13976/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.02.2023
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Anfrage

des Abgeordneten Christian Stocker

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Kritik an der WKStA durch die Anwaltschaft

Neuerlich wird die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) auch von gewählten Vertretern der Rechtsanwaltschaft vehement kritisiert.

So stellte beispielsweise der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger, wörtlich fest (Kurier vom 29.07.2022): „Die WKStA muss als Sonderbehörde aufgelöst und den vier Oberstaatsanwaltschaften zugeteilt werden.“ Auf die Frage, ob bei der Trennung nicht die Schlagkraft verloren ginge, stellte er wörtlich fest: „Ich wüsste nicht, was derzeit schlagkräftig ist – außer, dass die Verfahren so lange dauern.“ Weiters führt er im selben Artikel folgendes aus: „Die WKStA stellt Österreich unter Generalverdacht der Korruption. Da leidet auch der Ruf eines ganzen Landes im Ausland.“ 

Ins gleiche Horn stößt auch der Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (RAK), Armenak Utudjian, der unter anderem Folgendes feststellte (Der Standard, 27.09.2022): „Gerade im Bereich der WKStA werden Beschuldigtenrechte vielfach nicht gewahrt. Es kommt zu Aktenleaks und zu Ermittlungsverfahren, die viel zu lange dauern. Auch die WKStA muss sich Kritik gefallen lassen.“ Zu den Aktenleaks merkte er weiters an: „Ich habe den Eindruck, dass Aktenleaks fast zur Tagesordnung gehören […] die meisten Aktenleaks müssen unserer Auffassung nach aus dem Behördenbereich kommen.“

Auch er stellt fest, dass derzeit die Schlagkraft der WKStA nicht besonders groß sei und dass es dort Reformen brauche, auch in der bestehenden Struktur.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

1.         Worin sehen Sie bei der WKStA den großen Reformbedarf?

2.         Stimmen Sie in der Kritik mit den Präsidenten der Rechtsanwaltskammern darin überein, dass die WKStA überschießend agiert, indem sie ganz Österreich unter den Generalverdacht der Korruption stellt?

3.         Wenn ja, was werden Sie dagegen unternehmen?

4.         Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um dem auch von den Präsidenten der Rechtsanwaltskammern kritisierte Problem der Aktenleaks Einhalt zu gebieten?

5.         In der Nachrichtensendung „ZIB 2“ am 05.06.2019 wurde der justizinterne Entwurf einer Niederschrift des Eurofighter-Dienstbesprechungsprotokoll vom 01.04.2019 gezeigt. Entstand dadurch der Verdacht eines justizinternen Aktenleaks?

a.         Wurden diesbezügliche Ermittlungen bzw. Erhebungen geführt?

b.         Was war das Ergebnis dieser Ermittlungen bzw. Erhebungen?

c.         Wurde dieser Entwurf einer Niederschrift dem Eurofighter-Untersuchungs­ausschuss (1/US 26. GP) vorgelegt? Wenn ja, in welcher Lieferung?

6.         Gibt es im Zusammenhang mit möglichen Aktenleaks aus dem Ibiza-Verfahrenskomplex Ermittlungsverfahren gegen bekannte oder unbekannte Täter?

7.         Erhalten die im Ibiza-Verfahrenskomplex auftretenden Verteidigerinnen bzw. Verteidiger zeitgleich elektronische Akteneinsicht? Wenn nein, warum nicht?

8.         Am 10.12.2022 berichtete der Standard („Amtsgeheimis gebrochen, Beweise gelöscht? Siegfried Wolfs Anwälte greifen Behörde an“), dass das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zum Schluss gekommen sei, dass es nicht mehr möglich sei, herauszufinden, wer im Dezember 2021 auf die Daten betreffend Ermittlungen gegen Sigfried Wolf im Zusammenhang mit der Gewährung eines Steuernachlasses zugegriffen habe, weil die entsprechenden Protokolldaten bereits wieder überschrieben worden seien.

Warum hat die in diesem Fall ermittelnde Staatsanwaltschaft Wels nicht umgehend veranlasst, dass die entsprechenden Protokolldaten vor deren Überschreibung als Beweismittel gesichert werden?

Warum wurde seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft Wels nicht angeordnet, die überschriebenen Protokolldaten wiederherzustellen bzw. zumindest zu prüfen, ob eine Wiederherstellung möglich ist?

9.         Stimmt es, dass innerhalb der WKStA zwei Applikationen betreffend Aktenverwaltung in Verwendung sind, nämlich neben dem Register „Verfahrensautomation Justiz (VJ)“ („VJ-Register“) auch die Applikation „Normalfall“?

Wenn ja, welche Informationen werden in der Applikation „Normalfall“ verarbeitet?

Wenn ja, was sind die Gründe dafür, dass zwei Applikationen in Verwendung sind, wer kann auf die Applikation „Normalfall“ bzw. auf entsprechende Daten außerhalb der WKStA zugreifen und kann das BMJ auf diese Applikation zugreifen?

Wenn das BMJ auf diese Applikation nicht zugreifen kann, was sind die Gründe dafür?

Wenn es stimmt, dass die Applikation „Normalfall“ verwendet wird, werden Zugriffe auf Informationen in der Applikation „Normalfall“ (lückenlos) protokolliert?

Wenn nein, warum nicht? Welche Zugriffe werden (nicht) protokolliert?

Wenn Zugriffe nicht (lückenlos) protokolliert werden, warum wird diese Applikation verwendet, wo doch die Applikation VJ-Register zur Verfügung stünde?

10.      Zur Nachverfolgung der Verantwortlichkeit für Aktenweitergabe wurde eine flächendeckende Einführung der Kennzeichung mit Wasserzeichen angekündigt (vgl. https://orf.at/stories/3236024/, 10.11.2021, „Zadic plant Wasserzeichen für Akten: Justizministerin Alma Zadic (Grüne) will im Zuge der Digitalisierung der Justiz auch Wasserzeichen für Akten einführen. […] Bis zum ersten Quartal des kommenden Jahres sollen die gesamten Staatsanwaltschaften inklusive der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) voll digitalisiert sein, dann sollen Wasserzeichen möglich sein.“ Wurde dieses Vorhaben umgesetzt und gilt das auch für Aktenbestandteile im Ibiza- Verfahrenskomplex? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht? 

11.      Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um bei der WKStA die von den Präsidenten der Rechtsanwaltskammern geforderte Verfahrensbeschleunigung unter Wahrung der Grundrechte der Betroffenen umzusetzen?

12.      Haben Sie bereits Maßnahmen eingeleitet, um strukturiert zu erheben, wie lange die Verfahrensdauern von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren im Sinne von „Anzeige – Ermittlungen – Erledigung“ (Anklage, Einstellung, Diversion) tatsächlich sind?

a.         Wenn ja, erheben Sie strukturiert die Verfahrensdauern bei der WKStA?

b.         Wenn ja, erheben Sie strukturiert die Verfahrensdauern bei den anderen Staatsanwaltschaften?

c.         Wenn nein, warum werden solch relevante Informationen nicht erhoben?

13.      Wie ist derzeit die Dienst- und Fachaufsicht gegenüber der WKStA geregelt?

14.      Wie ist derzeit die Dienst- und Fachaufsicht im Verfahren gegen Oberstaatsanwalt Johann Fuchs gestaltet?

15.      Wie ist derzeit die Dienst- und Fachaufsicht in Fragen der überlangen Verfahrensdauer von Ermittlungen eingebunden?

16.      Haben Sie selbst Weisungen im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht gegenüber der WKStA erteilt?

17.      Wenn ja, in welchen Fällen und wie haben diese Weisungen gelautet?

18.      Auch die gesamte Tätigkeit der Justiz hat in einem demokratischen Rechtsstaat unter Einbindung der Öffentlichkeit abzulaufen, um den Menschen nicht das Gefühl der Hilflosigkeit sowie des Ausgeliefertseins zu geben und ihnen den Zugang zum Recht zu ermöglichen. Es besteht daher das Bedürfnis nach transparenten Auflistungen über die Ermittlungsverfahren nach vorgeworfenen Delikten, der Anzahl der Beschuldigten, der Dauer der Ermittlungsverfahren, deren Beendigung durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung (Diversion), der eingeleiteten Gerichtsverfahren und bei Anklage­erhebung nach dem Verfahrensausgang.

a.         Besteht nach der derzeitigen Rechtslage die Möglichkeit, derartige Statistiken zu führen und zu veröffentlichen?

b.         Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung dieser anonymisierten Daten im Rahmen der Interpellation.

c.         Wenn nein, welche Gründe verhindern eine derartige umfassende und aus Sicht der Anfragesteller im Sinne einer möglichst großen demokratiepolitisch wichtigen Transparenz gewünschte Statistik?

d.         Werden Sie sich dafür einsetzen, derartige umfassende Statistiken im Sinne eines eigenständigen Justiz-Berichtes zu schaffen?

e.         Wann werden Sie dem Nationalrat die dafür erforderlichen Grundlagen für einen Gesetzesbeschluss vorlegen, sofern aus Ihrer Sicht eine besondere rechtliche Grundlage dafür notwendig ist?

19.      Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete am 19.01.2023 von einem Pressegespräch mit der Leiterin der WKStA. Im Zuge dieses Gesprächs – wie berichtet wird – äußerste sie sich negativ zu einer rechtspolitischen Forderung der Rechtsanwaltskammer betreffend die notwendigen Voraussetzungen für die Abnahme und Auswertung von Mobiltelefonen.

a.         Vertreterinnen und Vertreter welcher Medien wurden zu diesem Pressegespräch eingeladen?

b.         Vertreterinnen und Vertreter welcher Medien haben an diesem Pressegespräch teilgenommen?

c.         Auf wessen Initiative ist dieses Pressegespräch zu Stande gekommen?

d.         Wurde die Oberstaatsanwaltschaft Wien von diesem Pressegespräch informiert? Hat sich die Oberstaatsanwaltschaft Wien dazu vor Abhaltung in irgendeiner Art und Weise geäußert?

e.         Wurden Sie bzw. Ihr Kabinett von diesem Pressegespräch informiert? Haben Sie sich bzw. Ihr Kabinett dazu vor Abhaltung in irgendeiner Art und Weise geäußert?

f.          Unterstützen Sie die Vorgehensweise der Leiterin der WKStA, sich öffentlich und medienwirksam zu rechtspolitischen Fragestellungen zu äußern? Aus welchen Gründen erachten Sie das nicht als Ihre eigene Aufgabe als zuständige Bundesministerin?