14128/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.02.2023
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möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Diskriminierung HlV-positiver Personen bei der Polizei
HIV hat sich durch die medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte zu einer gut behandelbaren Infektion entwickelt. Menschen mit HIV haben - sofern sie sich in guter und regelmäßiger medizinischer Behandlung befinden - eine nahezu normale Lebenserwartung mit guter Lebensqualität. HIV ist zwar eine chronische Infektion, HlV-Positive unter wirksamer Therapie können jedoch jeden Beruf ohne Einschränkungen ausüben. Eine HIV- positive Person, die unter retroviraler Therapie steht, scheidet als Überträger*in des Hl-Virus aus. Die konsequente Behandlung mittels einer antiretroviralen Therapie führt dazu, dass die Virenlast unter der sogenannten Nachweisgrenze (laut WHO: 200 Kopien/ml Blut) liegt - es besteht damit aus medizinischer Sicht keine Ansteckungsgefahr mehr.
Leider schreitet die gesellschaftliche Entstigmatisierung von HIV nicht mit gleich großen Schritten voran wie die medizinische Behandelbarkeit. Gerade auch der öffentliche Dienst hat in dieser Frage noch großen Aufholbedarf: Ein positiver HIV-Test schließt bis heute pauschal vom Bewerbungsverfahren für den Polizeidienst in Österreich pauschal aus. Begründet wird dies vom BMI bisher damit, dass jede chronische Erkrankung, die einer Dauermedikation bedarf, ein Ausschlusskriterium darstellt. Dieser generelle Ausschluss ohne Begutachtung der individuellen Tauglichkeit der jeweiligen Person ist laut aktuellem wissenschaftlichem Stand der medizinischen Forschung nicht nachvollziehbar und kommt daher einer Diskriminierung von HlV-positiven Menschen gleich. Gleichzeitig ist eine HIV- Infektion im Zuge des aktiven Dienstzeitraums kein Grund für eine Kündigung oder ähnliches - sie stellt nur beim Zugang zum Polizeidienst eine Hürde dar.
Die besonders verantwortungsvolle und herausfordernde Tätigkeit im Rahmen des Polizeidienstes kann natürlich von HlV-positiven Menschen gut bewältigt werden. Die individuelle ärztliche Begutachtung des Einzelfalls und die jeweilige körperliche Leistungsfähigkeit sind klarerweise von enormer Bedeutung - der Hl-Virus an sich, vor allem unter der Nachweisgrenze, ist dafür aber kein relevantes Kriterium. Der aktuelle generelle Ausschluss erfolgt nicht nach sachlich gerechtfertigten Maßstäben.
In Deutschland hat das Verwaltungsgericht Hannover im Jahr 2019 im Falle eines abgelehnten Bewerbers für den Polizeidienst festgehalten, dass eine HlV-lnfektion allein nicht untauglich macht und auch für das Erreichen des Dienstalters kein Thema ist. Damit gerade der öffentliche Dienst seine Verpflichtungen im Bereich der Antidiskriminierung endlich erfüllt, ist es dringend notwendig, diese unwissenschaftliche und vorurteilsbehaftete Praxis endlich zu ändern und den Generalausschluss HlV-positiver Personen vom Zugangstest zum Polizeidienst zu beenden!
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Ist Ihrem Ressort der Umstand des generellen Ausschlusses von Personen mit einer HlV-lnfektion vom Bewerbungsverfahren zum Polizeidienst bekannt?
2. Inwieweit ist Ihr Ressort in die Erstellung von medizinischen Kriterien für das Bewerbungsverfahren zum Polizeidienst eingebunden (z.B. durch Amtsärzt*innen)?
3. Gab es seit Ihrem Amtsantritt Gespräche mit dem BMI zur Anpassung dieser Bewerbungsverfahren an die wissenschaftliche Praxis mit dem Ziel eines Abbaus unwissenschaftlicher Diskriminierungen?
a. Wenn ja, wann und mit welchen Ergebnissen fanden diese Gespräche statt?
b. Wenn ja, wurden in diesem Zusammenhang auch andere medizinische Indikationen, die zu einem Ausschluss vom Bewerbungsverfahren führen können, besprochen?
c. Wenn nein, warum nicht?
4. Liegt seitens Ihres Ressorts irgendeine medizinische Grundlage für den Ausschluss HlV-positiver Personen, insbesondere wenn diese unter der Nachweisgrenze sind, vom Bewerbungsverfahren zum Polizeidienst vor?
a. Wenn ja, welche genauen Gründe liegen Ihnen vor?
b. Wenn nein, werden Sie sich gegenüber dem BMI künftig für eine nicht-diskriminierende, wissenschaftsfundierte Praxis beim Bewerbungsverfahren für den Polizeidienst einsetzen?