14008/J XXVII. GP
Eingelangt am 01.02.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Fehlerbehaftete Legistik im Rahmen der WGG-Novelle 2022 und Kritik auch durch Verfassungsrichter Michael Holoubek
Infolge einer neoliberalen Agenda des Wirtschaftsministers Martin Kocher bzw. des Wirtschaftsministeriums soll es seit der WGG-Novelle 2022 (BGBl I 88/2022) nunmehr möglich sein, gemeinnützige Wohnungsbestände im Rahmen des steuerfreien Hauptgeschäftes gem. § 7 Abs. 1a Z 1 WGG zum gemeinnützigen Sozialtarif letztlich unreguliert an Anleger zu veräußern – ohne vorherige Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde. Ermöglichen sollen dies die Erläuterungen zur genannten WGG-Novelle. Anleger wiederum sind dann in der komfortablen Lage, die günstig erworbenen Wohnungen frei weiterzuvermieten. Diese drastische Umverteilung zuungunsten sozial Schwächerer sowie des Mittelstandes hin zu Investoren führt das System der Wohnungsgemeinnützigkeit – das sich aus dem verfassungsmäßigen Volkswohnungswesen ableitet – ad absurdum.
Die Rechtsposition des Wirtschaftsministeriums ist zudem unhaltbar: So betont – um lediglich ein Exempel zu benennen – der nunmehrige Verfassungsrichter Holoubek, dass die Bestimmungen der Geschäftskreisregelung gemeinnütziger Bauvereinigung gem. § 7 WGG systemkonform iSd gemeinnützigen Vermögensbindung gem. § 1 Abs. 2 WGG auszulegen sind.[1] Schon an dieser Stelle offenbart sich, dass Anlegerwohnungen keine Deckung in § 7 Abs. 1a Z 1 WGG finden können.
Die zum Gesetzestext im Widerspruch stehenden Erläuterungen - Zur Z 3 (§ 10a WGG) – zeugen nicht lediglich von wohnpolitischer Verantwortungslosigkeit. Sie sind auch formal bzw. legistisch nachweislich misslungen und fehlerbehaftet. Das weist etwa Feichtinger im Artikel „Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022“, erschienen in immolex 2022 nach:
So gestaltet sich die Einordnung nachträglicher Eigentumsübertragung von bis zu drei Wohneinheiten oder Geschäftsräumen pauschal unter § 7 Abs. 3 Z 7 WGG als falsch. Ein gravierender Mangel: Dergestalt würde der Verkauf einer Wohnung an den bisherigen Mieter bzw. Nutzer zum Nebengeschäft herabgestuft. Dazu Feichtinger:
Lediglich die nachträgliche Veräußerung leerstehender Wohnungen und Geschäftsräume an Dritte, für die keine ausdrückliche Zustimmung der Landesregierung gem § 10a Abs 1 lit d und e WGG erforderlich ist, wird als Nebengeschäft iSd § 7 Abs 3 Z 6 WGG eingeordnet.[2]
Der nächste Fehlverweis in den Materialien betrifft § 7 Abs. 1a Z 2 WGG:
Eine Dreiteilung der Geschäftskreiseinordnung – wie diese vom Gesetzgeber bei der nachträglichen Eigentumsübertragung durch § 7 Abs 1a Z 2 und Abs 3 Z 6 WGG, welcher festhält, welche Rechtsgeschäfte die nachträgliche Eigentumsübertragung betreffend ein genehmigungspflichtiges Ausnahmegeschäft nach § 7 Abs 4 WGG darstellen und gleichzeitig der Zustimmung der Aufsichtsbehörde nach § 10a Abs 1 lit d und/ oder lit e WGG bedürfen, statuiert ist –, gibt es bei der sofortigen Eigentumsübertragung nicht.[3]
Holoubek/Hanslik-Schneider kritisieren in der aktuellen Auflage Illedits, Wohnrecht Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4 die gegenständlichen Erläuterungen in aller Deutlichkeit:
Die Begründung zur WGG-Novelle 2022, BGBl I 2022/88, zum neu gefassten § 10a Abs 1 lit d WGG (IA 2571 BlgNR 27. GP 3 bzw AB 1522 BlgNR 27. GP 1) ist überschießend bzw zu wenig differenziert, weil sie sich allgemein auf „Paketverkäufe“ und nicht auf die mit BGBl 2022/88 letztlich erfolgte Änderung in § 10a Abs 1 lit d WGG im Hinblick auf (die Ausnahme von) Ein- und Abstellplätzen bezieht.[4]
Auch Prader/Pittl verweisen in ihrem aktuellen Kommentar auf die Rechtsposition des Revisionsverbandes, wonach der Sofortverkauf von Wohnraum außerhalb der Selbstnutzung grundsätzlich als Ausnahmegeschäft gem. § 7 Abs. 4 WGG zu qualifizieren ist.[5] Wiederum schließen sich die Autoren nicht der Sichtweise des Wirtschaftsministeriums an.
Der genossenschaftliche Revisionsverband hat bereits offiziell bekanntgegeben, den gegenständlichen Erläuterungen nicht zu folgen.[6] Auch die niederösterreichische Aufsichtsbehörde über gemeinnützige Bauvereinigungen bekennt sich hierzu, wie aus einer offiziellen schriftlichen Anfragebeantwortung durch den zuständigen Wohnbaulandesrat hervorgeht.[7]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um in der bezeichneten Causa Rechtssicherheit herzustellen bzw. daran mitzuwirken, den gemeinnützigen Wohnbau vor dem schleichenden Zerfall zu schützen?
2. Seit wann ist Ihnen die dargestellte Problematik rund um Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau bekannt?
3. Waren Sie bzw. Mitglieder Ihres Kabinetts bzw. Bedienstete des BMJ diesbezüglich bereits in Kontakt mit der zuständigen Abteilung des BMAW?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
4. Seit wann ist Ihnen die Problematik fehlerbehafteter Erläuterungen iZm der WGG-Novelle 2022 bekannt?
5. Waren Sie bzw. Mitglieder Ihres Kabinetts bzw. Bedienstete des BMJ diesbezüglich bereits in Kontakt mit der zuständigen Abteilung des BMAW?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
[1] Holoubek in Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994), Seite 348
[2] Feichtinger, Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022, immolex 2022 (290) Seite 291
[3] Feichtinger, Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022, immolex 2022 (290) Seite 292
[4] Illedits, Wohnrecht Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4
[5] Prader/Pittl, WGG Kurzkommentar (2022) § 7 WGG Rz 6
[6] GBVintern 09/22, Seiten 5-7
[7] Anfragebeantwortung Martin Eichtinger 2388/A-5/528-2022 vom 13.12.2022