident des ÖRAK als Stimme der Anwaltschaft mit einem in den Raum gestellten Verdacht gegen unbekannte Täter aus dem Bereich der WKStA oder der mit dieser zusammenarbeitenden Polizeidienststellen in die Öffentlichkeit tritt ist bemerkenswert. Dies umso mehr, als dort tätigen Personen das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt bzw. die Verletzung des Amtsgeheimnisses vorgeworfen wird.
Zweifellos ist es im Sinne der Justiz, derartige Verdachtslagen klarzustellen und Ergebnissen von diesbezüglichen Untersuchungen den Weg in die Öffentlichkeit zu ebnen. Damit kann sichergestellt werden, dass nicht nur „Annahmen“ oder „Verdachtslagen“ über wesentliche staatliche Einrichtungen gerüchteweise die Öffentlichkeit durchfluten sondern abgesehen vom persönlichen Interesse tatverdächtiger Kreise für am Rechtsstaat Interessierte erkennbar wird, wie im Bereichen der Wirtschaft für gesetzmäßiges Verhalten gesorgt wird. Naturgemäß erhöht eine derartige Erhebung auch die Chance zu klären, aus welchen in Fachkreisen nicht immer unbekannten Umgebungen Informationen tatsächlich in die Öffentlichkeit gelangen. Dass diese Veröffentlichungen zumeist massiv justiziellen Interessen entgegenstehen, mag ein Hinweis auf die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Anwürfe gegen staatsanwaltschaftliche Behörden und Polizei darstellen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende:
Anfrage
1. Wie viele Aktenleaks, die nachweislich Tätern innerhalb der WKStA oder der Polizei zuordenbar sind, sind Ihnen bekannt?
2. Wurden Anzeigen im Zusammenhang mit angeblichen Leaks durch die WKStA erstattet und geprüft? Wenn ja, wie viele und was ergab die Prüfung?
3. Wurden bei Verdachtsfällen rechtswidriger Veröffentlichungen aus Akten der WKStA Ermittlungsverfahren wegen der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt bzw. der Verletzung des Amtsgeheimnisses eingeleitet?
a. Wenn ja, konnten Leaks aus dem Behördenbereich belegt werden?
b. Konnten konkrete Täter der WKStA oder der Polizei festgestellt werden?
c. Mit welchen Ergebnissen sind die Verfahren beendet worden?
(Aufschlüsselung der WKStA Gesamt/WKStA Ibiza Verfahren)
4. Wie viele „Leaks“ aus Akten der WKStA konnten Verteidigern oder ihren Mandanten zugeordnet werden?
a. Bezogen auf alle Verfahren der WKStA.
b. Bezogen auf die meist in diesbezüglicher Kritik stehenden Verfahren des IBIZA-Komplexes.
5. Sollten Veröffentlichungen Verteidigern/Beschuldigten zuordenbar sein: Entsprach die Veröffentlichung der Bestimmung des § 54 StPO? Wenn nein, wurde diesbezüglich Anzeige an die Rechtsanwaltskammer erstattet? Sollte dies bisher unterblieben sein, gedenken Sie das nachzuholen?
6. Wurden mit der Behauptung von rechtswidrigen Veröffentlichungen in Verfahren der WKStA und insbesondere der Verfahren des IBIZA-Komplexes Einsprüche wegen Rechtsverletzung oder Beschwerden erhoben? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
7. Haben Sie mit Präsident Dr. Utudjian Kontakt aufgenommen und ihn um Darlegung seiner Informationsgrundlage für die von ihm aufgestellten Behauptungen ersucht?
a. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?
b. Wenn nein, beabsichtigen Sie dies zu tun?
8. Wenn Präsident Dr. Utudjian seine Behauptungen nicht mit konkreten Sachverhaltsgrundlagen untermauern kann, könnte dadurch das Vergehen der üblen Nachrede zum Nachteil der Justizbehörden oder der WKStA erfüllt sein?
a. Wenn ja, haben Sie diesbezüglich eine Verfahrenseinleitung veranlasst?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
9. Haben Sie oder Mitarbeiter Ihres Ressorts Maßnahmen ergriffen, die eine Zuordnung konkreter Aktenteile zu konkreten Personen ermöglichen würde?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
10. Sofern sich die Behauptungen als substanzlos erweisen, wie gedenken Sie die Behörde der WKStA vor derartigen Unterstellungen zu schützen?