13175/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.12.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Beweissicherung von Kriegsverbrechen und anderer Völkerrechtsverbrechen

 

Um die Aufklärung der in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen und anderen Völkerrechtsverbrechen voranzutreiben, stellt das Außenministerium dem Büro des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) 100.000 Euro zur Verfügung. Das Justizministerium entsendet zudem eine zusätzliche Expertin oder einen Experten zum IStGH, um Kriegsverbrechen noch wirksamer verfolgen zu können.

Essentiell ist jedoch die Beweissicherung von Völkerrechtsverbrechen für die Aufarbeitung durch den IStGH in jedem einzelnen Land. Darüber verständigte man sich auch Anfang März im Rahmen eines Treffens des Rats der Justiz- und Innenminister/innen in Brüssel. In Deutschland hat der Generalbundesanwalt in Karlsruhe wegen möglicher russischer Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine Ermittlungen aufgenommen. Demnach verfügen in Deutschland Behörden über Informationen, dass solche Verbrechen bereits begangen wurden oder in Zukunft begangen werden könnten. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann ist ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dabei handelt es sich nicht um Ermittlungen gegen eine konkrete Person, sondern um ein Verfahren zur Sicherung von Beweisen. Diese könnten in Zukunft für strafrechtliche Verfahren gegen Einzelne genutzt werden (Kriegsverbrechen in der Ukraine: Generalbundesanwalt ermittelt wegen möglicher Kriegsverbrechen | ZEIT ONLINE). 

In Österreich informieren Justiz- und Innenministerium schutzsuchende Personen aus der Ukraine seit 28.4.2022 mit einer SMS über Ermittlungen zu Kriegsverbrechen (SMS-Infos zu Kriegsverbrechen für Vertriebene in Österreich - news.ORF.at) und es soll seitens des Justizministeriums eine Kontaktstelle zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine eingerichtet worden sein. Diese soll der Verbesserung der Zusammenarbeit mit der ukrainischen Justiz beitragen und könne Ersuchen etwa bei Beweiserhebungen und Fahndungen der ukrainischen Justizbehörden entgegennehmen und betreiben (Zadić zu Ukraine: „Müssen alles tun, um mögliche Kriegsverbrecher zu verfolgen“ - BMJ, 7.3.2022). 

Am 15.4.2022 teilte das Justizministerium der APA mit, dass es einen Erlass an die Staatsanwaltschaften ausarbeiten werde, durch den die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit bei Kriegsverbrechen präzisiert werden sollen (Österreich könnte bald Ukraine-Kriegsverbrechen verfolgen - SN.at). Per Erlass vom 5. Juli 2022 an die Staatsanwaltschaften, präzisiert das Justizministerium die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit bei Kriegsverbrechen und anderen Straftaten nach dem 25. Abschnitt.  Abseits dessen bleibt unklar, welche Einrichtung mit welchen Ressourcen Realität wurde, um in Österreich wichtige Beweise zeitnah zu sichern und inwieweit dies auch ohne ein Ersuchen von einer internationalen oder ausländischen Strafermittlungsbehörde realisiert werden soll. 

Deutschland richtete hierfür mittlerweile die "Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen" (ZBKV) im Bundeskriminalamt ein, die im Auftrag des Generalbundesanwaltes bei Straftaten gegen das Völkerstrafrecht ermittelt. Sie ist als die deutsche kriminalpolizeiliche "War Crimes Unit" in die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz integriert. Auf nationaler Ebene steht die ZBKV in engem Informationsaustausch u.a. mit dem Generalbundesanwalt, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Bundesamt für Justiz , dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie den ZBKV-Ansprechstellen der Landeskriminalämter und der Bundespolizei. International findet eine enge Kooperation vor allem mit den für die Verfolgung von Völkerstraftaten zuständigen "War Crimes Units" ausländischer Polizeibehörden statt.

Um etwas Vergleichbares auch in Österreich zu ermöglichen, forderten NEOS bereits im Innenausschuss den BMI auf eine vergleichbare Stelle gemeinsam mit dem BMJ zu errichten (2519/A(E) (XXVII. GP) - Beweissicherung Kriegsverbrechen und andere Straftaten nach dem Völkerrecht | Parlament Österreich) Ein gleichlautender Antrag befindet sich auch als Verhandlungsgegenstand im Justizausschuss (2517/A(E) (XXVII. GP) - Beweissicherung Kriegsverbrechen und andere Straftaten nach dem Völkerrecht | Parlament Österreich). 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Seit wann wurden schutzsuchende Personen per SMS über Ermittlungen zu Kriegsverbrechen informiert?
    1. Was ist der Inhalt der SMS?

                                          i.    Wird eine konkrete Stelle mit Kontaktinformationen genannt?

                                        ii.    Wird psychologische Hilfe angeboten (auch ohne Teilnahme an einem Strafverfahren)?

  1. Wird das Angebot aktiv genutzt?
    1. Wenn ja, wie oft bisher? Bitte um Aufschlüsselung nach Monat. 
  1. Welche Maßnahmen wurden von Ihrem Ressort - abgesehen von der Zusendung von SMS an schutzsuchende Personen - gesetzt, um diese ausreichend über die Möglichkeit der Meldung von Kriegsverbrechen zu informieren?
    1. Welche Ressourcen wurden hierzu wann zur Verfügung gestellt?
  1. Welche Stelle mit welchen Kompetenzen wurde bei der DSN eingerichtet bzw. ist sachlich zuständig?
    1. Welche Ressourcen wurden hierzu wann zur Verfügung gestellt?
    2. Wie ist die Koordination zwischen BMI und BMJ gewährleistet?
  1. Wann wurde welche Einrichtung in Ihrem Ressort geschaffen, um inwiefern zu gewährleisten, dass Beweise von Kriegsverbrechen in der Ukraine so schnell wie möglich gesichert werden?
  2. Wurden bereits Schritte unternommen, um neben digitalem Beweismaterial auch Zeugenaussagen zu protokollieren und entsprechend zu sichern, damit diese in einem internationalen Strafverfahren verwertet werden können?
  3. Steht das BMI mit dem BMJ zu diesem Thema im Austausch?
    1. Wenn ja, seit wann bzw. wann in der Folge sowie jeweils zu welchem Thema genau?
    2. Wenn ja, welche Treffen haben wann zu welchem Thema zwischen den zwei Ressorts jeweils stattgefunden?
    3. Wenn nein, weshalb nicht?
  1. Welche Schritte wird Ihr Ressort weiters wann setzen, um die Beweissicherung sicherzustellen?
  2. Welche Kooperationsschritte mit Europol wurden darüber hinaus hinsichtlich der Beweissicherung jeweils wann gesetzt?
  3. Wurden bereits Ersuchen der ukrainischen Strafverfolgungsbehörden entgegengenommen und weiter betrieben?
    1. Wenn ja, wann jeweils mit welchem Inhalt und welcher wann erfolgten Reaktion?