14094/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.02.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Schikane der AGES gegenüber CBD-Kosmetikproduzenten
Die Frage der Einschätzung von Cannabinoiden als neuartige oder erlaubte Inhaltsprodukte in Kosmetika und Lebensmitteln beschäftigt seit dem sogenannten CBD-Erlass im Jahr 2018 (1) noch immer viele Wirtschaftsreibende. Seitens der EU und durch Urteile des EuGH gibt es klare Einschätzungen, die CBD als Inhaltsstoff erlauben: Die EU hat 2021 beispielsweise verschiedene Formen von Cannabinoiden auch in die sogenannte CosIng-Datenbank, also die Datenbank von EU-weit erlaubten Inhaltsstoffen in kosmetische Produkten aufgenommen und mittlerweile auch keine Verweise mehr auf internationale Restriktionen in dieser eingetragen (2). Sowohl natürlich extrahiertes, als auch synthetisch hergestelltes CBD (3) sowie weitere zahlreiche Extrakte aus Blättern, Blüten und Wurzeln der Hanfpflanze (4) sind EU-weit somit als Inhaltsstoffe erlaubt, offen bleibt also, wie es zu unterschiedlichen Einschätzungen kommt. So steht das BMSGPK nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Europäische Kommission CBD in Kosmetika nur nicht grundsätzlich verbietet (5), einen Grund für die Aufhebung des Erlasses in Bezug auf Kosmetikprodukte gibt es nach Ansicht des BMSGPK allerdings nicht. Eintragungen in der CosIng-Datenbank sind zwar nicht als Empfehlungen zu verstehen, welche Inhaltsstoffe durch die EU als zur Verwendung empfohlen betrachtet werden, eine Eintragung kann aber sehr wohl so verstanden werden, dass es keinen Grund für ein Verbot dieser Stoffe gibt.
Auch der Rückbezug, dass die EU-Kosmetikverordnung auf das UN-Einheitsübereinkommen über Suchtmittel verweist, deutet lediglich auf eine überholte Rechtsauslegung hin. Immerhin hat die WHO empfohlen klarzustellen, dass CBD kein Suchtstoff ist (6), die UN hat CBD-haltige Produkte mit einem THC-Gehalt von weniger als 0,2 Prozent explizit aus dem Einheitsübereinkommen ausgenommen (7) und auch der EuGH hat festgestellt, dass CBD kein Suchtmittel ist (8). Zumindest für Produkte mit einem Grenzgehalt unter diesen 0,2 Prozent können derartige Kettenargumentationen, die de facto bei dem Einheitsübereinkommen enden, nicht mehr als Begründung für das weitere Bestehen des Erlasses verwendet werden.
Theoretisch könnte es sich schlicht um unterschiedliche Rechtsauslegungen handeln, die im Alltag wenig Auswirkungen auf Menschen oder Unternehmen haben. Durch den freien Warenverkehr und den steigenden Onlinehandel kann in solchen Situationen aber kaum noch von nationalen Lösungen gesprochen werden, die unabhängig voneinander parallel gelebt werden. Sondern in der Praxis bedeutet das Beharren des BMSGPK auf den Erlass, dass Unternehmer in ihrer Tätigkeit eingeschränkt sind, da selbst die Produktion für einen Verkauf in Nachbarländer nicht unproblematisch ist. Wirtschaftstreibenden wird damit eine enorme Hürde gelegt, für Kund:innen hat der Erlass aber kaum Wirkung, da selbst das BMSGPK feststellt, dass CBD-Produkte trotz des Verbots der Inverkehrsbringung verkauft werden.
Betrachtet man diese Inverkehrsbringung genauer und spezifisch - wie die AGES als Lebensmittelaufsichtsbehörde mit diesen Fällen umgeht - ergeben sich aber noch weitere Probleme im Umgang der Behörden mit Produzenten. So werden beispielsweise im Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika durch die Lebensmittelaufsichten der Bundesländer kontrolliert, seit dem CBD-Erlass ist die Anzahl der Kontrollen und Beanstandungen massiv angestiegen (9).
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Nahrungsergänzungsmittel |
Kosmetika |
||
|
|
Kontrollen |
Beanstandungen |
Kontrollen |
Beanstandungen |
|
2016 |
1 |
0 |
12 |
7 |
|
2017 |
- |
- |
- |
|
|
2018 |
1 |
1 |
1 |
1 |
|
2019 |
50 |
48 |
8 |
6 |
|
2020 |
24 |
24 |
10 |
10 |
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2021 |
20 |
20 |
8 |
7 |
Nun steht es theoretisch Lebensmittelbehörden zu, Produkte in ihrem Zuständigkeitsbereich zu kontrollieren und potenzielle Vergehen zu ahnden. In den oben genannten Fällen wurde das Inverkehrbringen von nicht zugelassenem Novel Food, Überschreiten von Grenzgehalten an THC oder Cannabinoiden, irreführende Angaben oder Probleme mit der Kennzeichnung oder Sicherheitsbewertung als Grund angegeben. Problematisch ist dies auch, weil die AGES kosmetische Produkte gemäß der EU-Kosmetik-Verordnung teilweise als Nahrungsergänzungsmittel einstufen und Anzeigen verhängen dürfte.Die Frage, inwiefern diese Beurteilungen überhaupt getroffen werden können, ist allerdings nicht geklärt, immerhin gibt es beispielsweise durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine ausführliche Rechtssprechung, inwiefern Straferkenntnisse der AGES überhaupt erfolgen können (10). Einerseits kommt der oberösterreichische Landesverwaltungsgerichtshof in diesem Urteil zum Schluss, dass die AGES nicht die nötige Kompetenz zur Beurteilung solcher Rechtsfragen hat, andererseits scheint es in beanstandeten Einzelfällen keine ausreichenden Prüfungen zu geben, inwiefern Produkte tatsächlich die zugrundeliegenden Kriterien erfüllen oder ob der Tatbestand des Inverkehrbringens erfüllt wird. Nachdem die AGES eine Monopolstellung in der Produktion von potenten Cannabisprodukten innehat, ist deren neutrale Beurteilungsbasis schon von sich aus zu hinterfragen, doch besonders kritisch ist diese Frage unter dem Aspekt, dass bei Verfahren der AGES offenbar nicht unbedingt sichergestellt wird, dass (angeblich nicht erlaubte Produkte) für den österreichischen Markt produziert werden, eine Produktion in Österreich und beispielsweise exklusiver Vertrieb ins Ausland sollte rechtlich schließlich trotz eines Verkaufsverbots innerhalb Österreichs möglich sein - sofern natürlich nationale Auflagen einer ordnungsgemäßen Produktion eingehalten werden. Dennoch scheinen Lebensmittelbehörden und die AGES diese Verfahren uneingeschränkt weitergeführt zu haben, erschwerend kommt außerdem hinzu, dass abgestrafte Unternehmen die Kosten für Verwaltungsstrafen oder die - illegitimen - Gutachten ("Untersuchungszeugnisse") der AGES selbst tragen mussten und auch bei eingestellten Verfahren auf den Kosten für Rechtsberatung und Schriftverkehr sitzen bleiben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende