13977/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.02.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Corinna Scharzenberger

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Pressemitteilung der WKStA vom 18. Oktober 2022

Am 18. Oktober 2022 veröffentlichte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) folgende Pressemitteilung:

„Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt ua im Zusammenhang mit dem CASAG-Verfahrenskomplex gegen rund 45 Beschuldigte (natürliche Personen und Verbände) Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gemäß § 153 Abs 1 und 3 StGB, der falschen Beweisaussage gemäß § 288 StGB, des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs 1 und 2 StGB, der Bestechlichkeit gemäß § 304 Abs 1 und Abs 2 StGB, der Bestechung gemäß § 307 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB, in unterschiedlichen Beteiligungsformen.

Im Zuge dieser Ermittlungen ist MMag. Thomas SCHMID im April 2022 mit dem Wunsch, zu kooperieren und einen Kronzeugenstatus zu erlangen, an die WKStA herangetreten. In diesem Zusammenhang haben seit Juni 2022 bei der WKStA insgesamt 15 ganztägige Vernehmungen stattgefunden, anlässlich derer der Beschuldigte umfassend befragt wurde.

Aufgrund der möglichen Ermittlungsgefährdung waren die Vernehmungsprotokolle bisher von der Akteneinsicht ausgenommen. Nunmehr wurden diese zum Akt genommen, wodurch sie auch den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gelangen.

Ein formeller Kronzeugenantrag wurde bisher nicht gestellt. Im weiteren Verfahren werden die durch die Vernehmungen gewonnen[en] Informationen geprüft und allfällig weitere darauf fokussierte Ermittlungen durchgeführt.

Wir ersuchen um Verständnis, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund des Vorliegens einer Verschlusssache und der laufenden Ermittlungen keine weiteren Details bekannt gegeben werden können.“

Im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

1.         War die Bundesministerin für Justiz oder die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter ihres Kabinetts in die Entscheidung, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen, involviert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) war(en) zu welchem Zeitpunkt involviert? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt?

2.         Waren Bedienstete des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) in die Entscheidung, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen, involviert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) war(en) zu welchem Zeitpunkt involviert? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt?

3.         Waren Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien in die Entscheidung, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen, involviert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) war(en) zu welchem Zeitpunkt involviert? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt?

4.         Wurde die Frau Bundesminister für Justiz oder die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter ihres Kabinetts darüber informiert, dass seitens der WKStA geplant ist, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

5.         Wurden Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien darüber informiert, dass seitens der WKStA geplant ist, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

6.         Wurden Bedienstete des BMJ darüber informiert, dass seitens der WKStA geplant ist, die erwähnte Presseaussendung zu veröffentlichen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

7.         Wurde die Frau Bundesminister oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter ihres Kabinetts für Justiz darüber informiert, dass Thomas Schmid im April 2022 sich zur umfassenden und geständigen Aussage bereit erklärt sowie im Hinblick auf § 209a StPO weitere Offenbarungen schriftliche im Wege seiner Verteidigung vorgelegt hat und dass er seit dem Juni 2022 15-mal von der WKStA einvernommen wurde? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

8.         Wurden Vertreter des BMJ darüber informiert, dass Thomas Schmid im April 2022 sich zur umfassenden und geständigen Aussage bereit erklärt sowie im Hinblick auf § 209a StPO weitere Offenbarungen schriftliche im Wege seiner Verteidigung vorgelegt hat und seit dem Juni 2022 15-mal von der WKStA einvernommen wurde? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

9.         Wurde die Oberstaatsanwaltschaft Wien darüber informiert, dass Thomas Schmid im April 2022 sich zur umfassenden und geständigen Aussage bereit erklärt sowie im Hinblick auf § 209a StPO weitere Offenbarungen schriftlich im Wege seiner Verteidigung vorgelegt hat und seit dem Juni 2022 15-mal von der WKStA einvernommen wurde? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Person(en) wurde(n) zu welchem Zeitpunkt informiert?

10.      Haben Vertreter der WKStA von sich aus Thomas Schmid aktiv darauf aufmerksam gemacht, dass die Möglichkeit, Kronzeugenstatus zu erlangen, bestehen könnte?

11.      War Thomas Schmid anwaltlich vertreten, als zum ersten Mal mit Thomas Schmid über die Möglichkeit, Kronzeugenstatus zu erlangen, gesprochen wurde?

12.      Hat sich die Bundesministerin für Justiz oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter ihres Kabinetts über den Sachstand betreffend Kronzeugenstatus für Thomas Schmid und bzw. oder zu den Inhalten der Einvernahmen des Thomas Schmid durch die WKStA informieren lassen? Wenn ja, auf wessen Initiative und zu welchem Zeitpunkt? Hat es in diesem Zusammenhang Gespräche zwischen der Bundesministerin für Justiz bzw. Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter ihres Kabinetts mit Vertreterinnen bzw. Vertretern des BMJ, der Oberstaatsanwaltschaft Wien oder der WKStA gegeben? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt? Wenn ja, von welchen?

13.      Haben sich Vertreterinnen oder Vertreter des BMJ über den Sachstand betreffend Kronzeugenstatus für Thomas Schmid und bzw. oder zu den Inhalten der Einvernahmen des Thomas Schmid durch die WKStA informieren lassen? Wenn ja, auf wessen Initiative und zu welchem Zeitpunkt? Hat es in diesem Zusammenhang Gespräche zwischen Vertreterinnen bzw. Vertretern des BMJ mit Vertreterinnen bzw. Vertretern der Oberstaatsanwaltschaft Wien oder der WKStA gegeben? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt? Wenn ja, von welchen?

14.      Hat sich die Oberstaatsanwaltschaft Wien über den Sachstand betreffend Kronzeugenstatus für Thomas Schmid und bzw. oder zu den Inhalten der Einvernahmen des Thomas Schmid durch die WKStA informieren lassen? Wenn ja, auf wessen Initiative und zu welchem Zeitpunkt? Hat es in diesem Zusammenhang Gespräche wischen Vertreterinnen bzw. Vertretern der Oberstaatsanwaltschaft Wien und WKStA gegeben? Was waren deren Inhalte? Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen an untergeordnete Organe erteilt?

15.      Welches konkrete Ziel wurde damit verfolgt, dass die WKStA im Wege einer Pressemitteilung über Inhalte eines laufenden Ermittlungsverfahrens (siehe angeführte Pressemitteilung) die Öffentlichkeit informiert, obwohl das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen war und obwohl man aufgrund bisheriger Erfahrungen mit der Veröffentlichung von durch Akteneinsicht gewonnenen Informationen mit einer intensiven Berichterstattung und mit – damit in Verbindung stehenden – nachteiligen Konsequenzen für betroffene Personen rechnen musste?

16.      Warum wurde zuerst die Öffentlichkeit im Wege einer Pressemitteilung darüber informiert, dass Thomas Schmid den Kronzeugenstatus beantragt hat und 15-mal von der WKStA einvernommen wurde und nicht der Untersuchungsausschuss 4/ US 27. GP, wo doch dessen Untersuchungsgegenstand sich direkt auf die Aufklärung jener Sachverhalte erstreckt, die auch Gegenstand der Einvernahme von Thomas Schmid durch die WKStA waren, und Thomas Schmid seit dem 26. Jänner 2022 wirksam vom Untersuchungsausschuss geladen war und dieser Umstand der Bundesministerin für Justiz bekannt war?

17.      Warum wurde der Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP nicht entsprechend der Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 über das Vorhandensein von Akten und Unterlangen betreffend die Beantragung des Kronzeugenstatus durch Thomas Schmid und betreffend die Einvernahmen von Thomas Schmid durch die WKStA Ende April, Ende Mai, Ende Juli oder Ende September informiert, obwohl in der Konsultationsvereinbarung vereinbart worden war, dass die Lieferung der vorzulegenden Aktenbestandteile sukzessive nach Auswertungsstand jeweils zum Monatsletzten vorgenommen und mit der Lieferung eine numerische Übersicht über die geprüften und noch zu prüfenden Aktenbestandteile übermittelt werden?

18.      Aufgrund welcher Bestimmungen geht die Bundesministerin für Justiz davon aus, dass sie an eine Konsultationsvereinbarung nicht gebunden sei?

19.      Warum hat die WKStA die Aufgabenwahrnehmung des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP untergraben, indem sie einen bereits vereinbarten Termin zur Einvernahme abgesagte, um zu verhindern, dass Thomas Schmid vor dem Untersuchungsausschuss vorgeführt werden kann? Was ist die rechtliche Grundlage dafür, die Aufgabenwahr­nehmung des Untersuchungsausschusses zu behindern?

20.      Warum wurde der Bundesminister für Inneres nicht darüber informiert, dass die WKStA Thomas Schmid seit Juni 2022 einvernimmt, wo doch bekannt war, dass der Untersuchungsausschuss beschlossen hat, Thomas Schmid durch den Bundesminister für Inneres vorführen zu lassen? Was ist die rechtliche Grundlage dafür, die Aufgabenwahrnehmung des Bundesministers für Inneres zu behindern?

21.      Warum wurde das Konsultationsverfahren betreffend die Befragung von Thomas Schmid erst eingeleitet, als Thomas Schmid ein zweites Mal vom Untersuchungs­ausschuss am 20. Oktober 2022 rechtswirksam geladen worden war, obwohl Thomas Schmid bereits seit dem 26. Jänner 2022 vom Untersuchungsausschuss rechtswirksam geladen worden war?

22.      Warum wurde das Konsultationsverfahren betreffend die Befragung von Thomas Schmid eingeleitet, noch bevor die bezughabenden Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss vorgelegt worden waren und sich weder der Vorsitzende noch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses ein Bild über die Notwendigkeit der Konsultationsvereinbarung machen konnten?

23.      Warum wurde der Faktenkomplex „Silberstein/Groiss“ zwar im Konsultationsverein­barungs­vorschlag vom 27. Oktober 2022 als ein solcher genannt, zu dem aus Sicht der Bundesministerin für Justiz Fragen an Thomas Schmid zulässig sein sollen, obwohl das Protokoll der Einvernahmen von Thomas Schmid durch die WKStA betreffend diesen Faktenkomplex nur geschwärzt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt worden war?

24.      Warum wurde im Zuge des Konsultationsverfahrens seitens der Bundesministerin für Justiz nicht ausdrücklich gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses darauf hingewiesen, dass die Bundesministerin für Justiz davon ausgeht, dass das Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 der Befragung von Thomas Schmid entgegensteht?

25.      Warum wurde ein Verfahren vor dem VfGH betreffend Konsultationsvereinbarung eingeleitet, ohne den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses oder die Mitglieder des Untersuchungsausschusses über ein derartiges Vorhabe zu informieren, wo doch die Bundesministerin für Justiz davon ausgeht, dass das Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 der Befragung von Thomas Schmid entgegensteht?