14113/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.02.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Folgeanfrage: Beweissicherung von Kriegsverbrechen

 

Um die Aufklärung der in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen und anderen Völkerrechtsverbrechen voranzutreiben, stellt das Außenministerium dem Büro des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) 100.000 Euro zur Verfügung. Das Justizministerium entsendet zudem eine/n zusätzliche Expert:in zum IStGH, um Kriegsverbrechen noch wirksamer verfolgen zu können.

Essentiell ist jedoch die Beweissicherung von Völkerrechtsverbrechen für die Aufarbeitung durch den IStGH in jedem einzelnen Land. Darüber verständigte man sich auch Anfang März im Rahmen eines Treffens des Rats der Justiz- und Innenminister:innen in Brüssel.

In Österreich informieren Justiz- und Innenministerium schutzsuchende Personen aus der Ukraine seit 28.4.2022 mit einer SMS über Ermittlungen zu Kriegsverbrechen (SMS-Infos zu Kriegsverbrechen für Vertriebene in Österreich - news.ORF.at) und es soll seitens des Justizministeriums eine Kontaktstelle zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine eingerichtet worden sein. Diese soll der Verbesserung der Zusammenarbeit mit der ukrainischen Justiz beitragen und könne Ersuchen etwa bei Beweiserhebungen und Fahndungen der ukrainischen Justizbehörden entgegennehmen und betreiben (Zadić zu Ukraine: „Müssen alles tun, um mögliche Kriegsverbrecher zu verfolgen“ - BMJ, 7.3.2022). 

Am 15.4.2022 teilte das Justizministerium der APA mit, dass es einen Erlass an die Staatsanwaltschaften ausarbeiten werde, durch den die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit bei Kriegsverbrechen präzisiert werden sollen (Österreich könnte bald Ukraine-Kriegsverbrechen verfolgen - SN.at). Per Erlass vom 5. Juli 2022 an die Staatsanwaltschaften präzisiert das Justizministerium die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit bei Kriegsverbrechen und anderen Straftaten nach dem 25. Abschnitt des Strafgesetzbuches. Abseits dessen bleibt unklar, welche Einrichtung mit welchen Ressourcen seit wann besteht, um in Österreich wichtige Beweise zeitnah zu sichern, und inwieweit dies auch ohne ein Ersuchen von einer internationalen oder ausländischen Strafermittlungsbehörde realisiert werden soll. 

Licht in die Gegebenheiten brachten wir NEOS durch eine Anfrage zur Beweissicherung von Kriegsverbrechen und anderer Völkerrechtsverbrechen (12159/J), soweit sie durch Sie beantwortet wurde. In der Beantwortung wurde darüber informiert, dass es zur damaligen Zeit (10. Oktober 2022) keine Ermittlungsverfahren betreffend Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine gab. Hinsichtlich des von ukrainischen Behörden übermittelten Rechtshilfeersuchens gab das Justizministerium keine weiteren Details bekannt. Bezüglich der Tätigkeiten des österreichischen Büros bei Eurojust zur Beweissicherung waren in der Beantwortung auch keine Einzelheiten enthalten. Ebenso blieben die Fragen nach den im Inland zur Verfügung gestellten Ressourcen weitgehend offen. Es seien bei mehreren Staatsanwaltschaften Sonderreferate zur Bearbeitung von Verfahren bzgl. Völkerrechtsverbrechen eingerichtet worden - doch welche Ressourcen davon konkret umfasst sind, bleibt unklar.

Somit verlangen einige Antworten weitere Präzisierung. Denn in Deutschland hat der Generalbundesanwalt in Karlsruhe wegen möglicher russischer Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine Ermittlungen aufgenommen. Demnach verfügen in Deutschland Behörden über Informationen, dass solche Verbrechen bereits begangen wurden oder in Zukunft begangen werden könnten. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann ist ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dabei handelt es sich nicht um Ermittlungen gegen eine konkrete Person, sondern um ein Verfahren zur Sicherung von Beweisen. Diese könnten in Zukunft für strafrechtliche Verfahren gegen Einzelne genutzt werden (Kriegsverbrechen in der Ukraine: Generalbundesanwalt ermittelt wegen möglicher Kriegsverbrechen | ZEIT ONLINE). 

Deutschland richtete auch mittlerweile die "Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen" (ZBKV) im Bundeskriminalamt ein, die im Auftrag des Generalbundesanwaltes bei Straftaten gegen das Völkerstrafrecht ermittelt. Sie ist als die deutsche kriminalpolizeiliche "War Crimes Unit" in die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz integriert. Auf nationaler Ebene steht die ZBKV in engem Informationsaustausch u.a. mit dem Generalbundesanwalt, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Bundesamt für Justiz, dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie den ZBKV-Ansprechstellen der Landeskriminalämter und der Bundespolizei. International findet eine enge Kooperation vor allem mit den für die Verfolgung von Völkerstraftaten zuständigen "War Crimes Units" ausländischer Polizeibehörden statt.

Um etwas Vergleichbares auch in Österreich zu ermöglichen, forderten wir NEOS die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz sowie der Bundesminister für Inneres, auf, eine vergleichbare Stelle gemeinsam mit dem BMJ zu errichten (2519/A(E) und 2517/A(E)).

Aufgrund der offenen Fragen und Skepsis an der weiteren Entwicklung zur Beweissicherung in Österreich von Kriegsverbrechen in der Ukraine ergibt sich Bedarf an einer weiteren Anfrage.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Welche Schritte haben die vier Mitarbeiter:innen des österreichischen Büros bei Eurojust jeweils wann gesetzt, um die ukrainische Verbindungsstaatsanwältin bei Beweissicherung und Ermittlungen zu unterstützen?
    1. Mit welchem Ergebnis? 
  1. Welche Schritte wird Ihr Ressort weiters wann setzen, um die ukrainische Verbindungsstaatsanwältin zu unterstützen?
  2. Ukrainische Behörden haben dem österreichischen Büro bei Eurojust ein Rechtshilfeersuchen übermittelt: Was beinhaltet dieses Rechtshilfeersuchen?
    1. Wann wurde dieses Rechtshilfeersuchen übermittelt?
    2. Wie wurde in der Folge verfahren bzw. welche Schritte wurden jeweils wann gesetzt, um dieses Ersuchen weiter zu betreiben?
  1. Was beinhaltet das Memorandum of Understanding zwischen dem Bundesministerium für Justiz und der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft bezüglich der Verfolgung von Straftaten in Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in der Ukraine konkret? 
    1. Welche Handlungen zur Unterstützung bzw. zur Zusammenarbeit mit der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden seitens Österreichs darauf basierend jeweils wann und mit welchem Ergebnis gesetzt? 
  1. Nach Angaben des BMJ wurden "bei mehreren Staatsanwaltschaften Sonderreferate zur Bearbeitung von Verfahren nach dem 25. Abschnitt des StGB eingerichtet": Welche Ressourcen sind hiervon konkret umfasst?
    1. Wie viele Sonderreferate wurden eingerichtet? 
    2. Wie viele Mitarbeiter:innen stehen jeweils zur Verfügung?
    3. Wie viele Staatsanwält:innen stehen jeweils zur Verfügung?
  1. Ist die Zurverfügungstellung weiterer Ressourcen zur Bearbeitung von Verfahren nach dem 25. Abschnitt des StGB geplant?
    1. Wenn ja, wann und in welchem Umfang? 
  1. Ergingen seitens Ärzt:innen Anzeigen an die Staatsanwaltschaft gemäß § 54 Abs 4 ÄrzteG betreffend ukrainische Schutzsuchende? 
    1. Wenn ja, wann und wie viele? 
    2. Wenn ja, wie wurde in der Folge jeweils wann und mit welchem Ergebnis verfahren? 
  1. Wurden inzwischen Ermittlungen in Hinblick auf Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine aufgenommen?
    1. Wenn ja, wann und durch welche Maßnahmen?
  1. Welche Schritte wird Ihr Ressort weiters wann setzen, um die Beweissicherung von Kriegsverbrechen und anderer Völkerrechtsverbrechen sicherzustellen?