Eingelangt am 20.01.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Ausschreitungen in Linz:
Aufklärung des Sachverhalts
In der Halloween-Nacht kam
es in Linz zu massiven Ausschreitungen - in der Linzer Innenstadt haben rund
200 Menschen, überwiegend Jugendliche, über mehrere Stunden
randaliert, Böller auf Menschen und auf die Oberleitungen der
Straßenbahn geschossen. In der Folge rückten rund 170
Einsatzkräfte der Polizei aus und versuchten die Randalierer:innen
abzudrängen. Der rund fünfstündige Einsatz führte zu neun
Festnahmen, zwei Polizisten wurden verletzt. Am nächsten Abend kam es
neuerlich zu – wenn auch deutlich kleineren –
Ausschreitungen. Laut Polizei warfen Jugendliche am Taubenmarkt
Böller auf Passant:innen. Als die Exekutive eintraf, flüchteten sie
aber und gingen – anders als zu Halloween – nicht auf
Konfrontation.
Leider kursierten sehr
schnell Fehlinformationen - auch in den Medien - zu den Ausschreitungen.1 In
der Halloween-Nacht wurde von 129 Personen die Identität erhoben, am Tag
darauf kam es zu 53 Identitätsfeststellungen. Doch noch vor fertiger
Auswertung begann eine Diskussionen rund um Asyl -
beispielsweise war in der Krone zu lesen, ein Großteil der Beteiligten
seien Asylwerber.2
Weiters war in den
OÖN zu lesen, dass laut Polizei "mehr als die Hälfte der 130
kontrollierten Personen aus Syrien und Afghanistan stammen". Auch ORF
online schrieb, dass es sich "vorwiegend um Jugendliche mit
afghanischem und syrischem Hintergrund" gehandelt habe. Die Krone und
die Kleine Zeitung berichteten darüber hinaus, dass "Tschetschenen
stark vertreten" gewesen seien.
Tatsächlich stellte
sich heraus, dass sich unter ihnen 6 Asylwerber befanden. Von 129
Personen wurde die Identität erhoben. Unter diesen befanden sich 28 Syrer, 14 Afghanen, jeweils vier
Personen aus dem Kosovo, Bosnien, Serbien, Rumänien und Nordmazedonien, 21
Personen mit anderen Nationalitäten und 46 österreichische
Staatsbürger. Sechs der Ausländer sind Asylwerber, 35 asylberechtigt,
24 besitzen einen Daueraufenthaltsstatus, sechs sind subsidiär
schutzberechtigt und zwölf haben die EU-Staatsbürgerschaft. Von 9 vorübergehend festgenommenen
Personen war nur ein einziger Asylberechtigter- dies aus Syrien.
Innenminister Karner
sprach sich unmittelbar darauf für eine "Ausschöpfung der
Härte des Gesetzes" und für die Aberkennung des
Schutzstatus für Flüchtlinge bis hin zur Abschiebung in ihre
Heimatländer aus - Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan
wolle man prüfen.3 Diese Äußerungen zeugen leider
von einem mangelnden Rechtsverständnis. Hierzu ein paar Fakten:
- Aberkennung des
Schutzstatus: Art 33 GFK
sieht vor, dass ein Flüchtling nicht in Gebiete aus- bzw.
zurückgewiesen wird, in denen sein Leben oder seine Freiheit aus
einem Konventionsgrund bedroht sei (Non-Refoulement-Gebot). Diesem
Grundprinzip werden in der darauffolgenden Ziffer der genannten Bestimmung
Schranken dahingehend gesetzt, dass Staaten nicht verpflichtet sind,
Personen in ihrem Staatsgebiet zu dulden, die aus schwerwiegenden
Gründen eine Gefahr für die Sicherheit des Landes oder die
Allgemeinheit darstellen. Mit der Ausnahmebestimmung des Art 33 Z 2
GFK hat sich der VwGH – mit Blick auf § 13 Abs 2 AsylG –
bereits in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288,
auseinandergesetzt. Der VwGH kam zum Ergebnis, dass kumulativ vier
Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Flüchtling
trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht
werden dürfe. Er müsse erstens ein besonders schweres
Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig
verurteilt worden sein, drittens gemeingefährlich sein und
viertens müssten die öffentlichen Interessen an der
Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen
des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Also: das
Thema Aberkennung ist rechtlich viel komplexer als dargestellt.
- Abschiebungen nach
einer Aberkennung: Im Falle
einer Aberkennung stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer
Rückkehrentscheidung. Ist die Abschiebung unzulässig (und aktuell sind Abschiebungen in Kriegsgebiete wie Syrien
oder Afghanistan sowohl rechtlich als auch praktisch unmöglich) hat eine Aberkennung als Folge, dass die Betroffenen
in der Duldung landen und daher in Österreich toleriert sind.4
Angesichts der zahlreichen Fehlinformationen
vonseiten der Medien und des Innenministeriums besteht ein hohes Interesse an
einer sachlichen Aufklärung des Sachverhalts.
- https://www.puls24.at/news/politik/randale-in-linz-innenminister-streut-bevoelkerung-sand-in-die-augen/280176
- https://www.derstandard.de/story/2000140446770/passanten-mit-boellern-beworfen-170-polizisten-zu-halloween-nacht-in
- https://www.derstandard.at/story/2000140535831/karner-will-nach-afghanistan-und-syrien-abschieben-kann-er-das
- https://www.blogasyl.at/2022/01/vwgh-ist-im-rahmen-der-aberkennung-des-status-des-asylberechtigten-wegen-straffaelligkeit-eine-gueterabwaegung-vorzunehmen-und-kann-nach-einer-aberkennung-eines-schutzstatus-gegen-den-fremden-dessen/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Zu welchem Zeitpunkt hat
die LPD Oberösterreich bzw. das BMI von den Ausschreitungen in
Linz erfahren?
- War der LPD
Oberösterreich bekannt, dass bereits einige Tage vor den
Ausschreitungen des 31.10. Absprachen in den sozialen
Medien getroffen wurden?
- Wenn
ja, wann und welche Maßnahmen wurden durch wen
in der Folge gesetzt?
i. Wenn keine: aus welchen Gründen wurden keine
bzw. nicht ausreichende Präventionsmaßnahmen gesetzt?
- Wenn nein, aus welchen
Gründen?
- Sind Maßnahmen
geplant, um künftig besser auf Ausschreitungen, die in den sozialen
Medien angekündigt sind, zu reagieren?
- Wenn ja, wann und
welche?
- Wie viele Kräfte
welcher Einheit waren wann im Einsatz?
- Welche Einsatzmittel
wurden für den Einsatz am 31.10. wann zur Verfügung gestellt?
- Welche davon wurden wann
aus welchem Grund eingesetzt?
- Inwiefern wurde die
3D-Strategie berücksichtigt?
- Wurde die Angabe, ein
Großteil der Beteiligten seien Asylwerber, von der LPD
Oberösterreich an die Medien herangebracht?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, wieso wurden
diese Informationen noch vor fertiger Auswertung der
Identitätsfeststellungen an die Öffentlichkeit
gebracht?
- Wurde die Angabe,
dass mehr als die Hälfte der 129 kontrollierten Personen aus
Syrien und Afghanistan stammen, von der LPD Oberösterreich an die
Medien herangebracht?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, wieso wurden
diese Informationen noch vor fertiger Auswertung der
Identitätsfeststellungen an die Öffentlichkeit
gebracht?
- Wurde die Angabe, dass
Tschetschenen stark vertreten gewesen seien, von der LPD
Oberösterreich an die Medien herangebracht?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, wieso wurden
diese Informationen noch vor fertiger Auswertung der
Identitätsfeststellungen an die Öffentlichkeit
gebracht?
- Wann waren die
Identitätsfeststellungen fertig?
- Wann hat danach wer aus
der LDP Oberösterreich welche Medien auf
deren Publikation von Falschinformation hingewiesen und welche
richtigen Informationen zukommen lassen?
- Inwiefern hat sich wann
wer aus Ihrem Kabinett bzw. Ihrer Mitarbeiter:innen in diesem Fall welche
Informationen an welche Medien weitergegeben?
- Nach den Ausschreitungen
in Linz hat der Landessicherheitsrat getagt. Wurden seit dem konkrete
Maßnahmen beschlossen?
- Wenn ja, welche wann?
- Wenn ja, wann sollen
sie jeweils umgesetzt werden?
- Wegen
welcher Verwaltungsübertretungen hat die Polizei wie viele verwaltungsstrafrechtliche
Anzeigen ausgestellt (bitte um Aufschlüsselung nach Alter, ggf. Aufenthaltsstatus,
und Verwaltungsübertretungen)?
- Ergingen Beschwerden
gegen (eine) von der Polizei gesetzte(n) Maßnahme(n)?
- Wenn ja, wieviele aus
welchen Gründen jeweils?
- Ein zehnköpfiges
Ermittler:innen-Team der Linzer Polizei wurde eingerichtet, um die Ausschreitungen
aufzuklären - die SOKO "Halloween". Welche
Ermittlungshandlungen setzte die SOKO bereits (bis zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung) jeweils wann?
- Mit welchem Ergebnis
jeweils wann?
- Was ist demnach der
aktuellste Informationsstand zu den Ausschreitungen?
- Welche anderen
Maßnahmen wurden wann durch wen gegenüber
den involvierten Personen gesetzt?