1335/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Folgeanfrage zur Anfrage 4092/J vom 7.8.2019 (XXVI. GP) „System Pilnacek

- das Abdrehen des Verfahrens Chalet N in Lech am Arlberg"

Aufgrund des Bekanntwerdens des Treffens von SC Mag. Pilnacek mit zwei Beschuldigten in der Casinos-Affäre im Jänner 2020 aber auch in anderen Fällen während laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (vgl. addendum vom 9.3.2018 BVT: Wenn sich zwei streiten und drei sich treffen; Fass ohne Boden vom 5.2.2020 „Höflichkeit a la Sektionschef Pilnacek"; Zackzack vom 6.2.2020 „Pilnacek-Geständnis: Zweites Treffen mit Pröll und Rothensteiner" usw) sowie im Hinblick darauf, dass die Beantwortung der Anfrage „System Pilnacek - das Abdrehen des Verfahrens Chalet N in Lech am Arlberg" durch das BMVRDJ vom 7.10.2019 zum Teil nicht nachvollziehbar ist bzw. Fragen offen lässt, ergibt sich aus Sicht der Anfragesteller die Notwendigkeit der Klärung der nachfolgenden Fragen:

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    In der Beantwortung der Anfrage „System Pilnacek - das Abdrehen des Verfahrens Chalet N in Lech am Arlberg" durch das BMVRDJ vom 7.10.2019 wird zur Frage 1 auf § 8 Abs 1 StAG hingewiesen. wonach eine Berichtspflicht der WKStA in dieser Causa wegen des besonderen öffentlichen Interesses (§ 8 Abs 1 StAG) aufgrund der Funktion des Beschuldigten im öffentlichen Wirtschaftsleben und der Art der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe besteht. Zur Beantwortung der Fragen 15 bis 18 zur unterbliebenen Veröffentlichung der Einstellungsbegründung in der Ediktsdatei wird unter Anführen des § 35a Abs 1 StAG darauf hingewiesen, dass für die Veröffentlichung geforderte Interesse am Inhalt der Einstellungsbegründung nicht bestanden habe, sondern erste 3 Jahre später durch die mediale Berichterstattung vorlag. Sowohl § 8 Abs 1 StAG als auch § 35a Abs 1 StAG sprechen ausdrücklich und gleichlautend von einem „besonderen öffentlichen Interesse".

 

a. Warum wurde dieses besondere öffentliche Interesse zwar bei der Begründung der Berichtspflicht der WKStA gern § 8 Abs 1 StAG angenommen, jedoch bei der Pflicht zur Veröffentlichung gern § 35a Abs 1 StAG verneint?

 

b. In wie vielen anderen Fällen des § 8 Abs 1 StAG der WKStA und anderer Staatsanwaltschaften wurde eine Pflicht zur Veröffentlichung geprüft und verneint, in denen es zuvor eine Weisung der OStA bzw. des BMJ zu einem vom Vorschlag der Staatsanwaltschaft abgehenden Vorgehen gab? (Bitte um genaue Auflistung der Verfahren und der Begründung.)

 

2.    Eine Veröffentlichung der Einstellungsbegründung erfolgte erst rund 3 Jahre nach der Einstellung des Verfahrens. Gern § 35a Abs 2 StAG sind Veröffentlichungen 3 Jahre später aus der Ediktsdatei zu löschen.

a. Wird durch eine erst mehrere Jahre nach der Einstellung erfolgte Veröffentlichung der Zweck des § 35a Abs 2 StAG, Einstellungsbegründungen nur 3 Jahre öffentlich zugänglich zu machen, vereitelt?

 

i. Wenn nein, warum nicht?

b. In wie vielen Fällen des § 8 Abs 1 StAG erfolgte eine Veröffentlichung der Einstellungsbegründung erst Jahre später?

 

i. Wie wurde dieses Vorgehen begründet?

 

3.    Wie viele "Einstellungsbegründungen" wurden in den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 jeweils gem § 35a Abs 1 StAG bundesweit veröffentlicht?

 

4.    Wie viele "Einstellungsbegründungen" wurden in den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 jeweils gem § 35a Abs 1 StAG gegliedert nach OStA Sprengeln veröffentlicht?

 

5.    In der Beantwortung der Frage 4, in welchem Umfang SC Mag. Pilnacek in die Bearbeitung des Verfahrens trotz seiner Nähe zu RA Dr. Böhmdorfer, dem Verteidiger des Beschuldigten in dieser Causa, eingebunden war, wurde angegeben, dass SC Mag. Pilnacek RA Dr. Böhmdorfer lediglich aus dessen Zeit als Bundesminister für Justiz kenne und auch eine Freundschaft des SC Mag. Pilnacek zu einem Kanzleipartner des RA Dr. Böhmdorfer keine Befangenheit im Sinne des § 47 BDG begründe. Wie sich aus der Medienberichterstattung (zB. Tiroler Tageszeitung vom 16.5.2019 „Eurofighter: Pilnacek zeigt Pilz wegen Verdachts der Verleumdung an") ergibt, wird die Anwaltskanzlei Böhmdorfer Sehender, die den Beschuldigten in der Causa Chalet N in Lech am Arlberg vertreten hat, auch für SC Mag. Pilnacek anwaltlich tätig.

a. Ergibt sich aus dem Umstand, dass SC Mag. Pilnacek nicht nur freundschaftliche Verhältnisse zur Anwaltskanzlei Böhmdorfer Sehender unterhält, sondern von dieser Kanzlei auch selbst anwaltlich vertreten wird zumindest der Anschein einer Befangenheit iSd § 47 BOG für alle berichtspflichten Verfahren, in denen die Kanzlei, wie im Verfahren Chalet N, einen Verfahrensbeteiligten vertritt?

b. Welche Vorkehrungen wurden seitens des BMJ getroffen, um den Anschein der Befangenheit in solchen Fällen zu vermeiden?

i. In welchen Fällen war das bisher notwendig? (Bitte um genaue Auflistung der Verfahren und der Begründung.)

6.    Aus zahlreichen Medienberichten ergibt sich, dass SC Mag. Pilnacek sich mehrfach mit Beschuldigten aus laufenden Ermittlungsverfahren getroffen hat.

a. Gab es persönliche Treffen bzw. sonstige Kontakte des SC Mag. Pilnacek mit Beschuldigten oder deren Verteidigern in der Causa Chalet N in Lech am Arlberg?

i. Wenn ja, mit wem, wann und was wurde dabei besprochen?

ii. Wurden darüber Aktenvermerke angelegt? Wenn nein, warum nicht?

b. Hatte SC Mag. Pilnacek mit Vertretern der Kanzlei Böhmdorfer Sehender, mit der er nicht nur freundschaftlich verbunden ist, sondern von der er auch anwaltlich vertreten wird, in dieser Causa, mit der er laut Anfragebeantwortung vom 7.10.2019 als Leiter der Strafrechtssektion befasst war, Kontakt?

i. Wenn ja, wann und was wurde dabei besprochen?

ii. Wurden darüber Aktenvermerke angelegt? Wenn nein, warum nicht?

7.    Hatten Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, die It. Antwort zu Frage 5 der Anfragebeantwortung vom 7.10.2019 die Weisung zur Einstellung erteilt haben, in dieser Causa persönlichen Kontakt zur Kanzlei Böhmdorfer Sehender oder dem Beschuldigten?

a. Wenn ja, mit wem, wann und was wurde dabei besprochen?

b. Wurden darüber Aktenvermerke angelegt? Wenn nein, warum nicht?

8.    Laut Antwort zu Frage 22 der Anfragebeantwortung vom 7.10.2019 berücksichtigte die OStA Wien in ihrer Weisung zur Verfahrenseinstellung eine Stellungnahme und Unterlagen, die ihr vom Beschuldigten direkt übermittelt wurden, ohne dass die verfahrensführende WKStA davon Kenntnis hatte. Als Begündung wurde dafür angegeben: „In Ausübung der Fachaufsicht steht es der OStA Wien zu, eine selbständige Bewertung (auch) von in direktem Wege erstattetem Vorbringen samt bezughabenden vorgelegten Unterlagen vorzunehmen. Diese Vorgehensweise sollte zudem der Verfahrensbeschleunigung dienen.“

a. Auf welcher Rechtsgrundlage basierte diese Vorgehensweise?

b. In welchen anderen Fällen des § 8 Abs 1 StAG wurde so von der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgegangen? (Bitte um genaue Auflistung der Verfahren und der

Begründung.)

c. Inwiefern wurde eine Verfahrensbeschleunigung dadurch bewirkt, dass eine Stellungnahme samt Urkundenvorlage der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft vorenthalten wurde?

d. Wie lange haben die Ermittlungen der WKStA gedauert?

e. Wie lange wurde der Vorhabensbericht der WKStA im Rahmen der Fachaufsicht (OStA, BMJ, Weisungsrat) geprüft?

f. Wie können bei einem solchen Vorgehen die Verfahrensrechte nach der StPO anderer Verfahrensbeteiligter, zB. das Recht auf Akteneinsicht, gewahrt werden, wenn solche verfahrensrelevanten Aktenbestandteile erst nach Erteilung einer das Verfahren beendigenden Weisung zum Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft genommen werden?