14182/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.02.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Konsequenzen des Sonderberichts der Volksanwaltschaft

 

Die Volksanwaltschaft veröffentlichte im Dezember 2022 einen "Sonderbericht" im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Wien vom 2. November 2020. Hauptkritikpunkt des Berichts ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht darüber informiert wurde, dass der spätere Attentäter im Sommer 2020 versucht habe, in der Slowakei an Munition für eine AK-47 zu kommen. Der unterlassene Hinweis an die Staatsanwaltschaft stellt laut dem Bericht einen folgenschweren Verwaltungsmissstand dar.

Ebenfalls scharf kritisiert wurde im Bericht die Reaktion des Innenministeriums auf die Prüfung durch die Volksanwaltschaft. So wurden laut Volksanwaltschaft mehrfach Aktenlieferungen oder die Beantwortung von Fragen aufgrund von Rechtsirrtümern im Innenministerium verweigert. Laut des Sonderberichts verweigerte der Leiter der Sektion III des BMI zunächst die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Volksanwaltschaft unter Verweis auf die Einsetzung der Untersuchungskommission bzw. laufende strafrechtliche Ermittlungen.

Der Bericht sieht weiters "Rechtsunsicherheit", bedingt durch die Trennung der neuen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in die Bereiche Nachrichtendienst und Staatsschutz. Die Frage, ob auch nachrichtendienstlich gewonnene Informationen an die Justiz zu melden seien, sei im "Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz" nicht klar geregelt, hier brauche es gesetzliche Klarstellung. Laut einer Reaktion des Innenministeriums auf den Bericht sei dies nicht korrekt - die Kooperation der beiden Bereiche sei durch eine "Informationsschnittstelle" gewährleistet.

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft übt auch Kritik am Ermittlungsverfahren durch das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK): im Zuge der Vernehmungen sei nicht ausreichend auf die Aufklärung hingearbeitet worden, wer über die von Europol Slowakei übermittelten Informationen zu welchem Zeitpunkt Kenntnis hatte, Ähnliches gilt für die Observation des „Islamistentreffens“ im Juli 2020. Die Lückenhaftigkeit dieser Ermittlungen des BAK stellt für die Volksanwaltschaft einen Verwaltungsmissstand im Sinne des Art. 148a B-VG dar.

Die Volksanwaltschaft empfiehlt dem Innenministerium im Bericht eine lückenlose disziplinarrechtliche Aufklärung der Gründe für die nicht (rechtzeitig) erfolgte Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft über die im LVT Wien bzw. (seinerzeitigem) BVT bereits im Spätsommer 2020 bekannten Verdachtsmomente. Laut des Innenministeriums habe eine Prüfung durch die LPD Wien ergeben, dass weder dienstrechtliche noch disziplinäre Maßnahmen gegen die betroffenen Beamten zu ergreifen waren.



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Abteilung kam zu der Einschätzung, dass die Volksanwaltschaft aufgrund der laufenden Ermittlungen keine Prüfbefugnis und keine Akteneinsicht habe?
    1. Welche Maßnahmen werden in Ihrem Ressort ergriffen, um in Zukunft die Kooperation mit der Volksanwaltschaft zu ermöglichen?
    2. Gab es Konsequenzen für diesen Rechtsirrtum (Schulungen, Rundschreiben,..)? Bitte um chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.
    3. Gab es dienstrechtliche Konsequenzen für diesen Rechtsirrtum?
  1. Laut des Sonderberichts langten am 27.7.2020 ein Europol Bericht samt Fotos beim (damaligen) BVT ein, der vom versuchten Waffenkauf des Attentäters berichtete, das (damalige) BVT leitete diese Informationen erst am 25. August 2020 an das LVT Wien weiter, welche Abteilung war für die Weiterleitung zuständig?
    1. Wieso wurden die Informationen erst einen Monat nach Einlangen weitergeleitet?
    2. Welche Maßnahmen werden getroffen, damit eine solche Weiterleitung in Zukunft rascher erfolgt?
  1. Laut des Sonderberichts urgierte die Systemkoordination beim LVT Wien dreimal gegenüber slowakischen Ansprechpersonen auf eine Auskunftserteilung bezüglich der Identifizierung des Attentäters. Laut der Volksanwaltschaft hätte das BVT nachdrücklicher auf eine raschere Veranlassung dringen müssen und Beschleunigungsmöglichkeiten nützen müssen. Auf welche Weise erfolgte das Urgieren durch das LVT Wien?
    1. In welchen zeitlichen Abständen wurde urgiert?
    2. Wieso wurde nicht von den auf Seite 22 des Sonderberichts angeführten Beschleunigungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht?
    3. Welche Maßnahmen werden getroffen um in Zukunft in ähnlich gelagerten Fällen auf eine raschere Veranlassung zu drängen?

 

  1. Laut des Sonderberichts führte - neben anderen Faktoren - auch ein Rechtsirrtum dazu, dass die Staatsanwaltschaft nicht informiert wurde, denn entgegen der damaligen Ansicht der verantwortlichen Stellen im BMI kriminalisieren §§ 278a und 278b Abs. 2 StGB bereits Vorbereitungshandlungen, damit war auch eine Berichterstattung gemäß § 100 Abs 1 und 2 STPO an die StA möglich und geboten. Welche Abteilung hätte hier die Weiterleitung zuständig gewesen?
    1. Gab es Konsequenzen für diesen Rechtsirrtum (Schulungen, Rundschreiben,..)? Bitte um chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.
    2. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um solche Rechtsirrtümer in Zukunft zu vermeiden?
    3. Gab es für diesen Rechtsirrtum dienstrechtliche Konsequenzen?
  1. Die Volksanwaltschaft stellt in dem Sonderbericht eine "gewisse institutionelle Abschottung" des (damaligen) BVT fest, welche dazu führte, die Informationsweitergabe an externe Stellen, möglichst zu vermeiden. Die Volksanwaltschaft regt vor diesem Hintergrund eine Bewusstseinsbildung in Form von Schulungen für Bedienstete des (nunmehrigen) DSN und der für Staatsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen insbesondere im Hinblick auf ihre Pflichten gegenüber der Justiz für erforderlich. Sind derartige Schulungen geplant?
    1. Falls nein: wieso nicht?
    2. Falls ja: Ab welchem Zeitpunkt sind diese Schulungen geplant?

                                          i.    In welcher Form werden diese Schulungen stattfinden?

                                        ii.    Wer sind die Adressaten dieser Schulungen? 

  1. Wo ist die vom Innenministerium beschriebene Informationsschnittstelle zwischen den Bereichen Staatsschutz und Nachrichtendienst angesiedelt?
    1. Welches Verfahren wurde eingerichtet, um sicherzustellen, dass wichtige Informationen in Zukunft tatsächlich weitergeleitet werden?
  1. Ist eine Überarbeitung des Staats- und Nachrichtenschutzgesetzes geplant, um sicherzustellen, dass auch nachrichtendienstlich gewonnene Informationen an die Justiz gemeldet werden?
    1. Falls nein: wieso nicht?
  1. Laut des Sonderberichts wurde im Zuge der Vernehmungen durch das BAK nicht ausreichend auf die Aufklärung hingearbeitet, wer von dem Hinweis von Europol Slowakei bzw. den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zu welchem Zeitpunkt Kenntnis hatte, Ähnliches gilt für die Observation des „Islamistentreffens“ im Juli 2020. Wird Ihr Ressort Konsequenzen in Zusammenhang mit dem hier festgestellten Verwaltungsmissstand treffen?
    1. Falls ja, welche Maßnahmen werden gesetzt?
    2. Falls nein, wieso nicht?
    3. Gibt es dienstrechtliche Konsequenzen für diesen Verwaltungsmissstand?
  1. Wie viele Disziplinarverfahren wurden in Zusammenhang mit den im Sonderbericht erhobenen Vorwürfen bis zu Tag der Anfrage eingeleitet?
    1. Welche Dienstpflichtverletzungen wurden jeweils vorgeworfen?
    2. Wie viele dieser Disziplinaranzeigen führten jeweils wann zu einer Verurteilung der Beamt:innen?
    3. Wie viele der Verfahren wurden eingestellt?
    4. Falls keine Disziplinarverfahren eingeleitet wurden: wieso nicht?
    5. Welche anderen Maßnahmen wurden in Reaktion auf die im Sonderbericht festgestellten Verwaltungsmissstände wann und durch wen getroffen? 
  1. Wie viele Strafanzeigen wurden im Zusammenhang mit den im Sonderbericht erhobenen Vorwürfen bis zu Tag der Anfrage erstattet?
    1. Aufgrund des Verdachts der Erfüllung welches Straftatbestandes wurden die Anzeigen jeweils erhoben? 
    2. Wie viele der weiteren Strafanzeigen führten zu Ermittlungen, auf die aber die Einstellung des Verfahrens folgte?
    3. In wie vielen dieser Verfahren kam es zu einer Anklage, danach aber zu einem Freispruch? 
    4. In wie vielen dieser Verfahren kam es zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von Beamt:innen?
  1. Welche sonstigen Maßnahmen wurden in Ihrem Ressort in Reaktion auf den Sonderbericht der Volksanwaltschaft seit dem Tag der Anfrage durch wen wann gesetzt?
  2. Welche sonstigen Maßnahmen plant Ihr Ressort in Zukunft in Reaktion auf den Sonderbericht der Volksanwaltschaft durch wen wann zu setzen?