14009/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.02.2023
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Keine zweite BUWOG! – Legistische Mängel bzw. Fehlleistungen in der WGG-Novelle 2022 und dringender Korrekturbedarf

 

 

Die WGG-Novelle 2022 (BGBl I 88/2022) sollte die gemeinnützige Wohnungswirtschaft vor Spekulation schützen. Tatsächlich ist jedoch leider das Gegenteil der Fall: Überaus diskret gelangten Erläuterungen in den Text des Initiativantrages, die offenbar der Spekulation mit gemeinnütziger Wohnungssubstanz Tür und Tor öffnen sollen. Dies lässt sich exemplarisch der Vortragsunterlage der wohnenplus-Akademie zur „Freitag-Akademie für Führungskräfte, Modul 96, Spekulation im geförderten Wohnbau verbieten?“ entnehmen. Darin wird durch einen Vortragenden dahingehend argumentiert, dass seit der WGG-Novelle 2022 Wohnungen außerhalb der Selbstnutzung im Rahmen des steuerfreien Hauptgeschäftes veräußert werden können. Eine derartige regulatorische Zielsetzung untergräbt die Fundamente der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Gleichzeitig steht dies in unmittelbarem Widerspruch zum Schutz des gemeinnützigen Wohnbaus vor Spekulation.

 

Die fragwürdige mediale Rechtfertigungsstrategie des Wirtschaftsministeriums, wonach es in Gestalt von § 15i WGG zu einer Ausweitung antispekulativer Normen gekommen ist, muss in diesem Zusammenhang als mindestens doppelbödig bzw. irreführend bezeichnet werden. So kommt § 15i WGG bei freifinanziertem Wohnraum nicht zur Anwendung. Und lediglich freifinanzierter Wohnraum wird Investoren als Anlageprodukt zur Verfügung stehen. Dies bedeutet letztlich, dass Anleger Wohnungen zu günstigen WGG-Kaufpreisen erwerben und unmittelbar frei weitervermieten können. Der soziale Vorteil der Wohnungsgemeinnützigkeit kommt nicht mehr dem Mieter, sondern Anlegern zugute. Eine Entwicklung, die sich mit dem verfassungsmäßigen Volkswohnungswesen nicht vereinbaren lässt.

 

Hier befördert der Wirtschaftsminister eine neoliberale Agenda, die dramatische Folgen für die leistbare Wohnversorgung mit sich bringen wird. Nicht ohne Grund warnen die Sozialpartner in Gestalt der Arbeiter- und Wirtschaftskammer bereits vor dieser Entwicklung, wie der Tageszeitung „Kurier“ im Artikel vom 6.12.2022 „Sozialwohnungen drohen in die Hand von Investoren zu fallen“ zu entnehmen ist.[1] In selbigem Bericht spricht sich der Obmann des „Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen“ für rasche Korrekturen aus und sieht dringenden regulatorischen Handlungsbedarf. Auch die sozialdemokratische Genossenschaftsfraktion innerhalb des Verbandes – der „Verein für Wohnbauförderung“ – positionierte sich bereits ebenso offen wie deutlich gegen Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbausektor.[2] Auch Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter und Wohnbaulandesrat, Dr. Manfred Haimbuchner, äußerte sich ablehnend und forderte den Gesetzgeber auf, die Problematik im Sinne der Vermögensbindung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und gegen Anlegerwohnungen aufzulösen.[3]

 

Der niederösterreichische Landtag positionierte sich einstimmig gegen Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau. Ein entsprechender Antrag („Keine Anlegerwohnungen bei Wohnungsgenossenschaften“, GZ Ltg.-2391/A-3/784-2022[4]) der freiheitlichen Fraktion wurde im Rahmen der 59. Landtagssitzung am 15.12.2022 mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. 

 

Doch die gegenständlichen Erläuterungen - zur Z 3 (§ 10a WGG) – zeugen nicht lediglich von wohnpolitischer Verantwortungslosigkeit. Sie sind auch formal bzw. legistisch nachweislich misslungen und fehlerbehaftet. Das weist etwa Feichtinger im Artikel „Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022“, erschienen in immolex 2022 nach: So gestaltet sich die Einordnung nachträglicher Eigentumsübertragung von bis zu drei Wohneinheiten oder Geschäftsräumen pauschal unter § 7 Abs. 3 Z 7 WGG als falsch. Ein gravierender Mangel: Dergestalt würde der Verkauf einer Wohnung an den bisherigen Mieter bzw. Nutzer zum Nebengeschäft herabgestuft. Dazu Feichtinger:

 

Lediglich die nachträgliche Veräußerung leerstehender Wohnungen und Geschäftsräume an Dritte, für die keine ausdrückliche Zustimmung der Landesregierung gem § 10a Abs 1 lit d und e WGG erforderlich ist, wird als Nebengeschäft iSd § 7 Abs 3 Z 6 WGG eingeordnet.[5]

 

Der nächste Fehlverweis in den Materialien betrifft § 7 Abs. 1a Z 2 WGG:

 

Eine Dreiteilung der Geschäftskreiseinordnung – wie diese vom Gesetzgeber bei der nachträglichen Eigentumsübertragung durch § 7 Abs 1a Z 2 und Abs 3 Z 6 WGG, welcher festhält, welche Rechtsgeschäfte die nachträgliche Eigentumsübertragung betreffend ein genehmigungspflichtiges Ausnahmegeschäft nach § 7 Abs 4 WGG darstellen und gleichzeitig der Zustimmung der Aufsichtsbehörde nach § 10a Abs 1 lit d und/ oder lit e WGG bedürfen, statuiert ist –, gibt es bei der sofortigen Eigentumsübertragung nicht.[6]

 

Holoubek/Hanslik-Schneider kritisieren in der aktuellen Auflage Illedits, Wohnrecht  Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4 die gegenständlichen Erläuterungen in aller Deutlichkeit:

 

Die Begründung zur WGG-Novelle 2022, BGBl I 2022/88, zum neu gefassten § 10a Abs 1 lit d WGG (IA 2571 BlgNR 27. GP 3 bzw AB 1522 BlgNR 27. GP 1) ist überschießend bzw zu wenig differenziert, weil sie sich allgemein auf „Paketverkäufe“ und nicht auf die mit BGBl 2022/88 letztlich erfolgte Änderung in § 10a Abs 1 lit d WGG im Hinblick auf (die Ausnahme von) Ein- und Abstellplätzen bezieht“.[7]

 

Auch Prader/Pittl verweisen in ihrem aktuellen Kommentar auf die Rechtsposition des Revisionsverbandes, wonach der Sofortverkauf von Wohnraum außerhalb der Selbstnutzung grundsätzlich als Ausnahmegeschäft gem. § 7 Abs. 4 WGG zu qualifizieren ist.[8] Wiederum schließen sich die Autoren nicht der Sichtweise des Wirtschaftsministeriums an. Der Revisionsverband und die Finanzverwaltung haben bereits angekündigt, den gegenständlichen Erläuterungen nicht zu folgen. Das Wirtschaftsministerium nimmt hier eine wohnpolitisch ebenso neoliberale wie verantwortungslose Außenseiterposition ein.

 

Umso unverständlicher erscheint, weshalb Wirtschaftsminister Martin Kocher offenbar keinen Handlungsbedarf erkennen will, wie dem in der Tageszeitung „Kurier“ vom 19.12.2022 erschienene Artikel „FPÖ warnt vor Spekulanten im sozialen Wohnbau“ zu entnehmen ist.[9]

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft folgende

 

Anfrage

 

1.    Wann fanden die gegenständlichen Erläuterungen zur Z 3 (§10a) in der beschlossenen Fassung Eingang in die Textierung der WGG-Novelle 2022?

2.    Welchen Personen bzw. Stellen wurde dieser Entwurf wann übermittelt?

3.    Wurde (etwa durch die ausarbeitende Person bzw. Stelle) auch darauf hingewiesen, dass es sich hierin um die Etablierung von Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau handelt?

4.    Wie erklären Sie, dass diese verhältnismäßig kurzen Erläuterungen derart mit objektivierbaren legistischen Fehlern behaftet sind?

5.    Weshalb sehen Sie keinen dringenden regulatorischen Handlungsbedarf, wenn die Sozialpartnerschaft, der Österreichische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, der Verein für Wohnbauförderung, der zuständige Revisionsverband, die zuständige Finanzverwaltung und die Literatur – darunter ein wohnrechtlich besonders renommierter Verfassungsrichter – hier Probleme orten?

6.    Wie planen Sie die Problematik – etwa im Rahmen einer WGG-Novelle – konkret aufzulösen?



[1] https://kurier.at/chronik/wien/sozialwohnungen-drohen-in-die-hand-von-investoren-zu-fallen/402250359

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221214_OTS0023/vwbf-fordert-keine-anlegerwohnungen-im-gemeinnuetzigen-wohnbau-und-erhoehung-der-wohnbaufoerderung-auf-1-des-bip 

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221213_OTS0150/manfred-haimbuchner-zu-anlegerwohnungen-im-sozialen-wohnbau-wohnungsgemeinnuetzigkeit-muss-auf-ihre-wurzeln-fokussiert-sein

[4] https://noe-landtag.gv.at/gegenstaende/XIX/XIX-2391

[5] Feichtinger, Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022, immolex 2022 (290) Seite 291

[6] Feichtinger, Der „Paketverkauf“ nach der WGG-Novelle 2022, immolex 2022 (290) Seite 292

[7] Illedits, Wohnrecht  Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4

[8] Prader/Pittl, WGG Kurzkommentar (2022) § 7 WGG Rz 6

[9] https://kurier.at/politik/inland/fpoe-warnt-vor-spekulanten-im-sozialen-wohnbau/402265098