Eingelangt am 20.02.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an
den Bundesminister für Inneres
betreffend Konsequenzen
des Sonderberichts der Volksanwaltschaft
Die Volksanwaltschaft veröffentlichte im
Dezember 2022 einen "Sonderbericht" im Zusammenhang mit dem
Terroranschlag von Wien vom 2. November 2020. Hauptkritikpunkt des Berichts
ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht darüber informiert wurde, dass der
spätere Attentäter im Sommer 2020 versucht habe, in der Slowakei an
Munition für eine AK-47 zu kommen. Der unterlassene Hinweis an die Staatsanwaltschaft
stellt laut dem Bericht einen folgenschweren Verwaltungsmissstand dar.
Ebenfalls scharf kritisiert wurde im Bericht die
Reaktion des Innenministeriums auf die Prüfung durch die
Volksanwaltschaft. So wurden laut Volksanwaltschaft mehrfach Aktenlieferungen
oder die Beantwortung von Fragen aufgrund von Rechtsirrtümern im
Innenministerium verweigert. Laut des Sonderberichts verweigerte der Leiter der
Sektion III des BMI zunächst die inhaltliche Auseinandersetzung mit den
Fragen der Volksanwaltschaft unter Verweis auf die Einsetzung der
Untersuchungskommission bzw. laufende strafrechtliche Ermittlungen.
Der Bericht sieht weiters
"Rechtsunsicherheit", bedingt durch die Trennung der neuen Direktion
für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in die Bereiche
Nachrichtendienst und Staatsschutz. Die Frage, ob auch nachrichtendienstlich
gewonnene Informationen an die Justiz zu melden seien, sei im
"Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz" nicht klar geregelt,
hier brauche es gesetzliche Klarstellung. Laut einer Reaktion des
Innenministeriums auf den Bericht sei dies nicht korrekt - die Kooperation der
beiden Bereiche sei durch eine "Informationsschnittstelle"
gewährleistet.
Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft übt
auch Kritik am Ermittlungsverfahren durch das Bundesamt
für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK): im Zuge der Vernehmungen sei nicht ausreichend auf
die Aufklärung hingearbeitet worden, wer über die von Europol
Slowakei übermittelten Informationen zu welchem Zeitpunkt Kenntnis hatte,
Ähnliches gilt für die Observation des
„Islamistentreffens“ im Juli 2020. Die Lückenhaftigkeit dieser
Ermittlungen des BAK stellt für die Volksanwaltschaft einen
Verwaltungsmissstand im Sinne des Art. 148a B-VG dar.
Die Volksanwaltschaft empfiehlt dem
Innenministerium im Bericht eine lückenlose disziplinarrechtliche
Aufklärung der Gründe für die nicht (rechtzeitig) erfolgte
Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft über die im LVT Wien bzw.
(seinerzeitigem) BVT bereits im Spätsommer 2020 bekannten
Verdachtsmomente. Laut des Innenministeriums habe eine Prüfung durch die
LPD Wien ergeben, dass weder dienstrechtliche noch disziplinäre
Maßnahmen gegen die betroffenen Beamten zu ergreifen waren.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Welche Abteilung kam zu
der Einschätzung, dass die Volksanwaltschaft aufgrund der laufenden
Ermittlungen keine Prüfbefugnis und keine Akteneinsicht habe?
- Welche Maßnahmen
werden in Ihrem Ressort ergriffen, um in Zukunft die Kooperation mit der
Volksanwaltschaft zu ermöglichen?
- Gab es Konsequenzen
für diesen Rechtsirrtum (Schulungen, Rundschreiben,..)? Bitte um
chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.
- Gab es dienstrechtliche
Konsequenzen für diesen Rechtsirrtum?
- Laut des Sonderberichts
langten am 27.7.2020 ein Europol Bericht samt Fotos beim (damaligen) BVT
ein, der vom versuchten Waffenkauf des Attentäters berichtete, das
(damalige) BVT leitete diese Informationen erst am 25. August 2020 an das
LVT Wien weiter, welche Abteilung war für die Weiterleitung
zuständig?
- Wieso wurden die
Informationen erst einen Monat nach Einlangen weitergeleitet?
- Welche Maßnahmen
werden getroffen, damit eine solche Weiterleitung in Zukunft rascher
erfolgt?
- Laut des Sonderberichts
urgierte die Systemkoordination beim LVT Wien dreimal gegenüber
slowakischen Ansprechpersonen auf eine Auskunftserteilung bezüglich
der Identifizierung des Attentäters. Laut der Volksanwaltschaft
hätte das BVT nachdrücklicher auf eine raschere Veranlassung
dringen müssen und Beschleunigungsmöglichkeiten nützen
müssen. Auf welche Weise erfolgte das Urgieren durch das LVT Wien?
- In welchen zeitlichen
Abständen wurde urgiert?
- Wieso wurde nicht von
den auf Seite 22 des Sonderberichts angeführten
Beschleunigungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht?
- Welche Maßnahmen
werden getroffen um in Zukunft in ähnlich gelagerten Fällen auf
eine raschere Veranlassung zu drängen?
- Laut des Sonderberichts
führte - neben anderen Faktoren - auch ein Rechtsirrtum dazu, dass
die Staatsanwaltschaft nicht informiert wurde, denn entgegen der damaligen
Ansicht der verantwortlichen Stellen im BMI kriminalisieren §§
278a und 278b Abs. 2 StGB bereits Vorbereitungshandlungen, damit war auch
eine Berichterstattung gemäß § 100 Abs 1 und 2 STPO an die
StA möglich und geboten. Welche Abteilung hätte hier die
Weiterleitung zuständig gewesen?
- Gab es Konsequenzen
für diesen Rechtsirrtum (Schulungen, Rundschreiben,..)? Bitte um
chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.
- Welche Maßnahmen
werden gesetzt, um solche Rechtsirrtümer in Zukunft zu vermeiden?
- Gab es für diesen
Rechtsirrtum dienstrechtliche Konsequenzen?
- Die Volksanwaltschaft
stellt in dem Sonderbericht eine "gewisse institutionelle
Abschottung" des (damaligen) BVT fest, welche dazu führte, die Informationsweitergabe
an externe Stellen, möglichst zu vermeiden. Die Volksanwaltschaft
regt vor diesem Hintergrund eine Bewusstseinsbildung in Form von
Schulungen für Bedienstete des (nunmehrigen) DSN und der für
Staatsschutz zuständigen Organisationseinheiten der
Landespolizeidirektionen insbesondere im Hinblick auf ihre Pflichten
gegenüber der Justiz für erforderlich. Sind derartige Schulungen
geplant?
- Falls nein: wieso
nicht?
- Falls ja: Ab welchem
Zeitpunkt sind diese Schulungen geplant?
i. In welcher Form werden diese Schulungen
stattfinden?
ii. Wer sind die Adressaten dieser Schulungen?
- Wo ist die vom
Innenministerium beschriebene Informationsschnittstelle zwischen den
Bereichen Staatsschutz und Nachrichtendienst angesiedelt?
- Welches Verfahren wurde
eingerichtet, um sicherzustellen, dass wichtige Informationen in Zukunft
tatsächlich weitergeleitet werden?
- Ist eine
Überarbeitung des Staats- und Nachrichtenschutzgesetzes geplant, um
sicherzustellen, dass auch nachrichtendienstlich gewonnene Informationen
an die Justiz gemeldet werden?
- Falls nein: wieso
nicht?
- Laut des Sonderberichts
wurde im Zuge der Vernehmungen durch das BAK nicht ausreichend auf die
Aufklärung hingearbeitet, wer von dem Hinweis von Europol Slowakei
bzw. den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zu welchem Zeitpunkt
Kenntnis hatte, Ähnliches gilt für die Observation des
„Islamistentreffens“ im Juli 2020. Wird Ihr Ressort
Konsequenzen in Zusammenhang mit dem hier festgestellten
Verwaltungsmissstand treffen?
- Falls ja, welche
Maßnahmen werden gesetzt?
- Falls nein, wieso
nicht?
- Gibt es
dienstrechtliche Konsequenzen für diesen Verwaltungsmissstand?
- Wie viele Disziplinarverfahren
wurden in Zusammenhang mit den im Sonderbericht erhobenen Vorwürfen
bis zu Tag der Anfrage eingeleitet?
- Welche Dienstpflichtverletzungen
wurden jeweils vorgeworfen?
- Wie viele dieser
Disziplinaranzeigen führten jeweils wann zu einer Verurteilung der
Beamt:innen?
- Wie viele der Verfahren
wurden eingestellt?
- Falls keine
Disziplinarverfahren eingeleitet wurden: wieso nicht?
- Welche anderen
Maßnahmen wurden in Reaktion auf die im Sonderbericht
festgestellten Verwaltungsmissstände wann und durch wen
getroffen?
- Wie viele Strafanzeigen
wurden im Zusammenhang mit den im Sonderbericht erhobenen Vorwürfen
bis zu Tag der Anfrage erstattet?
- Aufgrund des Verdachts
der Erfüllung welches Straftatbestandes wurden die Anzeigen jeweils
erhoben?
- Wie viele der weiteren
Strafanzeigen führten zu Ermittlungen, auf die aber die Einstellung
des Verfahrens folgte?
- In wie vielen dieser
Verfahren kam es zu einer Anklage, danach aber zu einem Freispruch?
- In wie vielen dieser
Verfahren kam es zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen
Verurteilung von Beamt:innen?
- Welche sonstigen
Maßnahmen wurden in Ihrem Ressort in Reaktion auf den Sonderbericht
der Volksanwaltschaft seit dem Tag der Anfrage durch wen wann gesetzt?
- Welche sonstigen
Maßnahmen plant Ihr Ressort in Zukunft in Reaktion auf den
Sonderbericht der Volksanwaltschaft durch wen wann zu setzen?