1329/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.03.2020
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ANFRAGE
der Abgeordneten Schnedlitz, Mag. Stefan
weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Schwarzer Corona-Vertuschungsskandal in Tirol
In der Online-Ausgabe der Zeitung „Österreich“ vom 25.03.2020 wird in groben Umrissen das Versagen der Politik, insbesondere von Landeshauptmann Platter sowie zweier Landesräte, mehrerer Bürgermeister sowie dreier Tiroler Seilbahnvorstände, aufgezeigt:
https://www.oe24.at/coronavirus/Vertuschungsskandal-in-Tirol-Protokoll-des-Ischgl-Versagens/423513502
„29. Februar: Beginn
Bei einem Flug der Icelandair aus München nach Island treten 15 Covid-19-Fälle auf. Alle Skifahrer waren in Ischgl, feierten im „Kitzloch“.
Warnung. Islands Behörden erklären Ischgl zum Risikogebiet. Die Namen der Infizierten werden den Tiroler Behörden übermittelt: „Doch die haben das völlig ignoriert“, sagt der Isländer Kári Stefánsson.
5. März: Empört
oe24.at berichtet über die Isländer. Ein empörter Sprecher der Tiroler Landesregierung ruft an: Wir sollen doch bitte nicht länger schreiben, dass sich 14 Isländer in Ischgl infiziert hätten. Wörtlich sagt er: „In Ischgl gibt’s keinen Fall …“
6. März: Fake News
Während noch dementiert wird, werden Ärzte nach Ischgl geschickt. Sie dürfen aber nur bestimmte Personen testen. Hoteliers und Bürgermeister werden vorab alarmiert. Der deutsche Barkeeper der Après-Ski-Bar „Kitzloch“ wird getestet. Positiv. Auch 15 „Kitzloch“-Mitarbeiter sind positiv. Trotzdem sagt Tirols Sanitätsdirektor Franz Katzgraber: „Aus medizinischer Sicht ist es wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist.“ Auch wird von einem Hotelier ein Infektionsfall nicht weitergeleitet.
10. März: Erste Sperren
Erst jetzt lässt Tirol das „Kitzloch“ sperren. Ebenso weitere Après-Ski-Lokale. Eine Quarantäne für Ischgl und das Paznauntal gibt es aber noch immer nicht.
13. März: Ski-Aus
Die Regierung erklärt Ischgl und das Paznauntal zum Risikogebiet und verhängt eine Quarantäne. Aber: Ausländische Urlauber dürfen das Gebiet verlassen. Sie werden angewiesen, ohne Unterbrechung nach Hause zu fahren – kontrolliert wird das aber nicht. Auch soll der Tiroler Tourismusverband Hoteliers im Vorhinein über die geplanten Maßnahmen informiert haben. Manche Hoteliers entließen darauf ihre Arbeiter. Womöglich haben diese das Virus ebenfalls verteilt. Das wurde nicht bedacht, verdrängt.
14. März: Skandal
Tausende Urlauber wollen weg. Sie kehren unterwegs ein, da es an Reiseverbindungen fehlt. Niemand kontrolliert. Andere bleiben in Innsbruck – keine Flieger. Übernachten in Hotels. Ein Deutscher aus Bremen sagt zu ÖSTERREICH: „Wir waren eine Männergruppe. Schon beim Skifahren hatten wir Schnupfen, das verdrängten wir.“ Alle sind inzwischen Corona-krank. Niemand weiß, wie viele sie bei ihrer Rückkehr infiziert haben.
15. März: Lifte
Noch immer läuft der Betrieb einiger Skilifte, wird erst am Abend komplett eingestellt. Hunderte Skifahrer drängen sich auf den Sonnenterrassen.
16. März: Klagen
In ganz Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Island gibt es Covid-19-Krankheitsfälle. Ursprung: Ischgl. Allein in Hamburg gibt es 80 Fälle. Klagen wurden eingereicht.
19. März: Totalsperre
Erst als die Zahl der Infektionen emporschnellt, wird über alle 279 Tiroler Gemeinden eine komplette Sperre verhängt. Viel zu spät.“
Der Skandal betrifft hauptsächlich die Tiroler ÖVP. Neben dem Tiroler Landeshauptmann steckt auch der Tiroler Wirtschaftsbundobmann und Nationalratsabgeordnete Franz Hörl mitten in diesem ÖVP-Skandal. Auch ihm war der Tourismus wichtiger als die Gesundheit der Tiroler Landsleute und der Touristen.
In den beiden SMS vom 09.03.2020 an den Besitzer des „Kitzloch“, Peter Zangerl, welche von der Plattform „dietiwag“ am 20.03.2020 veröffentlicht wurden, spricht Hörl vom „Hottentotten Staat“ Tirol und über das Gras, das nach einer Woche über die Sache gewachsen sein wird. Kein Wort über die Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, kein Wort über die schon bekannten Gesundheitsschäden und Symptome, die bei Ausbruch von COVID19 sichtbar sind. Das einzige Problem für Hörl war, dass die Saison einbrechen könnte, wenn Zangerl sein Lokal nicht schließen würde.

http://www.dietiwag.org/blog/index.html
Der „Kurier“ berichtete in der Online-Ausgabe vom 20. März, dass der Barkeeper am 7. März positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Der Barkeeper und die Mitarbeiter kamen unter Quarantäne, dennoch lief der Betrieb mit einer neuen Mannschaft weiter.
Eine behördliche Sperre gab es erst am Abend des 9. März, weil festgestellt wurde, dass sich um den Barkeeper noch fünfzehn weitere Mitarbeiter angesteckt haben. Der Betrieb lief noch zwei volle Tage.
https://www.msn.com/de-at/gesundheit/coronavirus/seilbahner-wussten-frühzeitig-um-die-corona-bombe-ischgl/ar-BB11tsHF?ocid=spartandhp
Diese 15 Mitarbeiter wurden ebensowenig einem Test unterzogen.
Nicht nur, dass die Situation vom Wirtschaftsbundobmann von Tirol Nationalratsabgeordneten Hörl und von Landeshauptmann Platter vollkommen verkannt oder auch heruntergespielt wurde, hat es auch vollkommenes Versagen von Seiten des Landeshauptmannstellvertreters Geisler, der auch für den Katastrophenschutz, das Katastrophenmanagement, den Zivilschutz, die Landeswarnzentrale und die Beteiligung des Landes an der Leitstelle Tirol Gesellschaft mbH zuständig ist, gegeben.
Des Weiteren wurde vom Landessanitätsdirektor Katzgraber und vom Gesundheitslandesrat Tilg die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus verharmlost:

http://www.dietiwag.org/blog/index.html
Eine noch genauere Chronologie liefert die Recherche-Plattform „semiosis.at“; veröffentlicht von Sebastian Reinfeldt am 20.März 2020:
https://www.semiosis.at/wp-content/cache/page_enhanced/www.semiosis.at//2020/03/20/corona-virus-oesterreich-galt-ja-nicht-als-risikogebiet-chronologie-der-ereignisse-in-tirol//_index.html_gzip#content
„Corona-Virus: „Österreich galt ja nicht als Risikogebiet!“ – Chronologie der Ereignisse in Tirol:
Die Dailymail berichtet über den wahrscheinlichen „Patienten 0“ in Großbritannien: Daren Bland, 50 Jahre alt und von Beruf IT-Konsulent. Er verbrachte mit drei Freunden seinen Schiurlaub in Ischgl. Die Apres-Ski-Bar Kitzloch war gerammelt voll:
Die Leute waren aufgeheizt und verschwitzt vom Skifahren. Die Kellner brachten hunderte Shots an die Tische. Man kann sich kaum eine bessere Heimat für das Virus vorstellen.
Nach meiner Rückkehr war ich 10 Tage lang krank. Ich konnte nicht aufstehen, ich konnte nicht arbeiten, ich hatte Atemnot.
Daren Bland hat auch seine Frau angesteckt. Seine Freunde reisten nach dem Urlaub zurück nach Dänemark und in die USA. Dort wurden sie positiv auf das Coronavirus getestet, schreibt die Dailymail.
Die Betroffene hatte in der Woche zuvor ihren Urlaub in der Dormunder Hütte im Kühtai verbracht. Die Bayrischen Behörden informieren die Tiroler Behörden auf der anderen Seite der Grenze. Die wiederum erklären laut eines Berichts in den Bezirksblättern vom 30. Januar:
Wir haben uns umgehend mit der Hüttenwirtin in Verbindung gesetzt, um die identifizierten 23 engen Kontaktpersonen, die vornehmlich aus Deutschland stammen, zu identifizieren. Sie werden über den Krankheitsfall persönlich informiert und dafür sensibilisiert, ihren Gesundheitszustand in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Gesundheitsamt im Auge zu behalten. Sollten sich Krankheitszeichen entwickeln, wird eine Abklärung eingeleitet“, erklärt Franz Katzgraber, Vorstand der Abteilung Landessanitätsdirektion.
Die Kontaktpersonen stammten also vorwiegend aus Deutschland. Der Virus blieb offenbar.
Eine Mitarbeiterin eines nicht namentlich genannten Betriebs aus Ischgl soll sich mit dem Corona-Virus infiziert haben. Der Arbeitgeber hat sie nach Hause geschickt und den Behörden den Fall aber nicht gemeldet. Unklar ist bislang, ob die Mitarbeiterin, die Symptome zeigte, eine Verdachtsfall war oder ob sie auch tatsächlich positiv getestet wurde. Auch die Bezirkshauptmannschaft Landeck ermittelt nach dem Epidemiegesetz.
Die isländischen Gesundheitsbehörden geben eine ausdrückliche Reisewarnung für den Ski- und Partyort Ischgl heraus. Island setzt den Ort im Paznauntal auf die Liste der „high-risk areas“ – neben China, Italien, Südkorea und Iran, weil Heimkehrende positiv auf das Virus getestet wurden. Diese Information hat auch die österreichischen Behörden erreicht. Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz meinte in einem Puls24-Fernsehinterview am 17. März mit Bezug auf den Corona-Virus wörtlich:
„Ich bin sehr dankbar, dass ich schon vor zwei Wochen von einigen ausländischen Regierungschefs außerhalb Europas gewarnt wurde und dadurch auch in Österreich so viel Druck drauf gemacht habe, dass wir harte Maßnahmen setzen.“

Nun nimmt auch Finnland Tirol in die Liste der Risikogebiete auf. Der Grund: Es haben sich Infektionen unter finnischen UrlauberInnen gehäuft, die aus Ischgl zurückgekehrt sind. Gleiches tut Schweden.
Und in Tirol? Lediglich das Ischgler „Kitzloch“ wird behördlich geschlossen, und das zwei Tage, nachdem bekannt geworden war, dass ein Barkeeper des Lokals positiv auf Corona getestet ist. Nun meint die Tiroler Landesregierung:
In diesem Zusammenhang kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass es eine Verbindung zu einem Teil der in Island positiv getesteten Personen gibt, die sich nach jüngsten Erhebungen kürzlich ebenso in Ischgl in besagter Bar aufgehalten haben.
Trotz dieser Häufung expliziter Reisewarnungen meinen die Behörden vor Ort immer noch, es „kann nicht ausgeschlossen werden“ und lassen die Partys in den anderen, noch geöffneten Skibars weiter laufen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die Faktenlage klar: In den Skigebieten Ischgl und Sölden grassiert das Corona-Virus.
Der Tiroler Blog die tiwag veröffentlicht zwei SMS-Nachrichten des mächtigen Manns im Hintergrund, des ÖVP-Politikers Franz Hörl, seines Zeichens Obmann des Fachverbandes der Seilbahnwirtschaft. Er schrieb an den Besitzer des Ischgler Kitzlochs, dass er zusperren sollte. Falls nicht, sei er „schuld am Ende der Saison in Ischgl und eventuell Tirol.“
(…)“
Zusammengefasst ist festzustellen, dass es von Landeshauptmann Platter, Landeshauptmannstellvertreter Geisler, Gesundheitslandesrat Tigl, Landessanitätsdirektor Katzgraber, Tirols Wirtschaftsbundobmann NAbg. Hörl usw. in Wissen um die Gefahr ein moralisches, politisches sowie auch ein Versagen dahingehend vorliegt, Rechtsvorschriften nicht einzuhalten, um der Tourismuswirtschaft bis zum letzten Abdruck die Chance zu geben, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Landsleute, der Mitarbeiter in den Betrieben und Touristen, Geld in einem Krisengebiet zu scheffeln.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wurde oder wird von der Staatsanwaltschaft gegen LH Platter ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
b. Wenn nein, warum nicht?
2. Wurde oder wird von der Staatsanwaltschaft gegen LHStV Geisler ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
b. Wenn nein, warum nicht?
3. Wurde oder wird von der Staatsanwaltschaft gegen Gesundheitslandesrat Tilg ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
b. Wenn nein, warum nicht?
4. Wurde oder wird von der Staatsanwaltschaft gegen Landessanitätsdirektor Katzgraber ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Wurden oder werden von der Staatsanwaltschaft gegen Bürgermeister Ermittlungen eingeleitet?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
6. Wurden oder werden von der Staatsanwaltschaft gegen Tiroler Seilbahnvorstände Ermittlungen eingeleitet?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
7. Wurde oder wird von der Staatsanwaltschaft gegen die Organe des Tiroler Wirtschaftsbundes ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, gegen welche?
b. Wenn nein, warum nicht?
8. Wurden oder werden von der Staatsanwaltschaft gegen die Organe des Tourismusverbandes Tirol Paznaun-Ischgl Ermittlungen eingeleitet?
a. Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände?
b. Wenn nein, warum nicht?
9. Wegen welcher strafrechtsrelevanten Handlungen und des Verdachts der Begehung welcher Straftatbestände wird gegen welche Beamte ermittelt?
10. Wird die Staatsanwaltschaft an den Nationalratspräsidenten herantreten und die Auslieferung des Nationalratsabgeordneten Hörl verlangen?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, warum nicht?
11. Welche Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen oder leitet sie?
12. Welche Informationen wurden zu welchen Zeitpunkten seitens der Bundesregierung in Hinsicht auf die Covid-19-Gefahr an die Landessanitätsdirektion Tirol ausgesendet?
a. Welche Handlungsanleitungen wurden erteilt bzw empfohlen?