1359/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits

und Genossinnen

an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend

betreffend Krebserkrankungen

 

Krebserkrankungen sind die Ursache jedes vierten Todesfalls; 2016 starben in der EU 1,2 Millionen Menschen durch bösartige Gewebeneubildungen, Tumore und Lymphome (Eurostat). Die EU-weit niedrigsten Todesraten durch Krebserkrankungen sind in nordischen Ländern wie Finnland und Schweden und in den Mittelmeerländern wie Zypern, Malta und Spanien zu verzeichnen. Österreich liegt mit 237 Krebstoten pro 100.000 Einwohnern laut Eurostat knapp danach.

Nach Herz-/Kreislauferkrankungen ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Österreich. In Österreich leben rund 400.000 Personen mit einer Krebsdiagnose. Laut Statistik Austria erkranken in Österreich jährlich etwa 40.000 Menschen an Krebs, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Im Jahr 2017 wurden in Österreich bei 41.398 Menschen Krebsneuerkrankungen dokumentiert; eine Krebserkrankung führte bei 10.933 Männern und 9215 Frauen zum Tod. Damit stehen Krebserkrankungen mit einem Viertel der jährlichen Todesfälle in ursächlichem Zusammenhang. Angesichts der Tatsache, daß diese Erkrankungen überwiegend im höheren Alter auftreten, wird wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung die Bedeutung der Krebserkrankungen bei der Beschreibung des Gesundheitszustandes und bei der Planung der Gesundheitsversorgung auch in Zukunft weiter zunehmen.

Die WHO geht in ihren Prognosen von Verdoppelung der weltweiten Krebsfälle bis 2040 aus; Ursachen dafür sind die wachsende und älter werdende Weltbevölkerung, aber auch "Lebensstilfaktoren". Krebs zu überleben ist auch eine Frage des Wohlstands (IARC/WHO). Sowohl Betroffene in ärmeren Ländern als auch ärmere Bevölkerungsschichten in reichen Ländern hätten geringere Überlebenschancen. Nach Angaben der Direktorin der Internationalen Agentur für Krebsforschung, Elisabete Weiderpass, führten Verbesserungen bei der Krebsbehandlung in den reichen Ländern im Zeitraum zwischen 2000 und 2015 zu einem 20-prozentigen Rückgang der Rate von Todesfällen. In den ärmeren Ländern sei hingegen nur eine fünfprozentige Verringerung erreicht worden. Offensichtlich profitieren Krebspatienten nicht gleichermaßen von den Therapie-Verbesserungen.

Die Diagnose Krebs kann jeden/jede treffen und hat weitreichende Konsequenzen. Neben der Frage nach der optimalen Therapie, um die Erkrankung zu überleben, hat Krebs auch weitreichende soziale und wirtschaftliche Folgen. Viele Patientlnnen erleiden finanzielle Einbußen mit Krankheitsbeginn, nicht wenige verlieren durch die Erkrankung ihren Job und rutschen in die finanzielle Unsicherheit ab.

 

Krebs ist mittlerweile die häufigste durch Arbeit verursachte Todesart und für jeden zweiten arbeitsbedingten Todesfall verantwortlich. Laut einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts ETUI - gefördert von der Europäischen Union- sterben in der EU jährlich mehr als 100.000 Menschen an einer durch Arbeit verursachten Krebserkrankung. In Österreich sterben pro Jahr 1.820 Menschen an arbeitsbedingten Krebserkrankungen (ÖGB). Verantwortlich dafür sind chemische Arbeitsstoffe, physikalische Einwirkungen und biologische Arbeitsstoffe sowie andere möglicherweise krebserregende Arbeitsbedingungen wie z. B. Schichtarbeit und Nachtarbeit.

 

Die Einführung risikobasierter Grenzwerte ist in Österreich längst überfällig; ihr Fehlen erhöht das Risiko einer Krebserkrankung durch Arbeit in einigen Sektoren stark. Deutschland und die Niederlande haben bereits risikobasierte Grenzwerte; dadurch werden transparente Risikobewertung, ein höherer Präventionsschutz und die Risikobegrenzung für arbeitsbedingte Krebserkrankungen erleichtert. Bis zur Umsetzung risikobasierter Grenzwerte in der Grenzwerteverordnung sollte für Karzinogene zumindest das mit dem TRK-Wert (Technischen Richtkonzentrationen) verknüpfte Krebsrisiko in der Grenzwerteverordnung angegeben werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend nachstehende

 

Anfrage

1.    Die Diagnose Krebs stellt das Leben der Betroffenen auf den Kopf. Vor allem für im Berufsleben stehende Menschen stellen sich zahlreiche Fragen wie zB werde ich meinen Arbeitsplatz behalten, wovon werde ich leben, wie schaffe ich den Wiedereinstieg nach einem möglicherweise längerem Krankenstand, etc. Liegen Ihrem Ressort Daten vor, wie viele Personen aufgrund einer Krebserkrankung 2018 und 2019 arbeitsunfähig waren (bitte nach Geschlechtern getrennt angeben)?

2.    Wie lange dauerten diese Krankenstände durchschnittlich (bitte nach Geschlechtern getrennt angeben)?

3.    Wie viele an Krebs erkrankte Personen bezogen 2019 Wiedereingliederungsgeld (bitte nach Geschlechtern getrennt angeben)?

4.    Wie viele an Krebs erkrankte Personen hatten 2018 und 2019 nach Ende des Krankengeldbezuges weder Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld noch auf Rehabilitationsgeld oder Mindestsicherung? Welche sozialen Netze sind für diese Betroffenen vorhanden?

5.    Besonders schlimm trifft die Diagnose Krebs junge Menschen, die sich noch in Ausbildung befinden und noch zuwenig oder keine Leistungsansprüche erworben haben. Wie viele Menschen sind in Österreich davon betroffen und welche sozialen Netze sind für diese Betroffenen vorhanden (bitte nach Geschlecht getrennt angeben)?

6.    Medienberichten zufolge betrugen die volkswirtschaftlichen Kosten für Krebserkrankungen in der EU im Jahr 2009 126,2 Milliarden Euro; für Österreich wurden Kosten von rund 2,6 Milliarden Euro berechnet. Liegen Ihrem Ressort aktuelle Zahlen zu den krebsbedingten Gesamtkosten sowie zum Produktivitätsverlust durch Krankenstände und frühe Todesfälle durch Krebs vor? Existieren aktuelle Daten, welche Position Österreich bei den volkswirtschaftlichen Kosten für Krebserkrankungen im EU-Vergleich einnimmt?

7.    Wie viele Unternehmen der Pharmaindustrie produzieren in Österreich Medikamente, die in der Krebstherapie Einsatz finden? Wie viel des bestehenden Bedarfs kann durch diese Produktion gedeckt werden? Wie viel der Medikamente zur Behandlung von Krebs müssen importiert werden?

8.    Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten sind schon länger ein Problem. Die Corona-Pandemie hat uns sehr klar die Probleme von in Drittländer ausgelagerter Produktion von medizinischen Artikeln und Medikamenten vor Augen geführt. Welche Initiativen plant ihr Ressort diesbezüglich? Gibt es Gespräche auf EU-Ebene, um das Problem der Lieferengpässe bei Medikamenten im allgemeinen und Krebsmedikamenten im speziellen zu lösen? Wenn ja, mit welchen Resultaten?

9.    Wie dem Bericht der Arbeitsinspektion 2017/2018 entnommen werden kann, wurde im Mai 2018 in Österreich die zweijährige EU-weite Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze - gefährliche Arbeitsstoffe erkennen und handhaben" gestartet. Ziel ist, das Bewußtsein tür gefährliche Arbeitsstoffe zu schärfen und eine Kultur der Risikoprävention in Europa zu fördern. Österreich setzte in dieser Kampagne den Schwerpunkt auf krebserzeugende Arbeitsstoffe. Wie viele Betriebe und ArbeitnehmerInnen wurden mit dieser Kampagne bisher erreicht (bei den Betrieben bitte nach Bundesländern und Branchen aufgeschlüsselt angeben)?

10. Ziel der Kampagne war auch, Wissenslücken bei Unternehmen bezüglich Verpflichtungen im Umgang mit gefährlichen Stoffen und den notwendigen Schutzmaßnahmen zu schließen. Liegen Ihrem Ressort Zahlen vor, in welchem Ausmaß dies gelungen ist?

11. Vielen ArbeitnehmerInnen ist vielfach nicht bewußt, daß krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet werden beziehungsweise, daß diese im Arbeitsprozeß entstehen. Inwieweit hat die Kampagne zur Bewußtseinsbildung beigetragen und welche weiterführenden Maßnahmen zum Schutz der ArbeitnehmerInnen vor gefährlichen Arbeitsstoffen werden gesetzt?

12. Gefahren durch krebserzeugende Stoffe werden oft übersehen - insbesondere in Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, wie etwa in Gesundheitsberufen oder im Reinigungsgewerbe. Gab bzw. gibt es spezielle Aktivitäten zur Prävention und Bewußtseinsbildung in diesen Branchen? Wenn ja, welche? Wenn nein, was ist diesbezüglich seitens ihres Ressorts geplant?

13. Welche Möglichkeiten der betrieblichen Krebsvorsorge (zB mit bezahlter Freizeit für Krebsvorsorgeuntersuchungen) bestehen in Österreich? Ist an entsprechende Anreizmodelle gedacht und wenn ja, in welcher Form?

14. Krebs ist mittlerweile die häufigste durch Arbeit verursachte Todesart und für jeden zweiten arbeitsbedingten Todesfall verantwortlich. Laut einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts ETUI - gefördert von der Europäischen Union - sterben in der EU jährlich mehr als 100.000 Menschen an einer durch Arbeit verursachten Krebserkrankung. In Österreich sterben pro Jahr 1.820 Menschen an arbeitsbedingten Krebserkrankungen (ÖGB). Die Einführung risikobasierter Grenzwerte ist in Österreich längst überfällig; ihr Fehlen erhöht das Risiko einer Krebserkrankung durch Arbeit in einigen Sektoren stark. Deutschland und die Niederlande haben bereits risikobasierte Grenzwerte eingeführt; dadurch ist auch für die ArbeitnehmerInnen eine transparente Risikobewertung möglich, was zu einem höheren Präventionsschutz und letztendlich zu einer Risikobegrenzung für arbeitsbedingte Krebserkrankungen beiträgt. Werden Sie sich für eine grundlegende Reform des Systems der Grenzwerte für krebserzeugende Substanzen am Arbeitsplatz mit risikobasierten Grenzwerten einsetzen?

15. Bis zur Umsetzung risikobasierter Grenzwerte sollte für Karzinogene das mit dem TRK-Wert verknüpfte Krebsrisiko in der Grenzwerteverordnung angegeben werden. Nur damit wird für ArbeitnehmerInnen in den Betrieben transparent, wie hoch ihr persönliches Risiko ist. Werden Sie sich für diese wesentliche Änderung im Sinne tausender ArbeitnehmerInnen in Österreich einsetzen?

16. Die bestehenden TRK-Werte für krebserzeugende Arbeitsstoffe sind veraltet und entsprechen teilweise nicht mehr dem Stand der Technik bzw. neuen medizinischen Kenntnissen. Werden Sie veranlassen, daß diese TRK-Werte für krebserzeugende Arbeitsstoffe nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft angepaßt und abgesenkt werden?

17. Welche Initiativen gibt es für 2020 und die Folgejahre für präventive Maßnahmen in Betrieben? Wie sind diese budgetiert?