13238/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.12.2022
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Alois Kainz

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Treibhausgas SF6: Klimakiller in Windkraftanlagen

 

 

Die ARD-Tagesschau berichtete im August 2022 folgendes:[1]

 

Klimakiller in Windkraftanlagen

Windparks sollen schneller ausgebaut werden. Doch die Anlagen enthalten einen Stoff, der zum Treibhauseffekt beiträgt. Obwohl das vermeidbar wäre, will die EU lange Übergangsfristen erlauben.

 

Schwefelhexafluorid hat faszinierenden Eigenschaften. Vor allem: Das Gas ist ein perfekter Isolator. Darum wird es vor allem in sogenannten Schaltanlagen eingesetzt - also "Knotenpunkten", in denen die elektrische Energie verteilt wird. Gasisolierte Schaltanlagen sind vor allem dort praktisch, wo wenig Platz ist. Deshalb werden solche Schalter beispielsweise in Windrädern verbaut. Doch der Stoff hat auch eine fatale Eigenschaft: Schwefelhexafluorid - kurz:  SF6 - hat von allen bekannten Substanzen die stärkste Treibhauswirkung. Es wirkt rund 22.800 Mal so stark wie die identische Menge Kohlendioxid. Und: Wenn es einmal in die Atmosphäre gelangt ist, dauert es mehr als 3000 Jahre, bis SF6 sich wieder zersetzt und unwirksam wird. Das ist seit Jahrzehnten bekannt. Schon im Kyoto-Protokoll wurde 1997 festgelegt, dass die Emissionen von SF6 begrenzt werden müssen. In vielen früheren Anwendungsgebieten spielt es heute keine Rolle mehr - außer eben in elektrischen Schaltanlagen. Eine gesetzliche Regulierung für SF6 in diesem Bereich gibt es bis heute nicht. Nur eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, den Stoff nur in geschlossenen Systemen einzusetzen und am Ende der Lebensdauer zu recyceln oder chemisch zu neutralisieren. Diese Selbstverpflichtung von 1998 enthält auch, dass die verwendeten und recycelten Mengen erfasst und gemeldet werden.


 

Ungenaue Daten über tatsächliche Emissionen

Laut diesen von der Industrie gemeldeten Daten entweicht aktuell nur wenig SF6 in die Luft. Trotzdem tragen diese Mengen in Deutschland stärker zum Treibhauseffekt bei als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr. Als Wissenschaftler verschiedener, weltweit verteilter Universitäten und Behörden vor einigen Jahren die tatsächlichen Konzentrationen in der Atmosphäre mit den gemeldeten Daten verglichen, kamen sie dem Ergebnis: In Europa befindet sich fast 50 Prozent mehr SF6 in der Luft als laut gemeldeten Emissionsdaten möglich wäre. Und: Deutschland ist in Europa mit Abstand der größte Emittent. Im Klartext: Die von der Industrie gemeldeten Daten müssen falsch sein. Auch eine Studie des Umweltbundesamtes kam schon 2018 zu dem Ergebnis, dass das Monitoring des Recyclings unzureichend sei.

 

Keine Kontrolle beim Recycling

Das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus hat deswegen bei den wichtigsten Hersteller von Windkraftanlagen nachgefragt. Von Nordex und Vestas gab es die Rückmeldung, dass es derzeit noch keine Alternative gebe. Und: Während des Betriebes von Windrädern würden nur minimale Mengen SF6 in die Luft entweichen, und eine ordnungsgemäße Entsorgung am Ende der Lebensdauer von Windrädern sei gesichert. Allerdings sind die Hersteller dafür gar nicht selbst verantwortlich. Jeder Besitzer eines Windrades, das demontiert werden soll, muss sich selbst um das aufwendige Recycling kümmern. Und da ist es im Zweifelsfall einfacher, den Stoff in die Umwelt entweichen zu lassen. Eine Kontrolle findet nicht statt.

 

Alternativen sind oft nicht gewollt

Alternativen zu SF6 gibt es sehr wohl. Siemens Energy hat sie für Windräder des Tochterunternehmens Gamesa längst entwickelt. Dort sitzen die Schalter in einer Vakuumröhre und sind dadurch perfekt isoliert. Auch verschiedene Anbieter von Hochspannungsschaltern, die in kleinen Umspannwerken eingesetzt werden und bislang ebenfalls mit dem problematischen Gas isoliert waren, haben bereits auf klimaneutrale Alternativen umgestellt. Nur die Hersteller von Windrädern pochen im harten Preiswettbewerb weiter darauf, der Klimakiller sei noch unverzichtbar. Die EU wollte nun in einer neuen Verordnung den Einsatz von Schwefelhexafluorid einschränken und letztlich verbieten. So etwas ist in Europa ein oft langwieriger Prozess, den der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Bas Eickhout, folgendermaßen beschreibt: "Es gab große Akteure im Markt, die damit Geld verdienen. Sie haben erfolgreich Lobbyarbeit betrieben, haben argumentiert, man dürfe die Energiewende nicht behindern und dafür bräuchte man SF6. Und: da gab es auch einige deutsche Firmen, die Druck gemacht haben. "Das Ergebnis ist ernüchternd: Laut aktuellem Entwurf ist der Einsatz von SF6 in Schaltanlagen erst ab 2030 verboten. Eine Übergangsfrist von weiteren acht Jahren - obwohl es heute bereits praktikable Alternativen gibt.

 


 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie hoch sind die Mengen an SF6, die in die Luft entweichen, laut den Daten der österreichischen Industrie? (Bitte um Auflistung nach Jahren seit 2015 bis 2022.)

a.    In welchen Abständen hat hier eine Meldung seitens der Industrie zu erfolgen?

2.    Wer ist für die Kontrolle der gemeldeten Daten seitens der österreichischen Industrie verantwortlich?

3.    Wie oft fanden in den Jahren 2015 bis 2022 diesbezüglich Kontrollen statt und was ist dabei konkret herausgekommen?

4.    Gibt es auch österreichische Studien, welche bestätigen, dass sich mehr SF6 in der Luft befindet als von der Industrie gemeldet? (Bitte um Bekanntgabe, um welche Studien es sich handelt.)

a.    Wenn nein, warum gibt es diesbezüglich keine Studien?

b.    Wenn nein, planen Sie diesbezüglich Studien in Auftrag zu geben?

                                                 i.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Wie viele Windräder gibt es in Österreich, in denen SF6 in den Schaltanlagen eingesetzt wird?

6.    Wie hoch ist die konkrete Menge an SF6, die in diesen Windrädern verwendet wird?

7.    Welche Regelungen gibt es in Österreich derzeit in Bezug auf das Recycling von SF6?

8.    Finden diesbezüglich in Österreich Kontrollen satt?

a.    Wenn nein, wie rechtfertigen Sie das?

9.    Wie hoch sind die Mengen an recyceltem SF6 in Österreich in den Jahren 2015 bis 2022? (Bitte um Aufgliederung nach Jahren.)

10. Planen Sie in Österreich bereits den Erlass eines Verbotes der Verwendung von SF6 vor dem Jahr 2030, zumal ohnedies bereits alternative Möglichkeiten bestehen?

a.    Wenn ja, was ist konkret geplant?

b.    Wenn nein, warum nicht und wie rechtfertigen Sie das?



[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/erneuerbare-energien-windkraft-treibhausgas-sf6-101.html