13535/J XXVII. GP
Eingelangt am 17.01.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend Abweichende Position des BMLV zur Unterstützung der Ukraine
In einem Welt-Interview meint Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, "einige EU-Staaten" seien der Ansicht, dass die Ukraine als souveräner Staat allein darüber entscheiden solle, wann verhandelt werde und was das Ziel dieser Verhandlungen sein solle. Man könne aber auch sagen, so die Ministerin, dass der Westen, der die Ukraine seit Monaten mit Geld und Waffen unterstützt, gemeinsam mit der ukrainischen Regierung entscheiden müsse, wann die Grenze dieses Krieges erreicht ist und wann es Sinn macht, in einem geeigneten Format mit Verhandlungen zu beginnen. (Die Definition eine souveränen Staates würde genau das verlangen – dass er selbst entscheidet, ob er sich gegen einen unprovozierten Angriff verteidigt, ohne sich von angeblich gleichgesinnten souveränen Staaten in einen Gebietsabtausch drängen zu lassen.)
Auch sagte die Verteidigungsministerin, man dürfe "in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass die hohen Energiepreise, die eine Folge von Putins brutalem Angriffskrieg gegen die Ukraine sind, von den Menschen im Westen zunehmend als Belastung empfunden werden könnten." Damit widerspricht sie direkt Außenminister Schallenberg, der immer wieder betont, dass der Anstieg der Energiepreise bereits vor Kriegsbeginn begann und dass der Krieg nur einen "Brandbeschleuniger" darstellt – auch weil es auf Strom und Gas überhaupt keine Sanktionen gibt, und im Falle des Ölpreises, dieser mit Einführung von Sanktionen bereits unter das Niveau zu Kriegsbeginn zurückgefallen ist. Strom- und Gaspreise sind während des Krieges rasant angestiegen, dann aber ebenfalls wieder auf etwa Kriegsbeginn-Niveau gesunken.
Österreich gehört – oder gehörte, bis zu diesem Interview – zu diesen „einigen Staaten“ die die Souveränität der Ukraine anerkennen.
Die österreichische Position zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist seit dem 24. Februar 2022 konsistent und klar. Österreich verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf einen Nachbarn, dessen Grenzen bis zum ersten Angriff auf die Krim 2014 außer Disput standen und von Russland sogar explizit garantiert wurden. Österreich unterstützt, im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Limitierungen, die internationale Koalition der Staaten, die die Ukraine in ihrer Verteidigung unterstützen. Sowohl Außenminister Alexander Schallenberg als auch Bundeskanzler Karl Nehammer (seines Zeichens ein Leutnant des österreichischen Bundesheeres) haben wiederholt und unmissverständlich klargestellt, dass die Ukraine das Recht hat, sich zu verteidigen, und auch nicht nur für ihr eigenes Überleben kämpft, sondern auch an der Außengrenze eines freien Europa für die Werte und die Freiheiten der liberalen Welt, die wir im Westen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Normalsituation ansehen, ficht.
So hat Außenminister Schallenberg wiederholt festgestellt, dass ein Riss in der Front gegen Russlands Diktator Wladimir Putin die Position der Ukraine schwächen würde. Die Ukraine weiß, dass sie ohne internationale Unterstützung der viel größeren russischen Armee nicht widerstehen kann und müsste daher aus einer Position der Schwäche über einen Waffenstillstand oder Frieden verhandeln. Sowohl Außenminister Schallenberg als auch Bundeskanzler Nehammer betonen, dass die Ukraine als überfallenes Land aus verschiedenen Gründen nicht unter Druck gesetzt werden dürfe, einen Waffenstillstand zu verhandeln. Denn die Verhandlungsposition der Ukraine ist umso stärker, je höher der militärische Druck auf Russlands Militär und der politische Druck auf das Regime ist – sie schwindet wenn sie sich der Unterstützung der Wertepartner in der freien Welt nicht sicher sein kann.
Ein der Ukraine aufoktroyierter Waffenstillstand würde Putin nur Zeit verschaffen, seine immer noch geltenden Kriegsziele, die Zerstörung der Ukraine als Staat und eigenständige Kultur, nach einer Pause zum Wiederaufbau seiner dezimierten militärischen Kräfte weiterzuverfolgen. Ein derartiger Waffenstillstand wäre also ein eklatanter militärstrategischer Fehltritt. Um einen Waffenstillstand überhaupt sinnvoll ausgestalten zu können, müssten Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausgehandelt und glaubwürdig international implementiert werden. Immerhin hat Putin die Ukraine auf der Krim auch 2014 bereits angegriffen, obwohl Russland nicht nur die ukrainischen Grenzen anerkannt, sondern sich sogar im Budapester Memorandum von 1994 als Schutzmacht deklariert hatte. Ein Waffenstillstand ohne internationale, militärische Garantien wäre also nur eine strategische Pause zur Vorbereitung von Putins nächster Aggression.
Auch bleibt unklar, ob die ukrainische Bevölkerung nach fast einem Jahr eines Krieges, in dem sie massiven Bombardements, Menschenrechtsverletzungen, Morden und Kriegsverbrechen ausgesetzt war, einen Verhandlungsversuch der eigenen Regierung überhaupt akzeptieren würde. (Belege für gezielte Ermordungen von Ziviliste:innen in Butscha findet man hier: https://www.nytimes.com/2022/12/22/video/russia-ukraine-bucha-massacre-takeaways.html) Eine interne Revolte bei gleichzeitigen Angriffen durch Russland könnte an der Grenze der EU einen failed state, Massenmigration, Spaltung, Revolution, Partisanenkrieg und Terrorismus erschaffen, und all das keine 800 km per Auto von Wien entfernt, und getrennt nur durch einen unzuverlässigen EU-Partnerstaat, der Flüchtlinge traditionell durchwinkt und sich als Putin-Versteher erweist – Ungarn.
Vor diesem Hintergrund scheint die Koalition der freien Welt, die die Ukraine in ihrem Kampf gegen den Aggressor in ihrer Entscheidung, ihr Land, ihre Freiheit und ihr Überleben zu verteidigen, auch im europäischen – und österreichischen – Eigeninteresse zu sein.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende