13472/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.12.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Rolle des BMEIA beim Schengen Veto gegen Rumänien

 

Nach jahrelanger Vorbereitung stand dieses Monat die Erweiterung des Schengenraums durch Kroatien, Bulgarien und Rumänien an. Österreichs Innenminister Gerhard Karner kündigte zuerst ein Veto gegen alle drei Staaten an, wurde dann aber von Bundeskanzler Karl Nehammer im Falle des von Österreicher:innen stark frequentierten Urlaubslandes Kroaten korrigiert. Gegen Bulgarien stimmten am Ende die Niederlande und Österreich. Bei Rumänien stellten die Niederlande klar, dass sie kein Veto eingelegt hätten; Österreich war am Ende mit seinem Veto alleine, und blockierte den gemeinsamen Willen der anderen 26 EU Staaten.

Bundesminister Schallenberg sprach nach der Entscheidung davon, dass es sich beim Veto nicht um eine Bewertung der Leistungen Bulgariens und Rumäniens, sondern um einen "Hilferuf" in Sachen Migrationspolitik an Brüssel handle. Rumänien wurde also für nicht von Rumänien geschaffene Probleme von Österreich abgestraft, im krassen Gegensatz zu Österreichs artikulierter Politik, sachlich auf die Erfüllung von Kriterien mit den entsprechenden Verbesserungen zu reagieren. 

"Beitrittsverhandlungen sollen ohne Verzögerungen eröffnet bzw. vorangetrieben werden, wenn die entsprechenden Kriterien durch die jeweiligen Staaten erfüllt sind." (Regierungsprogramm)

Dieses Veto durch den Innenminister entspricht nicht den politischen Vorgaben des BMEIA, das sich gerade am Balkan regelmäßig für einen rechtsstaatlichen Mechanismus ausspricht, in dessen Rahmen die Erfüllung von vorgegebenen Kriterien dann auch zwingend mit den vorgesehenen Besserstellungen einhergehen müssen. Eine Abkehr von diesem tit-for-tat Prinzip würde Staaten – sowie deren Bevölkerungen – an Europas Glaubwürdigkeit zweifeln lassen und sie infolge für Avancen durch Systemrivalen, wie Russland, China, Saudi Arabien, die Türkei et al., öffnen.

Ein Veto entspricht auch nicht der von Österreich gewünschten Aufwertung der Europäischen Union in außenpolitischen Fragen. Weiters hat sich Österreich im Regierungsprogramm klar und deutlich zu einer Aufwertung der Außengrenzen und einer deutlichen Haltung gegenüber Staaten, die europäische Regelungen gegen Schlepperei und illegale Migration nicht verhindern, bekannt.

"Die Länder an der EU-Außengrenze haben sich entsprechende Unterstützung der EU und ihrer Mitgliedstaaten beim Schutz und der Kontrolle der Außengrenze verdient; es braucht wirksame Sanktionen für Mitgliedstaaten, die das Dublin-Abkommen brechen, indem sie illegale Migration nach Mitteleuropa zulassen und nicht gegen Schlepperei vorgehen." (Regierungsprogramm)

Dieses Bekenntnis würde also eine Unterstützung Rumäniens, das seit Jahren beflissen reformiert, und Sanktionen gegen Ungarn, das Migrant:innen illegalerweise nach Österreich durchwinkt, verlangen. Stattdessen verbrüdert sich die österreichische Regierung mit den Problemstaaten und deren autoritären Führern, stößt dem Verbündeten und Freund Rumänien aber vor den Kopf. 

Österreichs Ansehen im Ausland hat, den Aussagen von Minister Schallenberg zum Trotz, gelitten. Die Verurteilung war breit gestreut und laut. So appellierte z.B. Annalena Baerbock "besonders an Österreich, das Nein gegenüber Rumänien und Bulgarien noch einmal zu überdenken." Nach dem Veto meldet die österreichische Wirtschaft schwere Bedenken an, insbesondere die Erste Group und die OMV. Österreich wird als Spaltpilz Europas bezeichnet. (Quelle: Der Standard: "Ein Njet mit Folgen" 17./18. Dezember 2022). 

Die Entscheidung, ein Veto einzulegen, wird als parteipolitisch motiviert kritisiert. Rumänien legt glaubhaft dar, dass es bis zum plötzlichen Schwenk durch Innenminister Karner keine Anzeichen für ein österreichisches Veto gegeben hatte. So wurde in den zuständigen Arbeitsgruppen in Brüssel die Schengen-Erweiterung im September dieses Jahres  intensiv diskutiert. Es gibt keine Vermerke von österreichischen Bedenken gegen Rumänien. Die EU-Expertengruppe kommt zum Schluss, dass Rumänien und Bulgarien alle Kriterien für eine Aufnahme erfüllen. Kurz danach wird eine Umfrage zur Niederösterreich-Wahl publik, die die ÖPV bei 38% verortet. Dann gibt Karner ein Interview im Kurier, in dem er Vetos gegen alle drei Beitrittskandidaten ankündigt. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Inwiefern war das BMEIA in die Entscheidungsfindung des Innenministers eingebunden, nach jahrelanger Zustimmung ein Veto gegen alle drei Mitgliedskandidaten einzulegen? 
  2. Wann und zu welchem Anlass (Ministerrat? Anderer?) wurde das BMEIA von der Entscheidung des BMI in Kenntnis gesetzt, die Beitritte der drei Kandidatenstaaten Kroatien, Bulgarien und Rumänien zu blockieren? Hatte das BMEIA ausreichend Zeit, die Botschaften und Wirtschaftsvertretungen um Stellungnahmen zu bitten?
  3. Welche neuen Sachverhalte wurden der österreichischen Bundesregierung zwischen dem 15. November (Salzburg Forum in Bukarest mit Zustimmung) und dem 18. November (Ablehnung durch den Innenminister) bekannt?
  4. EU-Agenden werden im Bundeskanzleramt durch die Bundesministerin für EU und Verfassung, sowie im Bundesministerium für Internationale und Europäische Angelegenheiten koordiniert. (Österreichische Unternehmen im Ausland haben kein Ministerium, das ihre Interessen direkt wahrnimmt – Wirtschaftsstandort bezieht sich auf den Standort Österreich, nicht österreichische Unternehmen im Ausland.) Welche Treffen gab es zu Koordinierung der Veto Entscheidung?
    1. Wann fanden diese Treffen statt?
    2. Wer nahm an diesen Treffen teil? 
  1.  Welche Argumente für und wider die Entscheidung brachte das BMEIA vor?

 

                                          i.    Wurde das Rechtsstaatlichkeitsprinzip (konsequente Reaktion auf Erfüllung aller Kriterien) vorgebracht? Wenn ja, was war die Reaktion des Innenministeriums?

                                        ii.    Hat das BMEIA auf die mehreren Diskussionen zwischen Vertretern des BMEIA (z.B. Launsky-Tieffenthal) und rumänischen Beamten und Diplomat:innen hingewiesen, in denen die österreichische Unterstützung für Rumäniens Beitritt bekundet wurde? Wenn ja, was war die Reaktion des Innenministeriums?

                                       iii.    Hat das BMEIA auf die wirtschaftlichen Verknüpfungen und die wahrscheinlichen negativen Auswirkungen eines Vetos hingewiesen? Wenn ja, was war die Reaktion des Innenministeriums?

  1. Inwiefern war das BMEIA in die Entscheidung eingebunden, gegen Kroatien letztendlich doch kein Veto einzulegen?
    1. Gab es für diese Kehrtwendung andere Gründe als die kolportierten Erleichterungen für österreichische Tourist:innen im Sommerurlaubsverkehr? Wenn ja, welche?
  1. Rumänien (wie auch Bulgarien) hat die Kriterien für einen Beitritt erfüllt; das Veto des BMI widerspricht damit einem Grundprinzip im Regierungsprogramm und der Politik des BMEIA. Hat das BMEIA auf diese Probleme hingewiesen? Wenn nein, warum nicht?
  2. Wann wird es zu einer Neuevaluierung der Entscheidung gegen Rumänien kommen?
  3. Inwieweit war das BMEIA in die Terminsetzung für den EU-Sondergipfel zur Migrationsfrage eingebunden?
  4. Rumänien hat seinen Botschafter als Reaktion auf das Veto abgezogen. Ist Außenminister Schallenberg mit seinem rumänischen Kollegen im Austausch betreffend der Rückkehr des Botschafters nach Wien?
  5. Wurde die österreichische Botschaft in Bukarest in die Entscheidungsfindung eingebunden?
    1. Wenn ja, wann fanden mit wem Gespräche statt?
    2. Wenn ja, welche Empfehlungen gab die Botschaft ab?
    3. Wenn nein, warum wurde eine derartige Entscheidung ohne Einbindung der österreichischen Vertretung vor Ort getroffen?
  1. Wurde die österreichische Handelsdelegation in die Entscheidungsfindung eingebunden? 
    1. Wenn ja, wann fanden Gespräche mit wem statt?
    2. Wenn ja, welche Empfehlung gab die Handelsdelegation ab?
    3. Wenn nein, warum wurde eine derartige Entscheidung ohne Einbindung der österreichischen Handelsdelegation vor Ort getroffen?
  1. Gibt es bereits Absagen in Kunst- und Kulturkooperationen zwischen Österreich und Rumänien? Bitte um Auflistung.
  2. Welche Maßnahmen setzt das Außenministerium zur Unterstützung österreichischer Unternehmen in Rumänien und Bulgarien, die sich aufgrund der österreichischen Entscheidung zur Schengen-Erweiterung nun mit diskriminierenden Maßnahmen konfrontiert sehen? 
  3. Welche Position nimmt das BMEIA gegenüber Ungarn ein, durch dessen Staatsgebiet im Gegensatz zu Rumänien tatsächlich zehntausende unregistrierte Migrant:innen Österreich erreichen?
  4. Der Bundeskanzler wollte am 16.12. nach Bukarest reisen. Diese Reise wurde plötzlich abgesagt. Welche Gründe wurden der rumänischen Regierung übermittelt?