Eingelangt am 31.01.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Henrike
Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Künstliche Befruchtung
in Österreich
Selten breit diskutiert, aber angesichts von
Budgetzielwerten oder auch dem Arbeitskräftemangel immer wieder am Rande
erwähnt, ist die Geburtenrate in Österreich doch ein immer wieder
erwähnter Kennwert. Die freiwillige Entscheidung gegen Kinder wird immer
wieder (medial) diskutiert, die unfreiwillige wird allerdings seltener
thematisiert. Wie bei anderen "umstrittenen" Themen wurde auch das
Fortpflanzungsmedizingesetz 2015 nur in Folge einer Gerichtsentscheidung
geändert und wie das IVF (In-vitro-Fertilisation)-Fondsgesetz seitdem
inhaltlich de facto nicht reformiert. Ohne weiterlaufende Entwicklung sind
Reformen irgendwann aber kein Zeichen des Fortschritts mehr und so wundert es
nicht, dass die restriktiven Vorgaben dieser beiden Gesetze dazu führen,
dass Österreich im europäischen Fertility-Ranking nur Platz 22 belegt
(1).
Neben teilweise restriktiven Zugangsregelungen
ist diese Platzierung auch durch mangelnde Informationen über
künstliche Befruchtung beeinflusst, allerdings ist der Informationsstand
zu diesem Thema grundsätzlich eher schlecht. So sind der
Fortpflanzungsmedizinbericht (2) und der IVF-Fondsbericht (3) auf
unterschiedlichen Webseiten verlinkt und bieten lediglich einen statistischen
Überblick, der allerdings auf wenige Kennzahlen beschränkt ist und
immer nur einzelne Jahreszahlen liefert. Wer einen fortlaufenden Überblick
haben möchte, muss diese Berichte also mühsam vergleichen. Berichte
des IVF-Fonds sind auch nur für die letzten Jahre verfügbar, ein
durchgehendes Archiv gibt es nicht.
Betrachtet man die Berichte genauer und
versucht, einen umfassenden Überblick über medizinisch
unterstützte Fortpflanzung in Österreich zu erhalten, ergeben sich
viele Informationslücken. Beispielsweise wie sich die finanzielle Gebarung
des Fonds entwickelt hat oder ob es Schwankungen in der Verteilung der Beitragszahlungen
gab. Ebenso unklar sind Differenzen in den Angaben der durchführenden
Zentren, da IVF-Fondsbericht und FMedG (Fortpflanzungsmedizingesetz)-Bericht
hier von unterschiedlichen Gesamtzahlen für Österreich sprechen.
Klar ersichtlich ist durch die Berichte nur,
dass viele Paare ihre Fruchtbarkeitsbehandlungen abseits des IVF-Fonds
durchführen lassen. Immerhin meldet der IVF-Fondsbericht für das Jahr
2021 insgesamt 3.354 Schwangerschaften, die mithilfe von Fondsmitteln erreicht
werden konnten (4), laut FMedG-Bericht wurden 2021 aber insgesamt 5.198
Schwangerschaften mit medizinischer Unterstützung erreicht (5). In der
Praxis bedeutet das für betroffene Paare hohe private Kostenanteile,
immerhin führen die Altersgrenzen der Gesetze dazu, dass es einerseits
Personen gibt, die eine künstliche Befruchtung nur ohne Zuschuss des
IVF-Fonds durchführen dürfen, andererseits sind beispielsweise
alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch dazu gezwungen, für
Fruchtbarkeitsbehandlungen ins Ausland zu reisen und so auch weitaus
höhere Kosten für die Erfüllung eines Kinderwunsches oder das
präventive Einfrieren von Eizellen zu tragen.
Angesichts des wohl anhaltenden
gesellschaftlichen Wandels, des konsequent ansteigenden Alters der Mutter bei
der Geburt des ersten Kindes (6) und zunehmenden Informationen über
Umwelt, Ernährung oder auch Erkrankungen wie COVID, die zu einer
höheren Anzahl an unfruchtbaren Personen führen, ist weiterhin von
einem steigenden Bedarf an künstlichen Befruchtungen auszugehen - und in
weiterer Folge höheren Kosten für den IVF-Fonds sowie einem
Anpassungsbedarf in der Gesetzgebung.
- https://www.epfweb.org/sites/default/files/2022-03/FERTIL%20Atlas_EN%202021-v10.pdf
- https://goeg.at/IVF_Statistik
- https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Eltern-und-Kind/IVF-Fonds.html
- https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:a8a11543-3155-4d70-b623-808775acc747/IVF-Fonds,_Jahresbericht_2021.pdf
- https://jasmin.goeg.at/2322/1/Bericht%20%C2%A721%20FMedG%202021_bf.pdf
- https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/geburten/soziodemographische-merkmale-der-eltern-von-geborenen
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wie hoch waren die Einnahmen des IVF-Fonds
seit 2015 bis zum Datum der Anfragebeantwortung? (Bitte um Auflistung nach
Beitragszahlern pro Jahr)
- Wie hoch waren die Ausgaben des IVF-Fonds im
Jahr 2015 bis zum Datum der Anfragebeantwortung? (Bitte um Angabe der
Ausgaben nach Befruchtungsmethode sowie aufgeschlüsselt nach Kosten
pro Versuch/pro erfolgter Schwangerschaft nach Befruchtungsmethode sowie
nach privaten und öffentlichen Zentren jeweils pro Jahr)
- Bei Nutzung des IVF-Fonds ist in der
Statistik auch ersichtlich, wie viele Befruchtungsversuche betroffene
Frauen bereits hatten. Sind derartige Aufschlüsselungen auch für
Daten aus dem FMedG-Register verfügbar?
- Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung der
Versuche nach Befruchtungsmethode pro Jahr
- Falls nein: Warum nicht?
- Statistiken zur Nutzung von künstlichen
Befruchtungsmethoden: Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten nach
Zeitreihen der vergangenen fünf Jahre, Angaben nach Bundesland,
Alterskategorie, Aufschlüsselung nach verheirateten
Paaren/eingetragenen Partnerschaften/nachgewiesenen Lebensgemeinschaften
sowie Aufschlüsselung nach sexueller Orientierung pro Jahr
- Gibt es Statistiken, wie viele
Erstgespräche für Behandlungen nach dem
Fortpflanzungsmedizingesetz in den vergangenen fünf Jahren
geführt wurden?
- Gibt es Statistiken, wie sich betroffene
Paare zusammengesetzt haben?
- Gibt es Statistiken, wie viele
Inseminationen getrennt nach §3 (1), (2) und (3) FMedG
durchgeführt werden?
- Gibt es Statistiken, wie viele Paare
mehrere Versuche einer Insemination durchführen ließen?
- Gibt es Statistiken, wie viele Paare einen
ablehnenden Bescheid für eine Mitfinanzierung aus dem IVF-Fonds
erhielten?
- Gibt es Statistiken, wie viele Paare
während einer Behandlung aus der Gruppe der Anspruchsberechtigen
fielen - also beispielsweise, wie viele Frauen vor Nutzung von vier
Versuchen das 40. Lebensjahr vollendet haben?
- Erlauben die Statistiken über die
Nutzung von Präimplantationsdiagnostik Rückschlüsse
über beispielsweise das Alter der Mutter und begründen damit
beispielsweise die unterschiedlichen Altersgrenzen von Frauen gemäß
IVF-Fondsgesetz und Fortpflanzungsmedizingesetz?
- Bitte auch um Übermittlung der
vorhandenen Statistiken zu durchgeführten Befruchtungen
(Insemination, IVF und ICSI) erzielten Schwangerschaften und erfolgten
Geburten gemäß IVF-Fonds und FMedG unter Angabe der Zeitreihen
und Alterskategorie der Mutter für die vergangenen fünf Jahre
- Wie viele Zentren sind aktuell laut FMedG
zur Durchführung von medizinischen Befruchtungsmethoden berechtigt?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und
privater/öffentlicher Trägerschaft)
- Wie viele dieser Zentren führen vom
IVF-Fonds mitfinanzierte Befruchtungen durch? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland und privater/öffentlicher
Trägerschaft)
- Wurde nachverfolgt, warum die
Schwangerschaftsraten und Baby-Take-Home-Rates in privaten und
öffentlichen IVF-Zentren unterschiedlich ist?
- Falls ja: Warum und welche Folgen hatte die
Erkenntnis der Ursache?
- Falls nein: Warum nicht?
- Reformpotenzial: Bitte jeweils um Angabe,
inwiefern es Prüfungen gab, zu welchem Ergebnis diese gekommen sind
und ob mit der Vorlage von Änderungen zu rechnen ist.
- Sind die Erkenntnisse des Fertility
Monitors dem BMSGPK bekannt und wurde hinsichtlich der kritisierten
Regelungen schon einmal das Reformpotenzial in FMedG und IVF-FondsG
nachgedacht?
i. Falls ja: Zu welchen konkreten Punkten wurden Reformüberlegungen
geprüft und (bis wann) ist mit einer Vorlage zu rechnen?
ii. Falls nein: Warum nicht?
- Wurde darüber nachgedacht, auch
Inseminationen (grundsätzlich beziehungsweise für lesbische
Paare) durch den IVF-Fonds zu bezuschussen?
i. Falls ja: Mit welchem Ergebnis?
ii. Falls nein: Warum nicht?
- Wurde darüber nachgedacht, die
Altersgrenze von 40 Jahren für Frauen zur Abdeckung durch den
IVF-Fonds auf 45 Jahre, wie im FMedG festgelegt, anzupassen?
i. Falls ja: Mit welchem Ergebnis?
ii. Falls nein: Warum nicht?
- Wurde darüber nachgedacht,
alleinstehenden Frauen den Zugang zu Reproduktionsmedizin zu
ermöglichen?
i. Falls ja: Mit welchem Ergebnis?
ii. Falls nein: Warum nicht?
- Wurde darüber nachgedacht, die
Berichtsformen anzupassen und transparenter zu machen, sodass IVF-Register
und Fortpflanzungsmedizinregister als öffentlich zugängliche
Register einen umfassenden Datenüberblick (wie vergleichsweise ein
StatCube der Statistik Austria) ermöglichen?