1358/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Mag. Christian Drobits
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend medizinische Sachverständige
Für Gutachten existiert in Österreich ein sehr breites Spektrum: zur Feststellung der Leistungsfähigkeit im Pensionsverfahren, um Pflegegeld zu erhalten, zur Bemessung von Leistungen nach Unfällen, um eine Kur oder Rehabilitation in Anspruch zu nehmen, aber auch bei Gericht in Straf- und Zivilrechtsprozessen. Jährlich werden Medienberichten zufolge rund 500.000 Gutachten erstellt.
Das Ärztegesetz (§ 2 Abs. 3) sieht vor, daß jeder zur selbstständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt befugt ist, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
Gutachter in Gerichtsverfahren müssen in die Liste der gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen eingetragen sein, was eine zumindest 5-jährige Berufserfahrung und Absolvierung einer Gutachterprüfung voraussetzt.
Gutachter zur Begutachtung nach dem Bundespflegegeldgesetz müssen durch die Österreichische Akademie für ärztliche und pflegerische Begutachtung (ÖBAK) zertifiziert sein.
Medizinische Sachverständige werden u.a. von Sozialversicherungsträgern, Gerichten und Behörden beauftragt, um zu Fragen des Gesundheitszustandes von LeistungswerberInnen Stellung zu nehmen. Diese medizinischen Gutachten sind die Basis gerichtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Entscheidungen und haben auch vielfach gravierende Folgen für das Leben des/der Begutachteten.
Mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 wurde ein „Kompetenzzentrum Begutachtung" als einheitliche Begutachtungsstelle eingerichtet. Den Pensionsversicherungsträgern obliegt gemeinsam mit der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter auf der Basis eines gemeinnützigen Vereines der Aufbau und Betrieb einer Akademie für ärztliche und pflegerische Begutachtung, um auf diese Weise eine qualitativ hoch stehende Ausbildung der GutachterInnen auf dem Gebiet der geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) und des Pflegegeldes sicherzustellen. Mit 1.1.2014 wurde die Österreichische Akademie für ärztliche und pflegerische Begutachtung (ÖBAK) errichtet. Diese bietet Aus- und Weiterbildungslehrgänge für ÄrztInnen sowie Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege an, die im Rahmen des österreichischen Systems der Sozialen Sicherheit mit einer ärztlichen oder pflegerischen Beurteilung des Pflegebedarfes oder einer ärztlichen Beurteilung des Gesundheitszustandes befaßt sind (oder sich für diese Tätigkeit bei einem der beteiligten Sozialversicherungsträger bewerben wollen). Die Lehrgänge der ÖBAK sollen eine österreichweit einheitliche Ausbildung gewährleisten; es werden Zertifizierungen und Rezertifizierungen angeboten.
Dennoch gibt es immer wieder Beschwerden über die Qualität der medizinischen Begutachtung bei den Pflegegeld- und Pensionsbegutachtungen. Wie eine Befragung der Arbeiterkammer Oberösterreich aus 2019 aufzeigt, sind auch falsche Gutachten keine Seltenheit: viele Untersuchten fühlen sich demnach schlecht behandelt, weil die Ärzte respektlos und desinteressiert seien und sich kaum mit den gesundheitlichen Problemen der Antragsteller befassen würden. Massiv einschüchternd, unfreundlich und herablassend, vorgelegte Befunde ignorierend, so werden viele der medizinischen Gutachter in der Umfrage beschrieben. Die Gutachter würden sich viel zu wenig Zeit nehmen: mehr als ein Drittel der Untersuchungen durch PVA-Sachverständige dauerten maximal 15 Minuten.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Wie viele medizinische Gutachter waren 2018 und 2019 für die einzelnen Sozialversicherungsträger tätig? (bitte nach Trägern und Jahren und Bundesländern gegliedert anführen)
2. Wie viele medizinische Gutachter waren dabei 2018 und 2019 bei den einzelnen Sozialversicherungsträgern angestellt und wie viele Gutachten wurden über Werkverträge zugekauft?
3. Wie viele medizinische Gutachten wurden 2018 und 2019 erstellt bzw. wie viele medizinische Begutachtungen wurden durchgeführt? Wie viele davon führten zu positiven Ergebnissen, wie viele Anträge wurden abgelehnt?
4. Welche Kosten wurden für medizinische Gutachten 2018 und 2019 aufgewendet (bitte nach Bundesländern gegliedert anführen)?
5. Was kostet eine beauftragte medizinische Begutachtung im Durchschnitt?
6. Im Bereich der Pensionsbegutachtung endete die Frist für die erstmalige Zertifizierung bei der ÖBAK mit 30.06.2019 (Gutachtertätigkeit für einen Sozialversicherungsträger nach dem 31.12.2017 begonnen). Verfügen alle medizinischen GutachterInnen im Bereich der Pensionsbegutachtung bereits über diese Zertifizierung? Wenn nein, welche Sanktionen wurden gesetzt bzw. gibt es?
7. Wie hoch ist der Anteil an medizinischen GutachterInnen in der Pensionsversicherung, die für einen Sozialversicherungsträger bereits vor dem 01.01.2018 tätig waren und nun zur Aufrechterhaltung der Gutachtertätigkeit eine verpflichtende Rezertifizierung bis zum 31.12.2020 durchführen müssen?
8. Gibt/gab es Fälle, in denen bei medizinischen Gutachtern keine Rezertifizierung erfolgte? Wenn ja, wie viele und was waren die Gründe dafür?
9. Die Lehrgänge zur Zertifizierung/Rezertifizierung im Bereich der Pensionsbegutachtung und des Pflegegeldes sind laut Homepage der ÖBAK eintägige Veranstaltungen. Hat sich aus Sicht Ihres Ressorts die Dauer der Lehrgänge als ausreichend erwiesen?
10.Gibt es ein darüber hinausgehendes speziell auf das Gutachterwesen ausgerichtetes Fortbildungsangebot? Wenn ja, welches?
11.ln welcher Form wird die Qualität der sozialversicherungsrechtlichen Gutachten kontrolliert und welche Maßnahmen werden zur Qualitätssicherung gesetzt?
12.“Das Verhalten des Gutachters der zu untersuchenden Person gegenüber soll dem Dienstleistungsgedanken Rechnung tragen und von sozialer Kompetenz geprägt sein" (Gutachterfibel Bundespflegegeld, ÖBAK). Dennoch beklagen zahlreiche LeistungswerberInnen, daß vorgelegte aktuelle Befunde teilweise nicht beachtet werden, medizinische Gutachter respektlos und desinteressiert agieren und sich sehr wenig Zeit für die Untersuchung nehmen. Auch würden die LeistungswerberInnen nicht immer über das Resultat der Untersuchung informiert und Begleitpersonen bei der Untersuchung würden nicht zugelassen. Welche Maßnahmen wären aus Sicht Ihres Ressorts zu setzen, um den respektvollen Umgang mit Antragstellern/-innen für Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen und PfIegegeld im Rahmen der Begutachtungen sicherzustellen?
13.lst eine Evaluierung des Systems „Kompetenzzentrum Begutachtung" geplant?
14.Sind durch die Strukturreform in der Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG)) Änderungen im Bereich der medizinischen Gutachter zu erwarten und wenn ja, welche?
15.Gibt es eine Dokumentation zu Beschwerden über medizinische GutachterInnen? Wenn ja, ist diese öffentlich einsehbar? Liegen Ihnen darüber Berichte von Volksanwaltschaften oder Patientenanwaltschaften vor?