13477/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.01.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Patientenverfügungen in Österreich
Ein Jahr nach der Einführung des neuen Sterbeverfügungsgesetzes wurde erstmals Bilanz gezogen. 110 Personen haben bis Ende 2022 eine Sterbeverfügung errichtet (1), im zweite Halbjahr wurde dieses Instrument also stärker benutzt, als bei einer ersten Zwischenbilanz anzunehmen war (2). Wie die Zahlen aber auch zeigen, haben zumindest im ersten Jahr viele Personen eine Sterbeverfügung eher für den Bedarf eingerichtet. Immerhin haben sich nicht alle Betroffenen ein tödliches Präparat abgeholt, nur ein Elftel der Personen mit Sterbeverfügung hat tatsächlich den assistierten Suizid vollzogen (1).
Oft geht es nur um Vorbereitung für den Fall der Fälle. Als Instrument für genau solche Fälle, in denen es keine eigene Entscheidungsgewalt mehr gibt und es wichtig ist, auf schwierige Entscheidungen vorbereitet zu sein, sollte eigentlich aber auch schon eine Patientenverfügung als Anleitung helfen. So sind auch bei Sterbeverfügungen wohl viele Betroffene aufgrund ihres Krankheitsbildes in Palliativbehandlung, wer sich aktiv für Sterbehilfe entscheiden kann, muss dies aber mit langen Vorlaufzeiten machen.
In einigen Fällen kann mit einer Sterbeverfügung bei bestimmten Krankheiten vorgesorgt werden, in vielen anderen, ist es allerdings wohl für Patient:innen wohl besser, mittels einer Patientenverfügung auf alle Fälle vorbereitet zu sein und beispielsweise die Durchführung von lebenserhaltenden Maßnahmen zu untersagen. Zu Patientenverfügungen gibt es regulär aber nur wenige Statistiken, so haben beispielsweise Patientenanwaltschaften jährliche Informationen über neue Verfügungen - einen vollständigen Überblick, wie viele aufrechte Patientenverfügungen es in Österreich gibt und wie viele jährlich erstellt werden, gibt es aber nicht. Erhebungen sprechen von rund acht Prozent, die in Befragungen angeben, eine Patientenverfügung errichtet zu haben (3).
Selbst mit angedachten Weiterentwicklungen, wie der Einbindung von Patientenverfügungen an ELGA (4), wird sich der Informationsstand nicht so leicht verbessern. Immerhin werden die bereits existenten Patientenverfügungen - soweit bekannt ist - nicht automatisch in ELGA nachgetragen, ebenso scheinen die Abfragen durch Krankenhäuser auf einem sehr niedrigen Niveau zu liegen (5). Dementsprechend müssen Patient:innen mit einer bereits aufrechten Patientenverfügung im Prinzip immer selbst mitteilen, dass es eine Patientenverfügung gibt. Eine Verpflichtung seitens eine:r Ärzt:in, eines Krankenhauses oder gar einer Rettungsleitstelle, nach einer Patientenverfügung zu suchen, gibt es ja nicht. Selbst wenn erst während eines Krankenhausaufenthaltes beispielsweise in Folge einer Operation eine Situation entsteht, die die Informationen einer Patientenverfügung relevant machen würden, gibt es keine Notwendigkeit seitens eines Krankenhauses, nach einer solchen Verfügung zu suchen. Bis beispielsweise Verwandte derartige Unterlagen nachreichen, können medizinische Hilfestellungen aber schon durchgeführt sein, sodass der festgehaltene Patientenwunsch gar nicht mehr erfüllt werden kann. In solchen Fällen kann es sogar zu Haftungsstreitigkeiten kommen, sodass weder Ärzt:in noch Patient:in einen Vorteil von einer Patientenverfügung hätten.
Nachdem diese Einschränkungen der breiten Bevölkerung aber wenig bekannt sind und auch die Aufklärung über technische Komplikationen im Hintergrund nicht wirklich gegeben ist, kann es kaum verwunderlich sein, dass Patientenverfügungen nach wie vor nur eingeschränkt genutzt werden. Um diesen potenziellen Reformbedarf aber tatsächlich abschätzen zu können, muss die bisherige Nutzung von Patientenverfügungen und auch durch abrufende Stellen, hinterfragt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie viele Personen haben bisher eine Patientenverfügung errichtet? (Bitte um Angabe nach Bundesländern und Register, in dem diese hinterlegt sind, sowie Angabe nach verbindlichen und anderen Patientenverfügungen)
2. Wie viele Beratungen zur Errichtung einer Patientenverfügung wurden in den vergangenen fünf Jahren durchgeführt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, durchführender Stelle und Jahr, sowie Angabe nach verbindlichen und anderen Patientenverfügungen)
3. Wie viele Patientenverfügungen wurden in den vergangenen fünf Jahren errichtet? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, eintragender Stelle und Jahr, sowie Angabe nach verbindlichen und anderen Patientenverfügungen)
4. Wie viele Patientenverfügungen wurden in den fünf vergangenen Jahren erneuert? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, durchführender Stelle und Jahr, sowie Angabe nach verbindlichen und anderen Patientenverfügungen)
5. Wie viele Patientenverfügungen wurden in den fünf vergangenen Jahren widerrufen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, durchführender Stelle und Jahr, sowie Angabe nach verbindlichen und anderen Patientenverfügungen)
6. Kann sichergestellt werden, ob oder inwiefern die Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats und der österreichischen Rechtsanwälte deckungsgleich sind?
a. Falls ja: Wie?
b. Falls nein: Warum nicht?
7. Wie oft haben Krankenhäuser in den vergangenen fünf Jahren auf Patientenverfügungsregister zugegriffen und Abfragen durchgeführt/durchführen lassen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr)
a. Wie viele Spitalsaufnahmen gab es in diesen fünf Jahren? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr)
8. Wie viele Personen haben bisher bei den Patientenanwaltschaften Beschwerde eingereicht, dass Patientenverfügungen durch Ärzt:innen nicht beachtet wurden? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr)
a. In wie vielen dieser Fälle handelte es sich um medizinische Situationen, in denen Ärzt:innen Patientenverfügungen rechtlich gerechtfertigter Weise übergingen?
b. In wie vielen dieser Fälle waren Ärzt:innen durch Patient:innen oder Angehörige auf Patientenverfügungen hingewiesen worden?
c. In wie vielen dieser Fälle kam es zur Einleitung von Rechtsverfahren?
9. Warum sollen vorhandene Patientenverfügungen nach Schaffung der Möglichkeit nicht automatisch in die Infrastruktur von ELGA übernommen werden?
10. Welche Möglichkeiten wird es für Patient:innen geben, Patientenverfügungen in ELGA nachtragen zu lassen?
11. Wird dafür bei aufrechten Patientenverfügungen eine neuerliche Gebühr anfallen?
a. Falls ja: Warum und mit welcher Begründung werden Patient:innen dazu gezwungen, für die Eintragung mehrfach zu zahlen?
12. Soll es durch die Einbindung in ELGA und damit leichtere Abfrage für Krankenhäuser in Zukunft eine erweiterte Abfragepflicht für Krankenhauspersonal geben?
13. Welche konkreten Anpassungen des Patientenverfügungs-Gesetzes sowie des Gesundheitstelematikgesetzes sind zur Umsetzung von Patientenverfügungen als eHealth-Anwendung bisher geplant und bis wann kann mit einer Vorlage an das Parlament gerechnet werden?
14. Mit August 2023 soll der Pilotbetrieb für Patientenverfügungen in ELGA beginnen. Nach welchen Kriterien wurden/werden Patient:innen, Regionen o.Ä. für die Teilnahme am Pilotbetrieb ausgesucht und in welchem Rahmen wird dieser Pilotbetrieb stattfinden?
15. Bis wann ist mit einem flächendeckenden Betrieb von Patientenverfügungen in ELGA zu rechnen?