13204/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.12.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Philipp Schrangl

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Kriminalfall „die EIGENTUM“

 

 

Die Causa um die ehemalige Wohnungsgenossenschaft „die EIGENTUM“ entwickelte sich zum Kriminalfall. Am 26.09.2022 kam es auf Anordnung der WKStA zu insgesamt neun Haudurchsuchungen. Unterlagen, Handys, Datenträger und erhebliche Mengen an Bargeld wurden sichergestellt, wie der „Kurier“ im Artikel „Millionenschaden: Festnahme im Skandal um 600 Wohnungen“ berichtet. Im Raum stehen Geldwüsche, schwerer Betrug, betrügerische Krida, illegaler Vermögensabfluss, Steuerhinterziehung und Verstöße gegen das Kartellrecht. Nach Insolvenzanmeldung soll sogar ein Teil der Konkursmasse verschwunden sein. Gegen einen ehemaligen Geschäftsführer des Unternehmens wurde am 29.09.2022 die Untersuchungshaft verhängt. Gegen vier Personen und sieben Verbände laufen Ermittlungen.[1]

 

Die Verdachtslage besteht unter anderem darin, dass es im Zuge des Abschöpfungsverfahrens im Rahmen des Entzuges des Status der Gemeinnützigkeit zu fingierten Liegenschaftsbewertungsgutachten und Preisabsprachen gekommen sei. Eine Konstellation, die frappant an die Ermittlungen rund um die drei ehemals gemeinnützigen Bauvereinigungen „Buntes Wohnen“ bzw. „Pannonia“, „Gesfö“ und „Riedenhof“ rund um den Milliardär Michael Tojner erinnert.[2] Es wird auf die Unschuldsvermutung gegenüber allen Genannten und Beteiligten verwiesen.

 

Eine gesetzeskonforme Vorgangsweise in der Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen wäre geeignet gewesen, diesen Kriminalfall schon in seinen Anfängen zu ersticken – und einen voraussichtlichen Multi-Millionenschaden vom Land Niederösterreich und den Niederösterreichern abzuwenden.

 

Punktation zu den wesentlichen Verfehlungen

 

1.    Die vorläufige Geldleistung gem. § 36 WGG (eigentlich eine Sicherungsleistung) wurde ungesetzlich gestundet – zinsfrei.

 

2.    Ein diesbezüglich erforderlicher Landesregierungsbeschluss erfolgte nicht.

 

3.    Lediglich 6,6 Millionen Euro von ca. 18,5 Millionen aus der vorläufigen Geldleistung wurden beglichen.

 

4.    Die Ratenvereinbarung wurde nicht formal verschriftlicht – lediglich internes Memo des Rechtsbüros (Zuständigkeit LH Mikl-Leitner) erging an die Aufsichtsbehörde (Zuständigkeit LR Dr. Eichtinger).

 

5.    Ratenvereinbarung wurde nicht eingehalten, „die EIGENTUM“ stellte die Zahlungen im Jahr 2019 ein – eine rechtlich mögliche und erforderliche Eintreibung der Gelder erfolgte nicht.

 

6.    Der Regierungskommissär gem. § 30 WGG zur Vermögenssicherung wurde ca. ein Jahr zu spät wirksam eingesetzt, was weitere Vermögensabflüsse ermöglichte.

 

7.    Im Jahr 2021 ging „die EIGENTUM“ in Insolvenz – ohne die vorhandenen Vermögenswerte iSd vorläufigen und endgültigen Geldleistung gem. § 36 WGG beglichen zu haben. Wo sind die Vermögenswerte gelandet?

 

8.    Statt insgesamt ca. 52 Millionen Euro würde „die EIGENTUM“ lediglich ca. ein Drittel dieser Summe abführen. Auch diese Summe wird sich wohl nicht erfüllen, da bekannt wurde, dass Aktiva aus der Insolvenzmasse verschwanden. Im Ergebnis haben Immobilienspekulanten gem. § 10 WGG ungesetzlichen Gewinn aus der Zerstörung einer gemeinnützigen Bauvereinigung gezogen.

 

9.    ÖVP-Wohnbaulandesrat Dr. Eichtinger fertigte diesbezüglich unrichtige Anfragebeantwortungen aus.

 

Immobilienspekulanten – Millionenschaden - Vertuschung

 

Die Causa um die ehemals gemeinnützige Bauvereinigung „die EIGENTUM“ - und insbesondere das jüngste Einschreiten der WKStA - belegt dramatisch wie eindrucksvoll, dass in der niederösterreichischen Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen allzu Vieles im Argen liegt. Die drastischen Fehlentwicklungen in der Causa sind administrativ jedenfalls sowohl im Bereich des Rechtsbüros (Zuständigkeit LH Mag. Mikl-Leitner) wie im Bereich der Aufsichtsbehörde (Zuständigkeit Wohnbaulandesrat Dr. Eichtinger) zu verorten. Die politische Verantwortung wiederum liegt somit unmittelbar in der Führung der ÖVP Niederösterreich.

 

Die Causa besteht aus einem politischen Bermudadreieck aus Immobilienspekulanten, einem Millionenschaden für das Land NÖ und dem Versuch von dessen Vertuschung.

 

1.    Immobilienspekulanten

 

Wie öffentlich zugänglichen gerichtlichen Dokumenten unmittelbar entnommen werden kann, gab es ein gesetzlich nicht vorgesehenes Entgegenkommen und geldwerte Vorteile gegenüber Immobilienspekulanten, die ihr Unternehmen aus der Gemeinnützigkeit herausführten. Der konkrete Sachverhalt wird im Nachfolgenden eingehend dargestellt. Sonderbar mutet an, dass sich die ÖVP Niederösterreich damit in direkten Widerspruch zur parlamentarischen Tätigkeit der Bundes-ÖVP setzt. Diese hatte gemeinsam mit der FPÖ und Zustimmung der NEOS sowie teilweiser Zustimmung auch der SPÖ die WGG-Novelle 2019 umgesetzt, die klar antispekulative Maßnahmen verankerte.[3] Im Juli dieses Jahres wurde die WGG-Novelle 2022 mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ beschlossen, die diesen Weg explizit fortsetzt.[4] Es scheint aufklärungsbedürftig, warum die ÖVP Niederösterreich diesen breiten Grundkonsens – mit erheblichen negativen Konsequenzen für unser Bundesland Niederösterreich, seine Bewohner und die Wohnungsgemeinnützigkeit insgesamt - verlassen hat.

 

2.    Millionenschaden

 

Das irreguläre Entgegenkommen der ÖVP Niederösterreich in der Causa „die EIGENTUM“ führte dazu, dass Immobilienspekulanten aus der Zerstörung einer Wohnbaugenossenschaft millionenschwere Gewinne erzielen konnten. Und Niederösterreichs gesetzliche Ansprüche – die unmittelbar aus dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz resultieren – nur zum marginalen Bruchteil befriedigt werden. Gelder, mit denen Hunderte geförderte Wohnungen für unsere niederösterreichischen Landsleute hätten errichtet werden können.

 

3.    Vertuschung

 

Demokratiepolitisch verschärft wird die Causa durch objektiv nachweisbare faktenwidrige Anfragebeantwortungen von Wohnbaulandesrat Dr. Eichtinger.[5] Hier manifestieren sich offensichtliche Vertuschungsabsichten. Diese beginnen bereits damit, dass man offensichtlich versuchte, die NÖ Landesregierung zu umgehen und brisante Millionendeals nicht verschriftlichte. Details werden im Nachfolgenden dargestellt.

 

Zunächst: Irreguläre Vermögensabflüsse in Wien

 

Beim Unternehmen „die EIGENTUM“ Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m. b. H. mit Sitz in 2334 Vösendorf (Bürocenter Shopping City Süd B1 6 + 7), FN 61371 b handelt es sich um eine ehemals gemeinnützige Bauvereinigung. Bis zur Entziehung des Status der Gemeinnützigkeit lautete die Bezeichnung des Unternehmens „die EIGENTUM“ Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m. b. H. Der Gesellschaftsvertrag datiert ursprünglich auf den 20.10.1955, die Ersteintragung ins Firmenbuch fand am 13.04.1965 statt.  Der Sitz des Unternehmens lag bis ins Jahr 2014 in Wien. Erst durch den Sitzwechsel nach Niederösterreich kam es gem. § 32 WGG – „Örtliche Zuständigkeit“[6] – dazu, dass die NÖ Landesregierung die Rolle der Aufsicht über das gegenständliche Unternehmen auszuführen hatte. Bei der „die EIGENTUM“ handelte es sich damals bereits um ein überaus problematisches Unternehmen. Dies kann unter anderem dem im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts öffentlich zugänglichen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 14.03.2020, AZ LVwG-AV-1388/001-2019 entnommen werden.

 

Demnach wiesen die durch den genossenschaftlichen Revisionsverband erstellten offiziellen Prüfberichte ab dem Jahr 2013 diverse Mängel auf. Hierzu zählten Umgehungen im Sinne der gemeinnützigen Vermögensbindung besonders bedeutender Bestimmungen wie der §§ 10 Abs. 2 WGG, 10a Abs. 1 WGG. Es kam zu nicht genehmigten Veräußerungsvorgängen bebauter Liegenschaften.[7] Diese fanden „unter dem Schätzwert an den Lebensgefährten der damaligen Geschäftsführerin“ statt.[8] Eine Praxis, die in dieser Konstellation wiederholt stattfinden sollte.[9] Hier findet sich in Gestalt des Paketverkaufes gemeinnütziger Wohnungssubstanz bereits eine Parallele zu den burgenländischen Themenkomplexen um Michael Tojner und die (ehemals) gemeinnützigen Bauvereinigungen „Buntes Wohnen“ bzw. „Pannonia“, „Gesfö“ und „Riedenhof“.[10] Auch hier kam es wohl zu Liegenschaftsverkäufen unter dem Verkehrswert,[11] was letztlich zum Abfluss gemeinnützigen Vermögens führt. Es wird auf die geltende Unschuldsvermutung für alle Beteiligten verwiesen.

 

Die Geschäftstätigkeit der „die EIGENTUM“ gestaltete sich bilanziell lediglich aufgrund von Einmaleffekten wie Objektverkäufen positiv, wie der Revisionsverband monierte.[12] Ein deutliches Indiz dafür, dass die Intention der Geschäftstätigkeit im systematischen bzw. strukturellen Abfluss gemeinnützigen Kapitals bestand. Die Wiener Aufsichtsbehörde MA 50 nahm die Mängel zum Anlass, deren Behebung zu fordern und gewährte eine diesbezügliche Fristerstreckung. Für den Fall des ungenutzten Verstreichens kündigte sie die Entziehung des Status der Gemeinnützigkeit gem. § 35 WGG an.[13] Der genossenschaftliche Revisionsverband stellte unterdessen im Prüfungsbericht Nr. 10.726 fest, dass die geschäftliche Zuverlässigkeit der Geschäftsführung gem. § 24 WGG nicht gegeben sei und der tatsächliche Geschäftsbetrieb der gemeinnützigen Bauvereinigung dem WGG entgegenstünde.[14]

 

Sitzverlegung nach Niederösterreich und ungesetzliche Stundung bzw. Ratenzahlung  

 

Zwischenzeitig wurde – augenscheinlich mit dem Beweggrund sich der Aufsicht zu entziehen bzw. durch den Behördenwechsel Zeit zu gewinnen – der Unternehmenssitz nach Niederösterreich verlegt. Die dann zuständige NÖ Aufsichtsbehörde entzog auf Basis der gegebenen Mängel mit Bescheid vom 15.02.2016 den Status der Gemeinnützigkeit. Zudem wurde die vorläufige Geldleistung festgesetzt, die „die EIGENTUM“ bekämpfte. Mit Schreiben vom 30.06.2016 wurde „die EIGENTUM“ aufgefordert, die vorläufige Geldleistung zu begleichen - vergeblich. Zwischenzeitig kam es bereits zum (irregulären) Abverkauf weiterer Liegenschaften.[15] Die vorläufige Geldleistung wurde gerichtlich bekämpft, allerdings wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde als unbegründet ab.[16] Die vorläufige Geldleistung wurde damit am 13.12.2016 rechtskräftig.

 

Im Zuge einer Besprechung am 29.03.2017 soll erstmals die Möglichkeit von Ratenzahlungen erwogen worden sein.[17] Dies hintertreibt allerdings das Telos des Gesetzgebers und ist im WGG nicht vorgesehen, wie das Landesverwaltungsgericht auf Seite 11 seines Erkenntnisses festhält.[18]

 

Hierzu ist Folgendes anzumerken:

 

Die Literatur definiert den Zweck der vorläufigen Geldleistung gem. § 36 WGG folgendermaßen: „Der Zweck der Unterscheidung in eine vorläufige und eine endgültige Geldleistung liegt darin, dass die vorläufige Geldleistung möglichst rasch und zweifelsfrei ermittelbar sein soll, um die erforderliche Vorschreibung zeitgleich mit dem Entziehungsbescheid zu ermöglichen und damit eine provisorische Sicherstellung (für die endgültige Geldleistung) zu erlangen.“[19]

 

Schuchter verweist zudem darauf, dass bei Säumigkeit in der Begleichung der vorläufigen, wie der endgültigen Geldleistung die Landesregierung die Eintreibung unmittelbar durchsetzen kann.[20] Weshalb man sich letztlich auf eine Ratenvereinbarung einließ, erschließt sich folglich nicht. Zudem erscheint befremdlich, dass Verhandlungen mit Vertretern der „die EIGENTUM“ über die Höhe der Geldleistung geführt wurden. Dies deshalb, weil der Ausgang von Verfahren gem. § 36 WGG eindeutig definiert ist – und die Landesregierung bzw. die nachgelagerte(n) Behörde(n) keinen Ermessensspielraum hat bzw. haben:

 

Mit dieser Regelung soll einerseits unterstrichen werden, dass der in Abs 2 konkretisierte Grundsatz gilt, wonach die Eigentümer einer Bauvereinigung im Fall der bescheidmäßigen Entziehung des Gemeinnützigkeitsstatus nicht besser gestellt sein sollen als im Fall ihres Ausscheidens (etwa nach Verkauf ihrer Anteile gem. § 10 Abs 2) oder der Liquidation des Unternehmens gem. § 11 Abs 1. Zu diesem Zweck soll die vorläufige und endgültige Geldleistung auf Grundlage der gleichen Bilanz ermittelt werden, wobei bei der Ermittlung der endgültigen Geldleistung gem. Abs 3 auch die stillen Reserven zu diesem Stichtag zu berücksichtigen sind. Andererseits soll dadurch auch jeder Anreiz vermieden werden, allenfalls sogar bewusst Entziehungsgründe zu setzen und dadurch einen Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus zu provozieren.[21]

 

„Der Standard“ berichtet dazu im Artikel „‘Die Eigentum‘: Insolvenz eines Wohnbauträgers wirft Fragen auf“ vom 10.03.2021: „2016, also schon mit Sitz in Vösendorf, wurde der Gesellschaft schließlich von der neuen Aufsichtsbehörde, dem Land Niederösterreich, die Gemeinnützigkeit aberkannt. Es folgten offenbar langwierige Verhandlungen mit dem Land über die Rückzahlung der bis dahin gewährten (Wiener) Wohnbauförderung.“[22] Auf welcher Grundlage hier – angesichts der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben - Verhandlungen geführt wurden, wird zu klären sein.

 

Am 26.09.2017 wurde durch die NÖ Landesregierung das Rechtsbüro der Landesamtsdirektion eingebunden. Das Rechtsbüro übermittelte der „die EIGENTUM“ ein Schreiben, das auf den 29.09.2017 datiert, mit AZ LAD1-RB-6214/002-2017.[23] Die weiteren Geschehnisse sind dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu entnehmen:

 

Mit Schreiben vom 29. September 2017, LAD1-RB-6214/002-2017, wurde diese darin aufgefordert, den aushaftenden Betrag bis längstens 15. Oktober 2017 zur Einzahlung zu bringen oder zwecks „Festlegung angemessener Teilzahlungen“ mit dem Leiter des Rechtsbüros in Kontakt zu treten. Darauf bezugnehmend bot die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 einer Einmalzahlung in Höhe von € 500.000 sowie monatliche Folgeraten beginnend mit 10. November 2017 (zahlbar bis zum jeweils 10. des Folgemonats) in Höhe von € 100.000 an. Ausweislich eines vorliegenden Aktenvermerks des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 23. Oktober 2017 und bestätigt durch die NDR007819880002151/005, mit, dass die Beschwerdeführerin das ursprünglich vorhanden gewesene Veräußerungs- und Belastungsverbot habe löschen lassen und 2016 bereits Grundstücke veräußert habe. Mit Blick auf anfallende Vollstreckungskosten ersuchte die Vollstreckungsbehörde um Bekanntgabe, wann voraussichtlich mit Festsetzung der endgültigen Geldleistung zu rechnen sei. Ferner ersuchte Sie um Information, ob in der Sache zwischenzeitig das bei der Landesamtsdirektion eingerichtete Rechtsbüro eingeschaltet worden sei. Der Erörterung der weiteren Vorgangsweise Aussage des Zeugen Mag. C. in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht NÖ sei die angebotene Monatsrate seitens des Landes als zu gering befunden werden. Der Zeuge habe jedoch zu verstehen gegeben, dass Monatsraten in Höhe von € 200.000 akzeptiert werden könnten, wobei diesfalls auch auf die Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen verzichtet würde. Dem weiteren Aktenvermerk vom 23. November 2017 zufolge habe der Zeuge jedoch angegeben, dass es bei der mündlichen Vereinbarung bleiben müsse und keine (schriftliche) Teilzahlungsvereinbarung getroffen werden können. Nach Rücksprache mit der Geschäftsführung habe der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin (seinem Aktenvermerk vom 29. November 2017 zufolge) bekannt gegeben, dass dem Vorschlag des Zeugen entsprochen würde. Die Rate für November 2017 solle Anfang Dezember 2017, jene für Dezember ebenso im Laufe des Monats und alle weiteren Raten der Vereinbarung entsprechend bis zum jeweils 10. des Monats bezahlt werden. Dies habe der Zeuge zustimmend zur Kenntnis genommen. Über die getroffene Vereinbarung setzte das Rechtsbüro die mit der Sache federführend betraute Abteilung des Amtes der NÖ Landesregierung mit Schreiben vom 27. November 2017 in Kenntnis.[24]

 

Dass die Mitglieder der Landesregierung mit der Angelegenheit nicht betraut worden waren, obwohl ein entsprechender Beschluss gesetzlich erforderlich gewesen wäre,[25] untermauert zusätzlich die sich immer deutlicher abzeichnende Vertuschungsabsicht.

 

Das faktische „Verschwinden“ der gem. § 36 WGG abzuschöpfenden stillen Reserven

 

Folgende gerichtliche Darstellung ist entscheidend für die Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

 

Daran vermag im Übrigen auch die Tatsache nichts zu ändern, dass dem Gesetz eine Stundung vom (sic!) Geldleistungen i.S.d. § 36 WGG oder ihre Begleichung in Raten fremd ist, zumal die belangte Behörde von sich aus von einer sofortigen Zwangsvollstreckung nach § 3 VVG abgesehen und eine Begleichung in Teilzahlungen initiiert und letztlich akzeptiert hat.[26]

 

In diesem Zusammenhang sei auf die bereits angeführte Literatur verwiesen, die insbesondere den Sicherungscharakter der vorläufigen Geldleistung betont. Dieser Charakter wurde auf Initiative der Behörden aufgegeben. Der entsprechende Schaden ist eingetreten: Lediglich 6,6 Millionen Euro der vorläufigen Geldleistung wurden beglichen, deren Ausmaß insgesamt mehr als 18 Millionen Euro beträgt.[27] Erst mit Oktober 2017 – also zehn Monate nach der gegenständlichen VwGH-Entscheidung – wurden die Ratenzahlungen aufgenommen. Um ein Jahr später bereits einseitig eingestellt zu werden.[28] Trotz dieses Vereinbarungsbruches wurde wiederum nahezu ein Jahr zugewartet, ehe mit Bescheid vom 03.08.2020 ein Regierungskommissär wirksam eingesetzt wurde, wie aus dem Judikat hervorgeht.[29] Auch diese Vorgangsweise muss als ungesetzlich angesehen werden:

 

Um das Vermögen einer (gemeinnützigen) Bauvereinigung im Gefährdungsfall zu sichern, wurde im Rahmen der WGG-Novelle 2019 (Inkrafttreten 1.8.2019) das Instrument des Regierungskommissärs geschaffen. Die gesetzgeberische Zielsetzung dieses Regierungskommissärs gem. § 30 WGG ist speziell im Hintanhalten von erheblichen Gefahren für die gemeinnützige Vermögensbindung gem. §. 1 Abs. 2 WGG sowie den Generationenausgleich gem. § 1 Abs. 3 WGG zu sehen, wie aus § 30 Abs. 1 WGG folgert. Es besteht entsprechend der Literatur allgemein in der Gewährleistung „eines funktionierenden gemeinnützigen Wohnbaus“.[30] Die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten vor der WGG-Novelle 2019 gestalteten sich teilweise als nicht ausreichend. Es hatte sich erwiesen, dass schädliche Handlungen während laufender aufsichtsbehördlicher Verfahren gesetzt wurden.[31] So auch im gegenständlichen Fall, wie bereits dokumentiert wurde. Insbesondere die diesbezüglich kritische zeitliche Komponente infolge der Einleitung eines Entziehungsverfahrens gem. § 35 WGG wurde hier ins Treffen geführt.[32] Hinzu kommt aus der endgültigen Geldleistung zusätzlich ein Betrag über mehr als 34,5 Millionen Euro.[33] Hierbei handelt es sich um abzuschöpfende stille Reserven des Unternehmens.

 

Es handelt sich nunmehr um Forderungen, die in das Insolvenzverfahren gemeldet wurden.[34] Wobei es auch zu irregulären Abflüssen von Aktiva aus der Vermögensmasse gekommen sein soll.[35] Der Sanierungsplan des Unternehmens sah eine Quote von 30 Prozent binnen 3 Jahren vor.[36] Dieser Betrag entsprach nahezu exakt jenem der vorläufigen Geldleistung gem. § 36 WGG, die sich auf das bilanzielle Eigenkapital bezieht. Die ebenfalls von Gesetzes wegen abzuschöpfenden stillen Reserven würden so faktisch „verschwinden“ bzw. nicht an das Land NÖ abgeführt werden. Die nächste Parallele zu Michael Tojner und den Causen „Buntes Wohnen“, „Gesfö“ und „Riedenhof“. Für alle Genannten und Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

 

Dass diese dramatische Konstellation – die zudem Anreize zur Spekulation mit gemeinnützigen Bauvereinigungen insgesamt setzt – durch ÖVP-NÖ-Spitzenpolitiker wörtlich als „Glücksfall“ bezeichnet wurde,[37] veranschaulicht das mangelnde Verantwortungsbewusstsein der ÖVP Niederösterreich für den sozialen Wohnbau. Während sich die Bundes-ÖVP gemeinsam mit der FPÖ zur Sicherung des gemeinnützigen Wohnbaus bekannte – wie die WGG-Novellen 2019 und 2022 veranschaulichen – steht man in unserem Bundesland Niederösterreich offenbar faktisch auf der Seite der Immobilienspekulation. Zu erwähnen ist an dieser Stelle der breite Konsens, von dem insbesondere die WGG-Novelle 2019 getragen wurde. So forderte auch der SPÖ-nahe Obmann des „Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen“ öffentlich die Umsetzung der Novelle.[38] Die unverständliche Position der ÖVP NÖ erhärtet eine Aussage von LR Dr. Eichtinger gegenüber dem ORF NÖ zur gegenständlichen Causa: „Das Land profitiere auf jeden Fall, denn dieses zusätzliche Geld komme dem niederösterreichischen Wohnbau und den niederösterreichischen Häuslbauern zu Gute, so Eichtinger.“[39] Wiederum wird wohl bewusst verschwiegen und verschleiert, dass die Ansprüche des Landes Niederösterreich in Wirklichkeit bei ca. 52 Millionen Euro liegen würden. Der Differenzbetrag bedeutet einen millionenschweren irregulären Geldsegen für Immobilienspekulanten – auf Kosten der niederösterreichischen Steuerzahler!

 

Verdachtslage Amtsmissbrauch und Untreue

 

Es konnte dargestellt werden, dass die Handlungsweise insbesondere auch des Rechtsbüros dazu führte, dass dem Land Niederösterreich – dem die Gelder aus der Abschöpfung gem. § 36 WGG zustehen – ein erheblicher Schaden durch die überdies zinslose Raten- bzw. Stundungsvereinbarung entstanden ist. Begünstigt wurde das Unternehmen „die EIGENTUM“ bzw. die Eigentümerstruktur und deren Umfeld. Das wird unter anderem dadurch veranschaulicht, dass „die EIGENTUM“ ursprünglich ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragte.[40] Was auch zunächst genehmigt wurde. Tritt die Rechtsfolge der Entziehung des Status der Gemeinnützigkeit rechtskonform ein, verbleibt bei der Eigentümerstruktur lediglich das eingezahlte Stammkapital des Unternehmens (im konkreten Fall 40.000 Euro). Somit muss man sich bewusst gewesen sein, dass man voraussichtlich nicht den vollen Abschöpfbetrag bezahlen würde. Für alle Genannten und Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

 

Verantwortlichkeiten

 

Die wesentlichen politischen Verantwortlichen in der Causa sind der ÖVP Niederösterreich zuzurechnen. So liegt das Rechtsbüro im Verantwortungsbereich von Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner. Wohnbaulandesrat Dr. Martin Eichtinger unterliegt die Aufsichtsbehörde über gemeinnützige Bauvereinigungen.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft folgende

 

Anfrage

 

1.    Welchen Spielraum kann es angesichts der klaren Gesetzesbestimmungen wie etwa § 10 WGG sowie § 36 WGG für Verhandlungen über die Höhe der vorläufigen bzw. endgültigen Geldleistung geben?

2.    Wie ist es mit dem Schutz vor Spekulation vereinbar, dass mehrere Jahre vergehen, ehe die Bewertung des Immobilienbestandes der „die EIGENTUM“ abgeschlossen wurde?

3.    Wie lässt es sich mit Sicherungszweck mit Schuchter in Schwimann §§ 35, 36 WGG RZ 11 vereinbaren, dass die vorläufige Geldleistung auf Jahre hinaus gestundet wurde?

 

 

 

 

 

 

 



[1] Der Kurier vom 29.09.2022: Millionenschaden: Festnahme im Skandal um 600 Wohnungen

[2] Der Standard vom 19.04.2019: Neue Anzeige des Burgenlands gegen Michael Tojner

[3] Parlamentskorrespondenz Nr. 782 vom 03.7.2019

[4] 2571/A vom 19.5.2022, XXVI. GP, Seite 2

[5] Anfrage an Martin Eichtinger vom 14.4.2022 Ltg.-2041/A-5/451-2022

[6] § 32 WGG idgF

[7] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 1-2

[8] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 2

[9] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 2

[10] Land Burgenland, Landes-Rechnungshof: Prüfungsbericht Gemeinnützige Bauvereinigungen Pannonia, Gesfö und Riedenhof Entziehung der Gemeinnützigkeit (2020) Tz 19.2

[11] Der Kurier vom 16.3.2022: Immobilienkrimi: Ermittler erhöhen Druck auf Michael Tojner

[12] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 2

[13] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 2

[14] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 3

[15] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 3-4

[16] GZ Ra 2016/05/0074 vom 13.12.2016, S. 1

[17] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 4

[18] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 11

[19] Vertiefte Absicherung der gemeinnützigen Vermögensbindung durch die WGG-Novelle 2016, wobl 2016 (248) S. 251

[20] Schuchter in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB samt Nebengesetzen (2001) §§ 35, 36 WGG RZ 11

[21] Abänderungsantrag zur RV 895 25. GP Zur Ziffer 23c

[22] Der Standard vom 10.3.2021: ‚Die Eigentum‘: Insolvenz eines Wohnbauträgers wirft Fragen auf

[23] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 5

[24] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 5-6

[25] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 10

[26] AZ LVwG-AV-1388/001-2019 vom 14.3.2020, S. 11

[27] Anfragebeantwortung Martin Eichtinger am 7.4.2022 zu Ltg.-2011/A-5/439-2022

[28] GZ Ra 2020/05/0250-6 vom 29.3.2022, S. 1

[29] GZ Ra 2020/05/0250-6 vom 29.3.2022, S. 1

[30] Einsicht durch Aufsicht?, wobl 2019 (449) Seite 453

[31] Vertiefte Absicherung der gemeinnützigen Vermögensbindung durch die WGG-Novelle 2016, wobl 2016 (248) Seite 249

[32] Wohnungsgemeinnützigkeit in Wirtschaft Recht und Gesellschaft (2019) Seite 136

[33] Anfragebeantwortung Martin Eichtinger am 7.4.2022 zu Ltg.-2011/A-5/439-2022

[34] Anfragebeantwortung Martin Eichtinger am 7.4.2022 zu Ltg.-2011/A-5/439-2022

[35] Der Kurier vom 29.9.2022: Millionenschaden: Festnahme im Skandal um 600 Wohnungen

[36] NÖN vom 2.3.2021: DIE EIGENTUM Wohnbauvereinigung mit Sitz in Vösendorf insolvent

[37] Der Kurier vom 11.4.2022: Stadt Wien muss auf 52 Millionen Euro verzichten

[38] OTS 0108 vom 22.5.2019: Neugewählter GBV-Obmann appelliert: WGG-Novelle jetzt noch umsetzen!

[39] ORF NÖ vom 15.04.2022: Polit-Streit um Wohnungsgenossenschaft

[40] Mitteilungen KSV vom 15.3.2021