13177/J XXVII. GP
Eingelangt am 01.12.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.in Elisabeth Götze, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.
betreffend „Steuerbefreiungen und Aufsichtsrat der Flughafen Wien AG“
Begründung
Am Flughafen Wien hat, beginnend im Jahr 2014, ein Trust auf den Cayman Islands, der IFM Global Infrastructure Fund, über zwei luxemburger Zwischenholdings, die Airports Group Europe S.à r.l und die Global InfraCo S.à r.l, in Summe über 40% des Kapitals der Flughafen Wien AG erworben. Der karibische Trust will weiter aufstocken.
Die bisherigen Entwicklungen zur Beteiligungsstruktur stellen sich wie folgt dar:
Im Jahr 2014 erwarb die Airports Group Europe S.à r.l 29,9% des Aktienkapitals der Flughafen Wien AG (Bescheid GZ BMWFW-23.900/0016-C2/9/20), im Jahr 2016, zusätzliche rund 10% (GZ BMWFW-23.900/0003-C2/9/2016). Aktuell verfolgt sie den weiteren Aktienerwerb bis zu einer Beteiligung von knapp 50%.
Die Airports Group Europe S.à r.l ist eine reine Briefkastenfirma in Luxemburg ohne Mitarbeiter, die nur die Beteiligung am Flughafen hält. Ihre Anteile werden zu 100% von der luxemburger Global InfraCo S.à r.l gehalten, die auch Beteiligungen an anderen Investitionsprojekten hält.[1] Laut VwGH vom 27.03.2019 (Ro 2018/13/0004) beschäftigte die Global InfraCo S.à r.l im Jahr 2014 einen (1) Mitarbeiter in Teilzeit. (Die Entscheidung des VwGH vom 27.03.2019 (Ro 2018/13/0004) ist Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage an Finanzminister Dr. Magnus Brunner, LL.M.)
Die Global InfraCo S.à r.l wiederum gehört dem IFM Global Infrastructure Fund auf den Cayman Islands.
Der IFM Global Infrastructure Fund ist ein Trust und hat somit keine Rechtspersönlichkeit. Der „Fund“ ist kein Investmentfonds im rechtlichen Sinne, sondern lediglich gepooltes Geld. Die auf off-shore Jurisdiktionen spezialisierte Anwalts- und Treuhandkanzlei Conyers Dill & Pearman handelt als Treuhänder für den Geldpool. Der Trust hat keinen Manager, sondern nur einen Berater. Dies ist die australische Firma IFM Investors Pty Limited, die den karibischen Investor in Österreich vermarktet und dabei den Eindruck entstehen lässt, es handle sich um Investitionen eines oder mehrerer australischer Pensionsfonds. Die Geldgeber des Trusts sind unbekannt und können nicht überprüft werden.[2]
Zur Visualisierung findet sich eine Skizze der Beteiligungsstruktur in Beilage ./1. Ein Auszug aus dem luxemburger Gesellschaftsregister der Airports Group Europe S.à r.l ist in Beilage ./2 und einer der Global InfraCo S.à r.l in Beilage ./3 enthalten (jeweils in beglaubigter Übersetzung).
Im Registerauszug der Luxemburger Global InfraCo (Beilage ./3) heißt es im Abschnitt Gesellschafter:
„IFM Global Infrastructure Fund, vertreten durch Conyers Trust Company (Cayman) Limited”
Eine Suchanfrage in dem von der Regierung der Cayman Islands geführten Register hat kaum Erhellendes hervorgebracht. Im Gegenteil:
Der als Beilage ./4 vorgelegte „Suchbericht“ zum IFM Global Infrastructure Fund enthält kaum Informationen und schließt mit folgendem Hinweis in Großbuchstaben:
“- INFORMATION REGARDING THE CORPORATE RECORDS AND REGISTERS ARE NOT AVAILABLE FOR PUBLIC INSPECTION
- THIS REPORT DOES NOT CONFIRM THE ENTITY IS IN GOOD STANDING”
[Informationen zu den Unternehmensunterlagen und Registern stehen nicht zur öffentlichen Einsichtnahme zur Verfügung. Dieser Bericht stellt keinen Existenznachweis des Rechtsträgers dar.]
In der Öffentlichkeit wurde kommuniziert, es handle sich um einen australischen Pensionsfonds. Diese Bezeichnung fand auch Eingang in den Geschäftsbericht 2014 der Flughafen Wien AG[3]. Eine unmittelbare Verbindung zu einem australischen Pensionsfonds ist derzeit allerdings nicht augenscheinlich. Lediglich die Beraterfirma IFM Investors Pty Limited weißt eine Verbindung zu Australien auf.
1) Rechtsrahmen für die KESt-Befreiung des karibischen Investors, VwGH vom 27.03.2019 (Ro 2018/13/0004)
Mit der Entscheidung Ro 2018/13/0004 vom 27.03.2019 stellte sich der Verwaltungsgerichtshof gegen die Unterinstanzen und befreite die Gewinnausschüttungen der Flughafen Wien AG an die Airports Group Europe S.à r.l von der Kapitalertragssteuer (derzeit 27,5 %). Der VwGH sah die Voraussetzungen für die Anwendung der Privilegien der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie als erfüllt an. Er begründete dies damit, dass die der Airports Group Europe S.à r.l übergeordnete Global InfraCo S.à r.l im relevanten Jahr 2015 drei (3) Mitarbeiter hatte und sah in „den unwiderlegten, detaillierten Angaben über die Aufgabenbereiche der drei Mitarbeiter“ ein überzeugendes Argument für eine geschäftsleitende Tätigkeit jener luxemburger Holding. Die Airports Group Europe S.à r.l selbst hat überhaupt keine Mitarbeiter.
Im Lichte der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer und deren Erstattung bei Mutter- und Tochtergesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie[4] verwundert die Entscheidung, muss die Gesellschaft für die Gewährung des Steuerprivilegs doch eine Betätigung entfalten, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht, was angesichts des Volumens der Beteiligungen der Global InfraCo S.à r.l kaum der Fall gewesen sein kann. Weder im Übernahmeangebot 2014, noch in jenem 2016 gibt es einen Hinweis darauf, dass die Global InfraCo S.à r.l mehr als eine reine Holdinggesellschaft wäre. Vielmehr wird betont, dass die Entscheidungen auf der Ebene des Trust durch den Treuhänder getroffen werden[5].
Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass das zuständige Finanzamt und das Bundesfinanzgericht völlig konträr zum Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten hatten, dass die Zwischenschaltung der beiden luxemburger Holdings lediglich der Steuervermeidung dient, Gewinnausschüttungen wirtschaftlich dem hinter der Muttergesellschaft stehenden, nicht in der EU ansässigen Trust zuzurechnen sind und dem Investor am Flughafen Wien daher keine Steuerprivilegien zu gewähren sind.
Die Airports Group Europe S.à r.l hat von 2015 bis 2019, wie sich aus ihren Jahresabschlüssen ableiten lässt, insgesamt rund 97 Millionen Euro aus Dividenden ihrer einzigen Beteiligung, der Flughafen Wien AG, vereinnahmt. 2020 und 2021 bestand aufgrund der Corona-Beihilfen eine Gewinnausschüttungssperre. Nichtsdestoweniger findet sich im Jahresabschluss der Airports Group Europe S.à r.l für das Geschäftsjahr 2021 ein Beteiligungsertrag unter dem Titel „other income from participating interests“ von 20,2 Millionen Euro. Wie dieser zustande kam, geht daraus nicht hervor. Insgesamt verbuchte die Firma in den vergangenen Jahren also rund 117 Millionen Euro steuerfreie Einnahmen - zulasten des österreichischen Steueraufkommens.
Mittlerweile beschäftigt die Global InfraCo S.à r.l gemäß dem jüngsten veröffentlichten Jahresabschluss im Jahr 2021 - inklusive Management - elf Mitarbeiter. Dem stehen eine Bilanzsumme von mehr als elf Milliarden Euro und rund ein Dutzend Beteiligungen gegenüber.[6] Das Missverhältnis ist eklatant.
2) Grundsteuerbefreiung der Flughafen Wien AG
Die Flughafen Wien AG ist für ihren Grund und Boden gemäß § 2 Z 9 lit. b Grundsteuergesetz von der Leistung der Grundsteuer befreit. Diese Befreiung geht auf jene Zeit zurück als der Flughafen noch zur Gänze in der öffentlichen Hand war. Derzeit besteht weder ein Mehrheitseigentum der öffentlichen Hand an der Flughafen Wien AG, noch wird diese durch den Staat tatsächlich beherrscht. Unter den heutigen Bedingungen ist die Grundsteuerbefreieung daher in jedem Fall anachronistisch. Im Hinblick auf die Tatsache, dass mittlerweile mehr als 40% des Aktienkapitals, somit mehr als 40% des Grund und Bodens der Flughafen Wien AG, im wirtschaftlichen Eigentum karibischer Trustinvestoren unbekannter Herkunft stehen, ist sie schlicht inakzeptabel.
3) Bestellung von Mag. PhDr. Susanne Höllinger zur stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der ÖBAG
Die jüngst erfolgte Bestellung von Mag. PhDr. Susanne Höllinger, die bereits Vorsitzende des Aufsichtsrates der Flughafen Wien AG ist, zur stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der ÖBAG führt dazu, dass dieselbe Person, die Dr. Günther Ofner als Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG überwachen soll, diesem in der ÖBAG als seine Stellvertreterin nachgeordnet wird.
Aus Medienberichten ergibt sich, dass Mag. PhDr. Susanne Höllinger die Wunschkandidatin von Dr. Günther Ofner im Aufsichtsrat der ÖBAG ist.[7]
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
Anfrage
1) Sehen Sie aufgrund der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und der daraus folgenden Befreiung von offshore-Trustinvestoren von der KESt, die durch die (überaus großzügige) Interpretation des Substanzerfordernisses für Zwischenholdings gemäß der Mutter-Tochter-Richtlinie herbeigeführt wurde, steuer- und allenfalls auch sozialpolitischen Handlungsbedarf?
2) Wenn 1) nein, worin liegen die Vorteile, die sich für Österreich aus der Beteiligung des karibischen Trusts ergeben, die derartige Steuerprivilegien, zulasten der österreichischen Steuerzahler:innen rechtfertigen?
3) Wenn 1) ja, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um im Sinne der Steuerzahler:innen nur solche Gesellschaften in den Genuss der Steuerprivilegien nach der Mutter-Tochter-Richtlinie kommen zu lassen, die die Substanzkriterien maximal (gemessen an der höchst möglichen Schwelle gemäß EU-Vorgaben) erfüllen?
4) Halten Sie die Aufrechterhaltung der Grundsteuerbefreiung für die Flughafen Wien AG unter den heutigen Bedingungen für gerechtfertigt, und falls ja aus welchen Gründen?
5) Ist die oben beschriebene Konstellation von Aufsichtsrats- und Vorstandsfunktionen der Institution des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft zuträglich
a) im Allgemeinen,
b) im konkreten Fall im Hinblick auf die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands der Flughafen Wien AG?
6) Wie beurteilen Sie die hier entstandene Konstellation insbesondere aufgrund des Umstands, dass im staatlichen und staatsnahen Bereich operiert wird?
7) Was werden Sie unternehmen, damit seitens der Republik als Eigentümer Interessenkonflikte zwischen den bestellten Organen vermieden werden?
[1] Diese Angaben zu den Strukturen gründen sich auf die hier vorgelegten Registerauszüge sowie im luxemburger Firmenregister hinterlegte Jahresabschlüsse; siehe auch Profil vom 21.09.2022 „Blindflug am Airport: Wer steckt hinter dem größten Aktionär des Wiener Flughafens?“
[2] Die Angaben zur Rechtsnatur des IFM Global Infrastructure Fund gründen sich auf die Angaben in den Übernahmeangeboten der Airports Group Europe S.à r.l aus 2014, 2016 und 2022, auf ein Studium der anwendbaren Rechtsakte der Cayman Islands sowie den „Search Report“ Beilage ./4.
[3] FWAG Geschäftsbericht 2014, Vorwort des Vorstandes, S. 10, abrufbar auf der Webseite der FWAG https://www.viennaairport.com/unternehmen/investor_relations/publikationen_und_berichte/geschaeftsberichte; Investor Relations, S. 54.
[4] BGBl. Nr. 56/1995.
[5] Siehe das freiwillige öffentliches Angebot gemäß §§ 4 ff Übernahmegesetz der Airports Group Europe S.à r.l vom 6. November 2014 über 29,9% des Aktienkapitals der Flughafen Wien AG, Seite 11, sowie das freiwillige öffentliche Angebot gemäß §§ 4 ff Übernahmegesetz der Airports Group Europe S.à r.l vom 31. März 2016 über 10% des Aktienkapitals der Flughafen Wien AG, Seite 12.
[6] Siehe auch Profil vom 21.09.2022 „Blindflug am Airport: Wer steckt hinter dem größten Aktionär des Wiener Flughafens?“
[7] https://orf.at/stories/3294245/.