13129/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.11.2022
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Anfrage

der Abgeordneten MMag. Katharina Werner Bakk.,Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Zunahme der Tierversuche in Österreich

 

Die Zahl der in Österreich in Tierversuchen verwendeten Tiere ist im vergangen Jahr wieder gestiegen: 2021 wurden 218.244 Tiere für diesen Zweck eingesetzt, das sind um 5,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor (206.469). 2019 waren es noch 246.315 Tiere. Das geht aus der Tierversuchsstatistik 2021 hervor, die gerade veröffentlicht wurde. Die Tierversuche werden in der Statistik in vier Schweregrade eingeteilt. Die Kategorien sind:

Als Schweregrad eins ("keine Wiederherstellung der Lebensfunktion") werden Versuche eingestuft, die gänzlich unter Vollnarkose durchgeführt werden, aus der das Tier nicht mehr erwacht. Im vergangenen Jahr verendeten so  5.408 Tiere, während es 2020 4.825 waren, was einem Zuwachs von 583 Tieren entspricht, die durch Tierversuche ihr Leben lassen mussten. Darunter 4406 Mäuse, 594 Ratten, 53 Meerschweinchen, 116 Kaninchen, 235 Schweine und 4 Schafe. 

Zum Schweregrad vier zählen laut Gesetz Versuche mit "starken Schmerzen, schweren Leiden oder Ängsten oder lang anhaltenden mittelstarken Schmerzen, Leiden oder Ängsten", wie sie etwa bei Verpflanzungen artfremder Gewebe (Xenotransplantationen) oder bei vollständiger Isolierung geselliger Tiere über einen längeren Zeitraum auftreten. 2021 fielen 21.968 Tiere, 2020: 22.137 in diese Kategorie. Nach Verwendungszweck werden die meisten Tiere für angewandte Forschung im Bereich "Infektionskrankheiten des Menschen" (28.687) eingesetzt, gefolgt von Grundlagenforschung im Bereich "Multisystemisch" (25.104) und angewandter Forschung im Bereich "Krebserkrankungen des Menschen" (23.925). Die laut Bericht am häufigsten eingesetzten Tiere sind Mäuse (165.884).

Alternativen zu Tierversuchen wie Simulationsmodelle, bildgebende Verfahren, Zellkulturverfahren helfen heutzutage Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken. Die Zahl der Tierversuche sollte durch den Einsatz verschiedener Alternativmethoden sinken. An der Danube Private University (DPU) Krems ist die erste Professur Österreichs für Alternativen zum Tierversuch eingerichtet worden, 2020 hat die Regierung zudem eine Initiative zum Ausbau von Ersatzmethoden von Tierversuchen beschlossen, die u. a. eine mit jährlich 600.000 Euro dotierte Förderung zur Erforschung von Alternativen und den heuer erstmals verliehenen Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch durch das BMBWF vorsieht.

Im April 2022 erhielt Doris Wilflingseder den Staatspreis für Ersatzmethoden zum Tierversuch für ihre Publikation „C5aR inhibition of nonimmune cells suppresses inflammation and maintains epithelial integrity in SARS-CoV-2–infected primary human airway epithelia“. Als Alternative zu Tiermodellen verwendet die Preisträgerin für ihre Forschungsarbeit menschliche dreidimensionale Gewebemodelle zur Aufklärung von überschießenden Entzündungsvorgängen insbesondere nach einer SARS-CoV-2 Infektion. Peter Ertl erhielt den Staatspreis für Ersatzmethoden zum Tierversuch für seine Publikation „A Microfluidic Multisize Spheroid Arr ay for Multiparametric Screening of Anticancer Drugs and Blood–Brain Barrier Transport Properties“. Als Alternative zu Tierversuchen entwickelt Peter Ertl Minigewebe auf Biochip Systemen („Organ on a chip System“), um dadurch beispielsweise die Aufnahme und Wirkung von Medikamenten in Zellen untersuchen zu können. 

Auch an der Medizinfakultät der Universität Linz wurde kürzlich eine Tenure-Track-Stelle für „Ersatzmethoden Tierversuche“ ausgeschrieben. Laut Medienberichten ist in Oberösterreich ein Tierethikrat in Planung. Der Tierethikrat soll an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität (JKU) nach schwedischem Vorbild zusammengestellt werden. Die Funktion soll ähnlich zu einem Geschworenengericht im Strafrecht sein. Wird der Tierversuch in drei entscheidenden Fragen abgelehnt, kann er nicht mehr eingereicht werden, andernfalls gibt es einen zweiten Versuch für eine Überarbeitung. Wird er zugelassen, geht der Antrag weiter ins Wissenschaftsministerium, das nach weniger strengen Kriterien entscheidet, so der Plan laut Berichten.

Insgesamt scheint der Weg also weg von Tierversuchen hin zu Alternativmethoden zu gehen. Völlig unverständlich daher, dass in Österreich 2021 5,7 Prozent mehr Tierversuche durchgeführt wurden und sogar 583 Tiere mehr in Folge sterben mussten. 


 

Quellen:

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welchen Grund gibt es für den Anstieg der Zahl der Tierversuche im Jahr 2021?
  2. Hat das BMGSPK Kenntnis von der steigenden Zahl der Tierversuche in Österreich?
    1. Wenn ja: Seit wann?
    2. Wenn nein: Warum nicht?
  1. In welchen Forschungseinrichtungen und Institutionen wurden wieviele Tierversuche 2020 und 2021 in Österreich durchgeführt? Bitte um Auflistung nach Bundesländern.
  2. Gab es 2020 und 2021 in Österreich Tierversuche, die in internationaler Kooperation stattfanden?
    1. Wenn ja: Wieviele Tierversuche fanden in internationaler Kooperation statt? (Bitte um Auflistung der beteiligten Staaten/Institutionen/Forschungseinrichtungen)
  1. Wie erklärt das Ministerium, dass die Tierversuche trotz wachsender Alternativmethoden zugenommen haben?
  2. Sind seitens des Ministeriums Maßnahmen geplant, um die Zahl der Tierversuche in Österreich zu reduzieren?
    1. Wenn ja: Welche sind das konkret und ab wann darf man mit einer Umsetzung rechnen?
    2. Wenn nein; Warum nicht?
  1. Gibt es seitens des Ministeriums Bestrebungen, Tierversuche durch die Förderung alternativer Methoden wie Zellkulturverfahren, Simulationsmodelle etc. zu ersetzen?
  2. Werden derzeit bereits alternative Methoden zu Tierversuchen in Österreich angewandt?
    1. Wenn ja: Wie häufig, welche und in welchen Forschungseinrichtungen?
    2. Wenn nein: Warum nicht?
  1. Wann wird der Tierethikrat an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität seine Arbeit aufnehmen?
  2. Wie wird der Tierethikrat an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität konkret zusammengesetzt sein?
  3. Unter welchen Kriterien wird der Tierethikrat konkret entscheiden und wie wird das genaue Prozedere ablaufen?
  4. Wie wird der Tierethikrat finanziert werden?
  5. Ist die Installation eines Tierethikrats zur Genehmigung von Tierversuchen auch in anderen Bundesländern angedacht?
    1. Wenn ja: In welchen Bundesländern wird es einen Tierethikrat geben und ab wann?
    2. Wenn nein: Warum nicht?
  1. Das BMBWF fördert Forschungsprojekte, die sich Ersatzmethoden zu Tierversuchen widmen. Inwieweit werden Lösungsansätze mit dem BMSGPK besprochen und umgesetzt?
  2. Welche Forschungsprojekte, die Ersatzmethoden zu Tierversuchen erforschen, werden derzeit in welcher Höhe gefördert?