Eingelangt am 18.11.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Folgeanfrage: Fake News und
Asyl
Am 2. Mai 2022 gab das
Bundesministerium für Inneres bekannt, eine "Aktion scharf"
gegen "Asyl-Missbrauch" zu starten. "Unser Ziel ist jenen zu
helfen, die Hilfe benötigen, aber auch klare Grenzen zu jenen zu ziehen,
die die Situation ausnutzen", so Innenminister Gerhard Karner. Die
„steigenden Asylzahlen“ sowie der vermeintliche
„Asyl-Missbrauch“ dienen dem Innenministerium als Legitimierung
für die sogenannte „Aktion scharf“. Jedoch ist sowohl die
Darstellung der Zahlen als auch die Argumentation des Innenministeriums aus
mehreren Gründen zutiefst irreführend. Die Art wie Daten zu Asyl vom
Innenministerium präsentiert werden, müssen sowohl kritisch betrachten
als auch kontextualisiert werden.
- Durch die Wortwahl des
„Asyl-Missbrauchs“ lässt das Bundesministerium für
Inneres glauben, es bestünde in vielen Fällen kein
Schutzgrund. Die zwei Antragsstärksten Nationen sind nach wie
vor Syrien und Afghanistan - Antragsteller_innen aus diesen Ländern
haben eine fast hundertprozentige Chance, einen Schutztitel zu bekommen.
Es finden außerdem keine Abschiebungen in diese
Länder statt: Abschiebungen nach Afghanistan sind seit August 2021
rechtlich und faktisch unmöglich, und nach Syrien sowieso schon seit
Jahren.
- Trotz Anstieg der
Asylantragszahlen im Vergleich zum Vorjahr sind (wenn man Schutzsuchende
iSd Vertriebenen-VO
subtrahiert), ungefähr gleich viele Personen in
der Grundversorgung. Eine steigende Anzahl an Anträgen stellt demnach
nicht kausal einen Mehraufwand für Österreich dar. Viele
Verfahren werden nämlich aufgrund von Weiterreisen eingestellt.
Die Anzahl an Personen, die nach Asylantragstellung in ein anderes Land
weiterziehen liegt übrigens bei rund 30% und ist somit
ebenfalls angestiegen.
- Das BMI verweist im
Zusammenhang mit Asyl regelmäßig auf die
Außerlandesbringungen - doch auch diesbezügliche Informationen
sind aus ihrem Zusammenhang gerissen: Im Jahr 2022 fanden 75%
der Abschiebungen in EU oder EFTA-Staaten statt,
13% in die Balkanstaaten und nur 12% in andere Drittstaaten. Doch Asylanträge von EU-Brüger_innen stellen nicht einmal 1%
der Asylanträge in Österreich dar. Sie, Herr Innenminister,
meinten, man möchte entschlossen gegen rechtswidrige Aufenthalte
vorgehen. Doch rechtswidrige Aufenthalte werden durch Abschiebungen
beendet und obwohl Abschiebungen oft mit abgelehnten Asylwerber_innen
assoziiert werden, ist der statistische Zusammenhang weiterhin
schwach.
- Das BMI spricht seit
Herbst 2022 von einer "Rekordzahl an Ablehnungen": Doch aus
der Beantwortung zur NEOS-Anfrage 11921/J ergab sich, eine hohe Fehlerquote des BFA von rund 57% im Geschäftsjahr
2022 (bis Ende Juni). Die Qualität der erstinstanzlichen
Asylverfahren lässt zu wünschen, die „Rekordzahl an
abgelehnten Asylanträgen bezieht sich auf eine Behörde, die mehr
als jedes zweite Mal falsch entscheidet.
- Sie, Herr Innenminister,
sprachen sich für eine "weiterhin konsequente Linie" in der
Asylpolitik aus. Dies sei Ihrer Auffassung nach auch notwendig, damit aus
der Ukraine Geflüchtete Hilfe und Schutz in Österreich bekommen
können. Auch diese Argumentation ist inkorrekt. Kein einziger
Mensch aus der Ukraine bekommt mehr Schutz, wenn ein anderer Antrag
abgewiesen wird. Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe der
Genfer Flüchtlingskonvention, des europäischen Rechts und des
AsylG gewährleistet. Schutz muss gewährt werden, wenn die
Voraussetzungen für eine Schutzgewährung gegeben sind –
die Anzahl an Anträgen spielt hier keine Rolle.
Im Rahmen der "Aktion
scharf" finden seit Mai 2022 zahlreiche Schwerpunktaktionen statt. Den
Mehrwert solcher Aktionen kann das Bundesministerium für Inneres nicht
quantifizieren - obwohl letztere zwischen Mai bis Juli 2022 1,5 Mio Euro
gekosten haben. Es stellte sich in der Beantwortung zur NEOS-Anfrage 11823/J
beispielsweise heraus, dass keine Daten dazu erhoben werden, wie viele der im
Rahmen der Schwerpunktaktionen angezeigten Verwaltungsübertretungen sich
tatsächlich auf Delikte des FPG stützen. Wieso die sogenannte
"Aktion Scharf" überhaupt notwendig ist, rechtfertigt das
Innenministeriums durch „ressortinterne Analysen und externe Hinweise".
Der konkrete Inhalt dieser Analysen und Hinweise wird jedoch nicht
wiedergegeben. Die Dauer der Aktion scharf will das BMI aus
„kriminalstatistischen Gründen“ nicht nennen. Etliche Fragen
werden seitens des Bundesministeriums für Inneres zur Gänze ignoriert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wieso wurde seitens
Ihres Ressorts die Entscheidung getroffen, bei der medialen Darstellung
der Anzahl an Asylanträgen zwischen originären Anträgen,
Anträgen von nachgeborenen Kindern und Familienzusammenführung
von einer Unterscheidung abzusehen?
- Wieso wurde seitens
Ihres Ressorts die Entscheidung getroffen, bei der medialen Darstellung
der Anzahl an Asylanträgen die „sonstigen
Entscheidungen“, d.h. insbesondere eingestellte Verfahren
einzuberechnen?
- Wieso wurde seitens
Ihres Ressorts die Entscheidung getroffen, „sonstige
Entscheidungen“, d.h. insb. Verfahrenseinstellungen, in die
Berechnung der Schutzquote miteinzubeziehen?
- Wieso und basierend
auf welcher Datenlage hat Ihr Ressort die Entscheidung getroffen, einen
kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Asylanträgen und
vermeintlichem „Asyl-Missbrauch“ zu ziehen?
- Wieso und basierend
auf welcher Datenlage hat Ihr Ressort die Entscheidung getroffen, einen
kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Asylanträgen und einer
"Belastung" des "Systems" zu ziehen?
- Ist Ihnen, Herr
Bundesminister für Inneres, bewusst, dass die Anzahl an Personen
in der Grundversorgung (exkl. Schutzsuchende iSd Vertriebenen-VO)
über die letzten Jahre ungefähr gleich geblieben ist?
i. Wenn ja, aufgrund welcher Daten- und Sachlage geht
das Bundesministerium für Inneres von einer zusätzlichen
„Belastung“ aus?
- Welche Maßnahmen
hat Ihr Ministerium wann ergriffen um der hohen Anzahl an
Verfahrenseinstellungen zu begegnen?
- Ist eine Evaluierung
vorgesehen?
i. Wenn ja, wann und von wem soll sie
durchgeführt werden?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es dazu einen
Austausch auf EU-Ebene bzw. sind auf EU-Ebene Maßnahmen geplant?
i. Wenn ja, wann und welche?
- Wieso wurde seitens
Ihres Ressorts die Entscheidung getroffen, in der Asylstatistik die
Schutzgewährungen den rechtskräftig negativen Entscheidungen
gegenüberzustellen?
- Ist Ihnen bewusst, Herr
Innenminister, dass in einem Asylverfahren oft
mehrere Entscheidungen getroffen werden und es für eine Person
ggf. mehrere Entscheidungen geben kann?
- Ist Ihnen bewusst, Herr
Innenminister, dass aus dieser Darstellung weder akkurat ableitbar
ist, wie viele Menschen betroffen sind, noch, wie viele in
Österreich bleiben dürfen oder nicht?
- Wird diese Information
von Mitarbeiter_innen Ihres Ressorts an Medien weitergegeben?
- Aufgrund welcher
Sachlage gingen Sie, Herr Innenminister, davon aus, dass der Krieg in der
Ukraine zu einer Abnahme der Zahl der Flüchtlingen aus anderen
Regionen führen werde?
- Ist Ihnen bewusst, Herr
Innenminister, dass ein Schutzstatus nach Maßgabe der GFK und
des AsylG gewährt wird und nicht nach Quoten oder Nationalität?
- Zu den Fragen 1-8 (exkl.
6.b.): Aus welchen Gründen war es Ihnen bzw. Ihrem Ressort nicht
möglich, diese Fragen im Rahmen der Beantwortung 11530/AB zu 11823/J
zu beantworten?
- Mit welchen Kosten war
die "Aktion scharf'' seit 2. Mai bis zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung insgesamt verbunden?
- Mit welchen Kosten wird
die "Aktion scharf'' künftig noch verbunden sein bzw. Mittel in
welchem Ausmaß plant Ihr Ministerium für die "Aktion
scharf" noch ein?
- Laut 11530/AB musste
"auf Basis ressortinterner Analysen und externer
Hinweise von einem erhöhten Risiko des illegalen
Grenzübertrittes und erhöhter Schlepperkriminalität
ausgegangen werden". Was ist der konkrete Inhalt dieser
"ressortinternen Analysen"? Bitte um Übermittlung
der Analysen.
- Von wem haben Sie jeweils wann
"externe Hinweise" bekommen?
i. Was war der konkrete Inhalt dieser Hinweise?
ii. Wie konnten Sie bzw. Ihr Ressort die Standhaftigkeit dieser externen
Hinweise überprüfen?
- In
der Beantwortung 11530/AB vertritt das Innenministerium die
Ansicht, dass eine "Abänderung oder Aufhebung einer Entscheidung
des BFA durch das BVwG für sich keine Qualitätsaussage zulässt“.
Woran beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Qualität der Arbeit des
BFA, wenn nicht an dessen Fehlerquote?
- Durch
die Beantwortung zur NEOS-Anfrage 11921/J stellte sich heraus,
dass die Fehlerquote des BFA im ersten Halbjahr 2022 rund 57% betrug. Sehen
Sie bzw. Ihr Ressort Handlungsbedarf zur Qualitätssicherung
im erstinstanzlichen Asylverfahren?
- Wenn ja, welche
Maßnahmen werden Sie wann setzen?
- Wenn nein, warum
nicht?