13782/J XXVII. GP
Eingelangt am 31.01.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Vergabepraxis des BMI mittels derer ehemalige Kabinettsmitarbeiter mit öffentlichen Aufträgen betraut werden
Bereits seit vielen Jahren wissen wir von Selbstbedienung am Staat über öffentliche Aufträgen im sicherheitsrelevanten Bereich durch ehemalige Kabinettsmitarbeiter von Innenminister a.D. Ernst Strasser, die bei Vergaben vonseiten des Innenministeriums zum Zug kamen (weswegen wir dies bereits zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage machten: Ministeriumsaufträge für ehemalige Mitarbeiter von Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser mit fragwürdigen Verbindungen zu Wirecard und BVT, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_08421/index.shtml). Aus dem Aktenbestand des "lbiza"-Untersuchungsausschusses ging hervor, dass Wolfgang Gattringers Beratungsfirma REPUCO Unternehmensberatung GmbH (im Folgenden: "Repuco GmbH") eine mindestens sechsstellige Summe an öffentlichen Geldern innerhalb von zwei Jahren durch Aufträge heimischer Bundesministerien verdiente (https://www.profil.at/oesterreich/wirecard-auftraege-fuer-strassers-ex-kabinettschef/401173144).
Wurden die Aufträge damals noch an Unternehmen mit direkter Beteiligung ehemaliger Mitarbeiter vergeben, so ist man mittlerweile dazu übergegangen, mittels undurchsichtiger Firmenkonstruktionen zu versuchen, die wirtschaftlichen Nutznießer Auftragsvergaben zu verschleiern, von denen aber letztendlich dieselben Personen profitieren. Da Ihrem Ministerium - wie aus mehreren Anfragebeantwortungen ersichtlich - "keine Informationen über Beteiligungsstrukturen außerhalb [Ihres] Vollzugsbereichs vorliegen", möchten wir Sie durch diese Anfrage zu Verbesserung anregen. Unsere Sorge ist groß - handelt es sich doch zum Teil um Aufträge in einem hochsensiblen sicherheitsrelevanten Bereich, nämlich für die noch kein Jahr alte Direktion für Staatssicherheit und Nachrichtendienst (DSN) trotz der durch unsere Anfrage thematisierten Tatsache, dass ehemalige Gesellschafter von einer Firma in Geschäfte im Kontext des Wirecard-Skandals verwickelt waren und enge Geschäftsbeziehungen nach Russland pflegen (Aufzuklärende Geschäftsbeziehungen nach Russland, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_11752/index.shtml).
Um die Entwicklung der später vom BMI erworbenen Software ("Foresight Strategy Cockpit") zu finanzieren, wurden in den Jahren 2010-2016 im nationalen Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS Studien als theoretische Grundlage für ein gesamtstaatlichen sicherheitspolitischen Lagebildes im Rahmen eines strategischen Managementsystems durchgeführt. Die Projektleitung lag bei Dr. Markus Gruber, Projektmanager der Research Industrial Engineering (RISE) Forschungs-, Entwicklungs-, und Großprojektberatung GmbH (im Folgenden: "RISE GmbH"), Kooperationspartner war die REPUCO GmbH (https://www.kiras.at/gefoerderte-projekte/detail/forstrat-cockpit). Als das Vorhaben schließlich im Jahr 2016 zur Software-Implementierung vergeben wurde, erhielt die 4strat GmbH den Zuschlag - ohne Ausschreibung. Bei der 4strat GmbH handelt es sich um ein am 30. 5. 2016 gegründetes Unternehmen, bei dem Wolfgang Gattringer über die Beteiligung seines Unternehmens Repuco GmbH von Gründung, bis zur Veräußerung der REPUCO GmbH an die msg Plaut Austria GmbH im Juli 2021 an als Prokurist eingetragen war. Weiterer Gesellschafter war die RISE GmbH (bis diese die 4strat GmbH komplett übernahm), deren Verbindungen zu den russischen Rüstungskonzernen Skytech und Rostec bereits medienöffentlich bekannt sind (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_11752/index.shtml).
Als Begründung für die Wahl des Vergabeverfahrens (Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung) wurde Folgendes angegeben: "Durch die Firma 4Strat wurde auf eigene Kosten und ohne Beteiligung des BMI aus den Ergebnissen dieses KIRAS-Projektes ein kommerzielles Produkt entwickelt. Durch die Arbeit von mehr als fünf Jahren ist eine marktfähige Version entstanden, die als einziges Tool die Anforderungen des BMI erfüllt" (https://www.ioeb.at/erfolgreiche-projekte-detail/bundesministerium-fuer-inneres-foresight-strategy-cockpit). Es besteht daher der Eindruck, dass die Unternehmen RISE GmbH und REPUCO im Auftrag von Ministerien eine Vorhabensbeschreibung erstellt haben, auf deren Grundlage ein Auftrag an ein neu gegründetes Unternehmen vergeben wurde, an dem die genannten Firmen maßgeblich beteiligt sind. Weiters sei bemerkt, dass die 4strat GmbH nach unseren Recherchen nicht nach ISO 27001 zertifiziert ist, was laut Expertinnen bei im SaaS-Bereich tätigen Unternehmen eigentlich Standard ist, insbesondere im sicherheitskritischen Bereich (https://www.iso.org/isoiec-27001-information-security.html). Bis heute ist die Software der 4strat GmbH bei österreichischen Behörden im Einsatz (https://www.4strat.de/unternehmen/). Mittlerweile ist die 4strat GmbH eine 100% Tochtergesellschaft der RISE GmbH. Wolfgang Gattringer hat die Repuco GmbH im Juli 2021 an die msg Plaut Austria GmbH veräußert - unmittelbar bevor letztere einen Auftrag des Innenministeriums lukrierte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja, wann, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis wurden solche gleichwertigen Checks durchgeführt?
i. Wenn ja, wann und durch welche Maßnahmen?
ii. Wenn nein, warum nicht?
iii. Wenn nein, wie können Sie sicherstellen, dass hinter den von Ihnen in sicherheitsrelevanten Bereichen beauftragen Unternehmen vertrauenswürdige natürliche Personen stehen?
i. Wenn nein, warum nicht?
ii. Wenn ja, welches Vergabeverfahren wurde mit welcher Begründung gewählt?
i. Wenn ja, warum?
ii. Wenn ja, an welche Unternehmen? Wie wurden diese ausgewählt?
i. Wurde davor eine umfassende vorherige Erkundung des Marktes gemäß § 24 BVergG 2018 durchgeführt?
ii. Wurden potentiell interessierte Unternehmen über die Pläne und Anforderungen des BMI informiert?
1. Wenn ja, welche, wann?
2. Wenn nein, warum nicht?