13975/J XXVII. GP
Eingelangt am 01.02.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gerstl
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Bilanz der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption
Auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz ist über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu lesen:
„Die österreichische Justiz ist seit mehr als zehn Jahren mit einer zunehmenden Anzahl besonders umfangreicher Wirtschaftsstrafsachen mit vermehrten internationalen Verflechtungen konfrontiert. Die gesteigerte Komplexität dieser Verfahren erfordert neue Konzepte und Strukturen für einen effizienten und erfolgreichen Einsatz der Ermittlungsbehörden.
Mit der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) wurde am 1. September 2011 eine Strafverfolgungsbehörde eingerichtet, in der die notwendige Kompetenz und Expertise für eine qualifizierte und effiziente Verfolgung großer Wirtschafts- und Korruptionsdelikte konzentriert ist.“
In den vergangenen Jahren wurden viele der von der WKStA geführten Strafverfahren medial begleitet. Die Dauer dieser Verfahren betrug oft mehrere Jahre; Verurteilungen und damit den Nachweis der Korruption hat es in den wenigsten Fällen gegeben.
Den Beschuldigten blieb neben der dauernden medialen Beobachtung bis hin zur Vorverurteilung nichts als Kosten, finanzielle und nervliche Belastung, ganz abgesehen davon, dass eine berufliche Weiterentwicklung durch den Beschuldigtenstatus schlicht nicht möglich war. Oftmalig kommen aber auch noch nachhaltige immaterielle Schäden dazu, die viele Familienmitglieder, insbesondere Kinder durch Diffamierungen etc., erleiden können.
Leider ist in den umfangreichen Berichten über die Tätigkeit der Strafjustiz im Rahmen des jährlichen Sicherheitsberichtes keine transparente Darstellung der Erledigungszahlen der WKStA enthalten. Es fehlt ein Arbeits- und Tätigkeitsnachweis dieser Staatsanwaltschaft, die ja einzigartig für Österreich ist.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende
Anfrage:
1. Wie hoch war die Anzahl der bei der WKStA eingegangen anonymen Hinweise bzw. Anzeigen im anonymen Hinweisgebersystem (BKMS) seit ihrer Gründung im Jahr 2009? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
2. In wie vielen Fällen (Frage 1) wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 35c StAG abgesehen? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 wird ersucht.
3. Gibt es Aufzeichnungen über die Dauer der Prüfung eines Anfangsverdachts?
a. Wenn ja, wieviel Zeit verstreicht zwischen Einlagen der anonymen Anzeige bis zu Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. ist zur Entscheidung, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen? Wie lange war der Zeitraum zwischen dem Einlangen eines anonymen Hinweises bzw. einer Anzeige bis zur Entscheidung, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 nach Aktenzahlen wird ersucht.
b. Wenn nein, warum nicht?
4. Wie viele dieser anonymen Hinweise und Anzeigen (Frage 1) wurden zuständigkeitshalber an andere Behörden abgetreten? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
5. Wie haben sich die zur Einleitung von Ermittlungsverfahren führenden anonymen Hinweise und Anzeigen (Frage 1) seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 auf die Bereiche Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Geldwäscherei und sonstige Delikte aufgeteilt? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
6. Wie hoch war die Anzahl der bei der WKStA eingegangenen nicht-anonymen Hinweise bzw. Anzeigen seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
7. Wie viele dieser nicht-anonymen Hinweise und Anzeigen (Frage 6) wurden ohne Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens zurückgelegt? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
8. Wie lange war der Zeitraum zwischen dem Einlagen eines nicht-anonymen Hinweises bzw. einer nicht-anonymen Anzeige bis zur Entscheidung, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
9. Wie haben sich die zur Einleitung von Ermittlungen führenden nicht-anonymen Anzeigen auf die Bereiche Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Geldwäscherei und sonstige Delikte seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 aufgeteilt? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
10. Wie viele förmliche Ermittlungsverfahren der WKStA wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 insgesamt eingeleitet? Um eine Aufschlüsselung getrennt für jedes Jahr nach Aktenzahlen wird ersucht.
a. Wie viele davon wurden aus eigenem seitens der WKStA eingeleitet?
b. Wie viele davon wurden der WKStA von anderen Staatsanwaltschaften abgetreten?
c. Wie viele davon hat die WKStA gem. § 20b StPO von anderen Staatsanwaltschaften an sich gezogen?
11. Wie lange dauerte seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 das kürzeste von der WKStA abgeschlossene Ermittlungsverfahren (unabhängig von Zeitpunkt der Einleitung)?
12. Wie lange dauerte seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 das längste von der WKStA abgeschlossene Ermittlungsverfahren (unabhängig von Zeitpunkt der Einleitung)?
13. Wie lange dauerte bzw. dauert seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 das längste bei der WKStA noch offene strafgerichtliche Verfahren (unabhängig von Zeitpunkt der Einleitung)?
14. Wie viele Personen wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 in den Ermittlungsverfahren der WKStA als Verdächtige geführt? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
15. Wie viele Personen wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 in den Ermittlungsverfahren der WKStA als Beschuldigte geführt? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
16. Wie viele Personen waren seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 in den geführten gerichtlichen Strafverfahren – aufgeschlüsselt auf die Bereiche Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Geldwäscherei und sonstige Delikte – Beschuldigte? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
17. Wie viele der Beschuldigten wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 auf Grundlage einer Anklage durch die WKStA von einem Gericht verurteilt? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
18. Wie viele der Beschuldigten wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 auf Grundlage einer Anklage durch die WKStA von einem Gericht freigesprochen? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
19. In wie vielen Gerichtsverfahren wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 Freisprüche von der WKStA mit Rechtsmittel bekämpft? In wie vielen Fällen erfolgte anschließend eine Verurteilung im zweiten Rechtsgang? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
20. In wie vielen Gerichtsverfahren wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 Freisprüche nicht von der WKStA mit Rechtsmittel bekämpft? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
21. In wie vielen Ermittlungsverfahren der WKStA gab es Einsprüche wegen Rechtsverletzung seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
a. Wie vielen davon wurde von der WKStA selbst Folge gegeben?
b. Wie vielen wurde vom Gericht Folge gegeben?
c. In wie vielen Verfahren wurde eine von der WKStA zu verantwortende Verletzung des Beschleunigungsgebots (überlange Verfahrensdauer) festgestellt?
22. Wie viele offene Ermittlungsverfahren sind derzeit bei der WKStA anhängig? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
a. Wann wurde welches eingeleitet?
b. Was ist jeweils der Grund für die noch laufenden Ermittlungen?
23. Wie viele Hausdurchsuchungen wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 im Zuge der Ermittlungen angeordnet?
24. Wie viele seitens der WKStA beantragte Hausdurchsuchungen wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 von dem für die Genehmigung zuständigen Richter oder von der für die Genehmigung zuständigen Richterin abgelehnt?
25. In wie vielen Fällen wurden seit der Gründung der WKStA im Jahr 2009 im Zuge der Ermittlungen der WKStA Daten aus elektronischen Datenträgern sichergestellt und ausgewertet? Um eine Aufschlüsselung nach Aktenzahlen wird ersucht.
26. Welche Delikte lagen diesen Fällen (Fragen 23, 24, 25) zugrunde?
27. In wie vielen Fällen und aufgrund welcher Rechtsgrundlage erfolgten Auswertungen (Fragen 23, 24, 25) durch eigene Technik-Teams (Expertinnen bzw. Experten oder Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälte) der WKStA?
28. Über welche Ausbildung verfügen diese Expertinnen und Experten der WKStA, die mit der Auswertung elektronischer Daten befasst sind?
29. Wie oft wurde das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) und in wie vielen Fällen das Bundeskriminalamt mit der Auswertung (Fragen 23, 24, 25) beauftragt?
30. Wie oft wurden selbständige Sachverständige/Unternehmen bei der Auswertung (Fragen 23, 24, 25) beauftragt oder beigezogen?
31. Wie oft wurden ausländische Unternehmen bei der Auswertung (Fragen 23, 24, 25) beigezogen?
32. Welche Referenzen und Sicherheitsüberprüfungen liegen für diese Unternehmen in solchen Fällen (Frage 30 und 31) vor?
33. Wie lange ist die durchschnittliche Auswertungsdauer von elektronischen Datenträgern ab erfolgter Sicherstellung im Zuständigkeitsbereich der WKStA?
34. Was geschieht nach erfolgter Auswertung mit jenen Daten, die nicht zum Akt genommen werden?
35. Wie lange bleiben die elektronischen Daten in der Verfügungsgewalt der WKStA bzw. wann werden diese gelöscht?
36. Welche Daten-Mengen und Anzahl an Datenträgern wurden betreffend Ermittlungsverfahren der WKStA noch nicht ausgewertet?
37. Wie oft hat die WKStA seit ihrer Gründung im Jahr 2009 von der Möglichkeit, Verfahren an sich zu ziehen, Gebrauch gemacht? In welchen Deliktsgruppen war dies wie oft der Fall?
38. Wie oft hat die WKStA seit ihrer Gründung im Jahr 2009 Verfahren abgetreten? In welchen Deliktsgruppen war dies wie oft der Fall?
39. Über wie viele staatsanwaltschaftlichen Planstellen verfügt die WKStA? Wie viele Staatsanwältinnen bzw. -anwälte sind bei der WKStA ernannt und ständig tätig? Gibt es besonderen Ernennungsvorausaussetzungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der WKStA?
40. Wie viele Personen, die für andere Staatsanwaltschaften oder Gerichte ernannt und ständig tätig sind, sind der WKStA dienstzugeteilt? Müssen die der WKStA dienstzugeteilten Personen, die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit ausüben, die Ernennungsvoraussetzungen, die für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der WKStA gelten, erfüllen?
41. Zu welchen Tätigkeiten werden der WKStA dienstzugeteilte Personen, die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit ausüben, herangezogen? Führen diese Personen eigenverantwortlich Referate und können diese eigenständig Akten bearbeiten?
42. Wie viele bei der WKStA ernannte Staatsanwältinnen bzw. -anwälte haben die WKStA in den letzten drei Jahren verlassen, sich für eine andere Planstellen beworben oder ihren Austritt bereits erklärt oder angekündigt?
43. Konnten sämtliche Abgänge durch Neuernennungen auf die freigewordenen Planstellen abgedeckt werden? Wenn nein, warum nicht?
44. Gibt es Aufzeichnungen darüber, wie viele Staatsanwältinnen bzw. -anwälte der WKStA sich erfolglos auf andere Planstellen in der Justiz beworben haben?
45. Hat es in den letzten drei Jahren eine Untersuchung innerhalb der WKStA bzw. eine Umfrage innerhalb der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA betreffend Arbeitsverteilung und Arbeitsauslastung gegeben?
a. Wenn ja, was war das Ergebnis?
b. Wenn ja, wurde das Ergebnis der Umfrage innerhalb der WKStA kommuniziert?
c. Wenn ja, wurde über das Ergebnis der Oberstaatsanwaltschaft Wien oder dem Bundesministerium für Justiz bzw. der Frau Bundesminister oder ihrem Kabinett berichtet?
d. Wenn ja, wurden Schlüsse aus dieser Untersuchung bzw. Umfrage gezogen Welche Schlüsse wurden bzw. welche Maßnahmen sind getroffen worden?
46. Gibt es ein WKStA-internes System der Bewertung der Aufgabenerfüllung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA?
a. Wenn ja, wie ist dieses nach welchen Kriterien gestaltet?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Hat es bei der Etablierung eines Bewertungssystems jemals die Überlegung gegeben, dass für Anklagen und Einstellungen von Ermittlungsverfahren eine unterschiedliche Anzahl von Bewertungspunkten vergeben werden oder sogar, dass eine Anklageerhebung besser bewertet wird als die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens?
d. Hat es bei der Etablierung eines Bewertungssystems jemals die Überlegung gegeben, dass die Anordnung von Zwangsmaßnahmen für die Belastung eines Beschuldigten unterschiedlich bewertet werden soll als die Anordnung von Zwangsmaßnahmen für die Entlastung eines Beschuldigten?
e. Wurde über das Bewertungssystem bzw. über die dafür angestellten Überlegungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien oder dem Bundesministerium für Justiz bzw. der Frau Bundesminister oder ihrem Kabinett berichtet?