13257/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.12.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Steuerreformgesetz 2022 eröffnet den rot-schwarzen Wohnbaugenossenschaften enorme Steuervorteile

 

Der österreichische Wohlfahrtstaat, der Informierten/Insidern gesetzliche Steuerfluchttüren offen lässt

Der liberale Staat belastet die Menschen von vornherein mit einer überschaubaren Abgabenlast und setzt das geringe Abgabeneinkommen zielgerichtet für einkommensschwächere Haushalte ein. Ganz anderes der österreichische Wohlfahrtsstaat. Dieser bürdet den Menschen sehr hohe und progressiv ausgestaltete Steuern auf, gesteht aber gleichzeitig den Informierten (idR die Einkommensstärkeren) gut versteckte gesetzliche Steuerfluchttüren zu, über die sie sich die bezahlten Steuern in Form Subventionen wieder zurückholen können. So eine Steuerfluchttür hat der Steuerexperte Mag. Gottfried Schellmann zuletzt in der Tageszeitung „Die Presse“ beschrieben: "Versteckte Subventionierung des Wohnbaus" (1).

Wohnbau-Vorsteuerbegünstigung nicht treffsicher

So weist Schellmann darauf hin, dass eine Änderung im Umsatzsteuergesetz (§ 12 Abs. 10) im Zuge der Steuerreform 2022 (2) zu einer Fehlförderung im Wohnbausektor geführt hat. Dieser Umstand verschafft vor allem den rot-schwarzen Wohnbaugenossenschaften seit April 2022 VSt-Vorteile, von denen die Vermieter nur bedingt profitieren (siehe unten, Schellmann-Beispiel). Konkret lukriert wird der VSt-Vorteil über Mietkauf-Optionen. So sieht die österreichische Steuergesetzgebung vor, dass für Mieten nur der reduzierte USt-Satz von 10 Prozent anfällt, während gleichzeitig die ganze Vorsteuer (idR 20 Prozent) als Abzug geltend gemacht werden kann. Dieser USt/VSt-Differenz ist zwar grundsätzlich wünschenswert, da sich diese Steuerkonzeption auf die Mieten senkend auswirkt. Aber dieser Steuervorteil war ursprünglich nur für Immobilienverkäufe vorgesehen, die im Rahmen von längerfristigen Mietkauf-Modellen erfolgen, nämlich 20 Jahre. Wenn die Kaufoption vor der 20-Jahre-Frist ("Berichtigungszeitraum") gezogen wurde, musste der Immobilienverkäufer (Wohnbaugenossenschaft) die vom Staat erstattete Vorsteuer aliquot zurückzahlen. Nur hat die schwarz-grüne Regierung im Zuge der Steuerreform 2022 den 20-Jahre-Berichtigungszeitraum auf eine 10 Jahre reduziert, wodurch die Immobilienverkäufer (zB die rot-schwarzen Wohnbaugenossenschaften) künftig seltener in die Verlegenheit kommen, die Vorsteuer aliquot zurückzuzahlen. Schellmann bezifferte das USt-zu-VSt-Differential mit 700 Mio. Euro zu 2,5 bis 3 Mrd. Euro, wovon ein Gutteil den rot-schwarzen Wohnbaugenossenschaften zugute kommt. Die Verkürzung es Berichtigungszeitraumes soll laut Wirkungsfolgeabschätzung des Steuerreform-Regierungsvorlage allein in den Jahren 2022 bis 2025 zusätzliche 45 Mio. Euro (2022: 8 Mio. Euro, 2023: 10 Mio. Euro, 2024: 12 Mio. Euro, 2025: 15 Mio. Euro) in die Kassen der Wohnbaugenossenschaften spülen! (3) Wenn in den nächsten Monaten aus Dankbarkeit noch mehr Inserate der Wohnbaugenossenschaften in den Parteizeitungen (vor allem der Volkspartei) auftauchen, wäre das keine Überraschung. Denn schon jetzt inserieren die Wohnbaugenossenschaften regelmäßig in den Parteizeitungen von ÖVP und SPÖ.

Neben den Wohnbaugenossenschaften profitieren laut Schellmann auch Einkommensstärkere, die eigentlich nicht auf diese Steuergeschenke angewiesen wären, wie etwa die VSt-Begünstigungen im Rahmen des geförderten Wohnbaus. Dieser VSt-Vorteil lässt sich über Firmen-/Stiftungskonstruktionen abholen, also Konstruktionen, die für einen Normalsterblichen in der Praxis nicht einzurichten sind. Hier stellt sich die Frage, weshalb Österreich regelmäßig komplizierte, bürokratische Steuerschlupflöcher für Informierte zulässt, anstatt einfach generell die Einkommenssteuern zu senken.

Schellmann-Beispiele für den Steuervorteil von Wohnbaugenossenschaften Mietkauf-Wohnungsverkauf durch die Verkürzung des Berichtigungszeitraums von 20 auf 10 Jahre

"Wie ungerecht dieses System ist, zeigt sich daran, dass jüngst jenen Bewohnern von Wohnungen oder Doppelhaushälften, die einen Mietkaufvertrag mit einem gemeinnützigen Wohnbauträger abgeschlossen haben, der Berichtigungszeitraum für die USt verkürzt wurde. Nun muss der anteilige Vorsteuerabzug bei einer Änderung des Verwendungszwecks von Vermietung auf Verkauf nicht mehr über 20 Jahre zurückbezahlt werden, sondern nur noch über zehn. Das bedeutet: Wurde bisher eine Wohnung nach zehn Jahren an den Mieter verkauft, dann waren wegen des 20-jährigen Berichtigungszeitraums 10/19 der Vorsteuer nachzuzahlen. Nun ist schon nach zehn Jahren beim Erwerb vom gemeinnützigen Wohnbauträger Schluss. Bei Errichtungskosten von 2500 Euro netto pro m2 fallen bei einer 120m2-Doppelhaushälfte 60.000 Euro Vorsteuern an. Die Miete beträgt etwa acht Euro pro m2. Das ergibt über einen Zeitraum von zehn Jahren rund 12.000 Euro an zu zahlender Umsatzsteuer. Endet die Pflicht zur Berichtigung schon nach zehn Jahren, erspart sich der Verkäufer damit 48.000 Euro." (1)

"Jedenfalls aber ist die Schieflage im Bereich der Umsatzsteuer bei der Vermietung für Wohnzwecke zu korrigieren. Die USt-Einnahmen aus diesem Titel betragen rund 700 Mio. Euro, aber die gegenüberstehenden Vorsteuerabzüge kosten 2,5 bis 3 Mrd. Euro im Jahr, je nach Bautätigkeit. Hier subventioniert der Staat die Wohlhabenden, wenn diese Luxusimmobilien im Rahmen von GmbHs oder Stiftungen errichten und an die Gesellschafter oder den Stifter vermieten oder „Vorsorgewohnungen“ anschaffen." (1)

Insgesamt haben die aktuelle Gesetzeslage zum Vorsteuerabzug im Rahmen des Wohnbaus und das Steuerreformgesetz 2022 (2) somit ein intensives Geschmäckle, indem es für Informierte und Insider eine Steuerschlupflöcher eröffnet, wovon auch die rot-schwarzen Wohnbaugenossenschaften profitieren.



Quellen:

(1) https://www.diepresse.com/6214806/versteckte-subventionierung-des-wohnbaus

(2) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01293/index.shtml

(3) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01293/fnameorig_1038889.html

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Die Regierungsvorlage "Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil I – ÖkoStRefG 2022 Teil I (1293 d.B.)" stammt aus dem Finanzministerium:
    1. Mit welcher Begründung haben Sie im § 12 Abs. 10 USt den Berichtigungszeitraum für den Verkauf von Mietkauf-Wohnungen von 20 auf 10 Jahren verkürzt?
    2. Wurde diese Verkürzung mit dem Grünen Koalitionspartner abgestimmt? Mit welchen Grünen Verhandlungspartnern konkret und wie viele Gespräche haben dazu stattgefunden?
    3. Wie stellen Sie sicher, dass die VSt-Einnahmenentfälle in Höhe von 45 Mio. Euro (siehe WFA 2022-2025) im Zuge der Verkürzung des Berichtigungszeitraumes von den Wohnbaugenossenschaften zu Gänze an die Käufer weitergeben werdn? 
  1. Der Steuerexperte Gottfried Schellmann beschreibt, dass durch den Wohnbau-Vorsteuerabzug Personen unbeabsichtigt gefördert werden, die sich über Firmen-/Stiftungskonstruktionen den Vorsteuerabzugsvorteil abholen:
    1. Wie konkret planen Sie diese gesetzliche Unschärfe zu korrigieren? Laufen dazu bereits Verhandlungen zur einer Regierungsvorlage? Wenn ja, wie viele Gespräche haben dazu schon stattgefunden und bis wann soll die entsprechende RV dem Nationalrat vorgelegt werden?
    2. Mit welcher Begründung wurde dieser Umstand nicht schon beim Steuerreformgesetz 2022 korrigiert?
  1. Laut dem Steuerexperten Gottfried Schellmann standen zuletzt im Wohnbau 2,5 bis 3 Mrd. Euro VSt-Abzug nur 700 Mio. Euro USt-Einnahmen durch Vermietung gegenüber. Wie erklären Sie diese hohe Diskrepanz? (Nachvollziehbar wären nur 700 Mio. Euro USt-Einnahmen zu 1 bis 1,5 Mrd. Euro VSt-Abzug) 
  2. Wie viel VSt-Abzug wurde im Rahmen des Wohnbaus seit 2005 geltend gemacht? (nach Jahr)
  3. Wie viel USt wurde im Rahmen der Vermietung für Wohnzwecke seit 2005 eingehoben? (nach Jahr)