1346/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Philip Kucher, Kai Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend „Verschleppung von COVID19-Maßnahmen in Tirol aus parteipolitischen Motiven?"

„Ischgl - wo die Gier feiert"[1], die „heimliche Virus-Drehscheibe"[2] oder die „heimliche Corona- Brutstätte"[3] Europas schreiben internationale Medien über Ischgl und dortige Après-Ski-Bars wir das „Kitzloch". Hunderte Touristen - vor allem aus dem skandinavischen Raum - haben sich über Ischgl-Aufenthalte mit Covid-19 angesteckt, aber auch österreichische Infektionen, etwa in Oberösterreich und der Steiermark, sind auf die Tiroler Schigebiete um Ischgl, das Paznauntal und St. Anton zurückzuführen.

Angesprochen auf das etwaige zögerliche Handeln der Tiroler Behörden hat am 21. März der Tiroler Gesundheitslandesrat Tilg in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung verlautbart, dass „alle Maßnahmen mit dem Bund täglich akkordiert waren und werden".

In einem Artikel desStandard" vom 28.03.2020 wird nunmehr von einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie zwischen Bundeskanzler Kurz und Tiroler ÖVP-Politikern, insbesondere LH Platter und Gesundheitslandesrat Tilg berichtet. Diese sei bereits vor Bekanntwerden des ersten positiven COVID19-Tests an einer Tirolerin vereinbart worden. Ziel sei es gewesen, möglichst geringe Aufmerksamkeit auf das Thema vor den Wirtschaftskammerwahlen zu lenken. Von Tiroler Oppositionsparteien wird gemutmaßt, Ziel dieser Strategie sei gewesen, möglichst geringe Aufmerksamkeit auf das Thema vor den Wirtschaftskammerwahlen zu lenken. Damit wurden jedoch unter Umständen in bewusster Weise Maßnahmen verhindert sowie die notwendige Sensibilisierung der Bevölkerung zum richtigen Zeitpunkt unterlassen, die eine Ausbreitung des Virus mindern hätten können. Der Verdacht steht im Raum, dass dabei finanzielle Interessen der ÖVP über jenen der Gesundheit der Bevölkerung standen - so legt es der zitierte Artikel nahe.

Um zum Erreichen des Ziels, dass sich die "Causa Ischgl" nicht wiederholen darf, einen Beitrag zu leisten, stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehende

ANFRAGE

1)      War Ihnen die im Standard-Artikel beschriebene Kommunikationsstrategie zu den ersten Tiroler Corona-Fällen bekannt?

2)      Falls ja:

a.     Was war deren Inhalt?

b.     Wann und von wem wurden Sie in die ausgeführte Kommunikationsstrategie eingeweiht?

c.     Warum war eine solche Kommunikationsstrategie überhaupt notwendig?

d.     Haben Sie sich an die Kommunikationsstrategie des Bundeskanzlers gehalten?

e.     Haben Sie den Bundeskanzler darauf angesprochen, warum er sich nicht an die Strategie gehalten hat?

3)      Falls nein:

a.     Wann haben Sie von dieser Kommunikationsstrategie erfahren?

b.     Waren Sie über die Pressekonferenz von LR Tilg vorab informiert?

c.     Wann haben Sie erstmals persönlich von den beiden Coronafällen in Tirol erfahren und von wem?

d.     Wann wurden Sie vom Land Tirol bzw. von der BH Landeck jeweils über Corona­Fälle zwischen Jänner und März 2020 informiert? (Bitte um Angabe von Absender, Empfänger und Datum)

e.     Wurden Sie vom Bundeskanzler, von LH Platter oder LR Tilg jemals aufgefordert, eine Information der Öffentlichkeit zum aktuellen Zeitpunkt zu unterlassen oder eine solche Information den Tiroler Behörden zu überlassen?

4)      Wie oft haben Sie sich mit dem Bundeskanzler, dem Tiroler Landeshauptmann oder dem Tiroler Gesundheitslandesrat im Februar und März persönlich zur Corona-Situation in Tirol ausgetauscht?

5)      Wussten Sie von Treffen des Bundeskanzlers mit Vertretern der Tiroler Seilbahnwirtschaft im relevanten Zeitraum?

6)      Hat Ihnen der Bundeskanzler von seinem Telefonat mit dem israelischen Premierminister Netanjahu berichtet und wenn ja, mit welchem Inhalt?

7)      Gab es zu den Tiroler Coronafällen eine gemeinsame Kommunikationsstrategie der Bundesregierung oder zumindest eine Absprache zwischen den Pressestellen der Ressorts und Tirols?

a.     Falls ja, von wem wurde diese vorgeschlagen?

b.     Entsprach dies der präventiven Planung für den Epidemiefall?

c.     Haben Sie sich an diese Kommunikationsstrategie gehalten?

d.     War diese mit dem Vizekanzler akkordiert?

8)      Wie und warum wurde gerade der 6.3.2020 als Termin zur Verkündung österreichweiter Maßnahmen gewählt?

9)      Wer hat den 6.3.2020 als Termin für die öffentliche Verkündung vorgeschlagen?

10)  Haben Sie als zuständiger Gesundheitsminister schon davor versucht, weiterreichende Maßnahmen zumindest für Tirol zu verkünden?

a.     Falls ja, woran scheiterten diese Vorschläge?

b.     Falls nein, aus welchem Grund nicht?

11)  Wann haben Sie die Meldungen von ausländischen Behörden über Corona-Verdachtsfälle mit Ursprung in Ischgl/Tirol erhalten?

12)  Sind diese in Ihrem oder einem anderen Ressort eingelangt?

13)  Wann wurden Sie an die Tiroler Gesundheitsbehörden weitergeleitet?

14)  Wurde durch den Bundeskanzler, den Tiroler Landeshauptmann oder den Tiroler Gesundheitslandesrat Ihnen gegenüber jemals eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Tiroler Seilbahnwirtschaft eingemahnt?



[1]   https://www.sueddeutsche.de/politik/ischgl-coronavirus-tirol-1.4855289

[2]   https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_87525436/tid_amp/coronavirus-von-ischgl-verbreitete-sich-covid-19-in-ganz-europa.html?__twitter_impression=true

[3]   https://m.focus.de/politik/ausland/oesterreichs-behoerden-haben-gepennt-viren-partv-in-ischgl-der-grosse-fehler-des-corona-kanzlers-kurz_id_11779833.html