14122/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.02.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Evaluierung Community Nurses
Community Nurses ist ein Berufstitel, der in den vergangenen Jahren immer häufiger verwendet wurde. Was genau er bedeutet, ist vielen aber nicht ganz klar. In Großbritannien beispielsweise gibt es Community Nurses schon seit Jahren, dort gibt es ein breites Spektrum an Aufgaben, innerhalb dessen Community Nurses selbstständig medizinische Aufgaben durchführen. So wird dort allgemein gesagt, dass Community Nurses medizinische Ratschläge abgeben, medizinische Prozedere außerhalb von Krankenhäusern durchführen - wie etwa Medikamentenabgabe, Blutabnahme oder Verbandswechsel - gleichzeitig können Katheter gesetzt werden oder Inkonitenzversorgung geleistet werden. In anderen Fällen können Community Nurses sogar bei Hausbesuchen Chemotherapien verabreichen oder Diabeteskontrollen durchführen (1). Aufgaben, die in Österreich niemals selbstständig von Pflegekräften durchgeführt werden dürften.
Möglicherweise auch deshalb ist die Frage der Definition und der Aufgabenprofile in Österreich ganz anders gelegt. Begonnen hat die Frage schon mit dem Regierungsprogramm, das Community Nurses in 500 Gemeinden bis zum Ende der Legislaturperiode vorsieht (2). Indirekt von Vorteil war dafür die Pandemie, da in deren Folge der EU Aufbau- und Resilienzplan Mittel für Reformen zur Verfügung gestellt hat und Österreich im Rahmen des Aufbauplanes ebenso die Umsetzung von Community Nursing beantragte (3).
Antragschaos - wer meint was?
Ab da musste es allerdings sehr schnell gehen: Im Februar endete der Begutachtungsprozess des Aufbauplans (4), im Juni wurde dessen Beurteilung durch die EU-Kommission abgeschlossen (5) und im Herbst wurde seitens der Gesundheit Österreich GmBH (GÖG) eine Definition für Community Nurses vorgelegt (6). Problematisch sind hier die Formulierungen, da die genauen Projektdefinitionen eher vage gehalten sind. So sollen Community Nurses laut dem vorgelegten Plan "einen wesentlichen Beitrag zur wohnortnahen, niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung leisten, Community Nurses (CN) sind zentrale Ansprechpersonen, die die Koordination diverser Leistungen (z.B. von Therapien und sozialen Dienstleistungen) übernehmen sowie im Präventionsbereich eine zentrale Rolle spielen." (4)
Die Bewertung der EU-Kommission scheint hier schon ein anderes Verständnis zu haben, was genau die Community Nurses leisten sollen: "Das Pilotprojekt „Community Nursing“ soll ein angemessenes Angebot an wohnortnaher Langzeitpflege in Regionen sicherstellen, in denen solche Leistungen bislang nur schwer verfügbar sind." (5).
Vielleicht um all diese Auslegungen zu verbinden hat die GÖG sich für eine neutrale Zwischendefinition entschieden. Sie gibt Community Nurses das Ziel, "die Gesundheit aller Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Zielgruppen, im kommunalen bzw. gemeindenahen Setting sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher und politischer Ebene zu verbessern."(6) Ein konkretes Berufsbild für Community Nurses gibt es damit jedoch noch nicht. Spannend ist auch der Verweis, dass Community Nurses gemäß §12 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit sowie der höchstmöglichen Lebensqualität aus pflegerischer Sicht beitragen sollen (7). Eben dieser Paragraph bezieht sich aber lediglich auf die Präventionsaufgaben gehobener Pflegekräfte, ein eigenes Berufsbild für Community Nurses entsteht dadurch in keiner Weise.
Definition im Rahmen der Ausschreibung
Wer ein Projekt starten will, muss dafür auch Personal finden. Wie genau das gehen soll, war zu Beginn nicht klar und die ersten Einladungen um Bewerbung durch den damaligen Gesundheitsminister im August 2021 starteten noch ohne Projektdefinition (8). Erst später wurde der Fördercall für die Projekte veröffentlicht, auch in diesem ist nur in zwei Absätzen von einem Beitrag zu Prävention und Gesundheitsförderung die Rede, auch der Verweis auf die WHO ist wenig aufschlussreich:
"Dieser Ansatz umfasst die Fürsprache für Individuen und Familien, für Gruppen und Gemeinschaften und deren Gesundheitsanliegen und ‐probleme sowie die Entwicklung und Planung von Netzwerken im öffentlichen Leben, die sich mit Fragen des barrierefreien Zugangs zu Pflege‐, Gesundheits‐ und Sozialdienstleistungen beschäftigen. Mit einem mehrperspektivischen Zugang zu Gesundheit erfolgt die Pflege in der Gemeinde, also in den Wohn‐ und Lebenswelten von Menschen." (9)
Unabhängig von den Auslegungsfragen startete die Ausschreibung, 150 Stellen sollten mit den EU-Mitteln geschaffen werden. Unklar war immer noch: Sind Community Nurses in Gemeinden und beispielsweise telefonisch verfügbar, um zu erklären, wo welche Anträge für Pflegeunterstützungen gestellt werden können, sollen sie Hausbesuche absolvieren oder pflegende Angehörige entlasten? 145 Anträge gingen in diesem ersten Fördercall ein, 237,78 Community Nurses entsprach dies in Vollzeitäquivalenten. Wie viele dieser Anträge in erster Instanz umgesetzt wurden, wurde nicht kommuniziert. Bis November 2022 wurde von 115 Verträgen und 275 Pflegepersonen (164 VZÄs) gesprochen, bis 2024 sollten für das Projekt 49,6 Millionen ausgegeben werden. Auch hier weiß man allerdings nicht genau, was das in der Praxis bedeutet. Einige der Projekte werden von Organisationen wie der Diakonie (11) umgesetzt, andere von Sozialhilfevereinen oder individuellen Gemeinden. Doch nicht alle in den Gemeinden freuten sich über die neue Initiative.
Der Städtebund beispielsweise kritisierte von Anfang an, dass nach Ablaufen des EU-Projektes keine Finanzierung sicher gestellt wäre(12). Ein Problem, das sich bei Projekten des Recoveryfunds teilweise wiederholt. Genau diese finanzielle Frage wurde kolportierterweise auch für Pflegepersonal zum Problem, da die Gemeinden Vorgaben über Gehaltshöhen hatten und die Stellen als Community Nurses damit eine weitere Konkurrenz zu Krankenhaus- oder Pflegeheim als Arbeitsort sind. Auch, wie Community Nurses nach 2024 finanziert werden könnten, ist gänzlich offen. Testballons, um erste Evaluierungen zu schaffen, wie ein konkretes Berufsbild geschaffen werden könnte, setzen aber zumindest einmal einen ersten Schritt. Fraglich ist allerdings noch, wie genau diese Evaluierung aussieht und in welcher Form diese veröffentlicht wird.
Grauzone School Nurse
Erschwert wird die Evaluierung dadurch, dass die Projekte verschiedene Auslegungen von Community Nurses abbilden. So haben die Community Nurses zwar ein gewisses Aufgabenprofil (Zugehörigkeit stärken/Pflegeangebote erheben/Abwanderung monitoren), dieses bezieht sich aber nicht wirklich auf direkte Leistungen der Pflege und kann innerhalb von Pilotprojekten unterschiedlich gewichtet werden.
Weitere Probleme in der Nachverfolgung ergeben sich dadurch, dass das Projekt nicht nur Community Nurses beinhaltet, sondern auch die (ebenfalls im Regierungsprogramm enthaltenen) School Nurses dazu gehören. So hat zumindest die Stadt Wien aus Mitteln des Projektes School Nurses als Pilotprojekte eingeführt (13). Eine wichtige und überfällige Maßnahme, immerhin sind Weiterentwicklungen im Bereich der Schulgesundheit seit Jahren überfällig. Dennoch zeigen sich Bildungs- und Gesundheitsministerium eher unwillig in diesem Thema (14) und durch derartige Pilotprojekte können zumindest erste Einblicke gesammelt werden, welche Entwicklungen möglich wären.
Was genau die Aufgaben von Community Nurses und School Nurses in der Praxis sind und ob damit dem Anspruch einer höheren, pflegerischen Kompetenz und Selbstständigkeit Rechnung getragen wird - wie es eben beispielsweise bei Community Nurses in Großbritannien der Fall ist - ist unklar. Nachdem die Weiterentwicklung des Pflegesystems aufgrund der prekären Situation allerdings nicht bis Projektende aufgeschoben werden kann, braucht es auch schon begleitende Informationen, wie diese Projekte sich auswirken.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende