14340/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.02.2023
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Kostenersatz bei Freispruch bzw. Einstellung des Ermittlungsverfahrens

In der Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht (Ausgabe März 2016) haben Norbert Wess und Dietmar Bachmann den Artikel „Der Kostenersatz in Strafverfahren bei Freispruch im Lichte des Verfassungsrechts“ veröffentlicht:

„1. Allgemeines zur Rechtslage

Gemäß § 393 Abs 1 StPO hat eine Person, die sich in einem Strafverfahren eines Verteidigers bedient, die Kosten dieser Vertretung selbst zu tragen, selbst wenn es sich um einen (beigegebenen) Amtshilfeverteidiger handelt. Im Falle eines Freispruchs (oder einer gewisse Voraussetzungen erfüllenden Verfahrenseinstellung) räumt § 393a Abs 1 StPO dem – nicht lediglich aufgrund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten – Angeklagten einen Anspruch auf Kostenersatz ein, der die Barauslagen[1] sowie einen Pauschalbeitrag zu den Verteidigerkosen umfasst.[2] Der Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers ist unter Bedachtnahme auf den Umfang und die Schwierigkeit der Verteidigung und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Abhängig von der jeweiligen Verfahrensart ist der Pauschalbeitrag unterschiedlich betraglich begrenzt. Im für Wirtschaftsstrafverfahren besonders relevanten schöffengerichtlichen Verfahren beträgt dieser Höchstbetrag 5.000 €.[3]

Gerade diese betragsmäßige Begrenzung des Pauschalbeitrags zu den Kosten des Verteidigers begegnet – trotz der genannten Anhebung – massiven grundrechtlichen Bedenken, wenn man die gesetzlichen Höchstbeträge mit den tatsächlich anfallenden bzw den tarifmäßigen Verteidigungskosten in Relation setzt. Die Limitierung des Kostenersatzes ist auch politisch umstritten […]

Auf Grundlage von § 393a STPO leistet die Republik Kostenersatz an Personen, die freigesprochen wurden bzw. wenn Ermittlungsverfahren eingestellt werden. Es ist von öffentlichen Interesse, welche Kosten hierbei entstanden sind.

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

ANFRAGE

 

1)    Wie viele Freisprüche bzw. Einstellungen von Ermittlungsverfahren gab es in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato?

2)    Wie oft hatten wie viele Personen dabei ein Anrecht auf Entschädigungszahlungen bzw. Kostenersatz (Kosten der Vertretung)?

3)    Wie oft wurden Entschädigungszahlungen bzw. Kostenersatz (Kosten der Vertretung) im Zusammenhang mit diesen Freisprüchen bzw. Einstellungen von Ermittlungsverfahren beantragt?

4)    Wie oft wurden Entschädigungszahlungen bzw. Kostenersatz (Kosten der Vertretung) in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato insgesamt beantragt?

5)    Wie oft wurde diesen Anträgen stattgegeben?

6)    In welcher Höhe und in welchem Ausmaß (je nach Mitverschulden etc.)  wurden diese Entschädigungszahlungen bzw. dieser Kostenersatz (Kosten der Vertretung) bei Freisprüchen bzw. Einstellungen von Ermittlungsverfahren zur Gänze oder nur teilweise geleistet?

7)    Welche Kosten entstanden dabei in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato für die Staatsanwaltschaft?

8)    Welche Kosten entstanden für die Republik in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato im Zusammenhang mit Entschädigungszahlungen bzw. Kostenersatz (Kosten der Vertretung) an Personen, die freigesprochen worden sind?

9)    Welche Kosten entstanden für die Republik in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato im Zusammenhang mit Entschädigungszahlungen bzw. Kostenersatz (Kosten der Vertretung) an Personen, bei denen das Ermittlungsverfahren gegen sie eingestellt worden ist?

10) Ist Ihnen bekannt, wie hoch die jeweiligen Kosten für die Freigesprochenen bzw. für Personen, gegen die Ermittlungen eigestellt wurden sind, waren?

11) Wenn ja, wie hoch waren diese Kosten bei prominenten Verfahren von Politikern und politischen Aktivisten, über die in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 bis dato medial berichtet wurde?



[1] Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass zu den Barauslagen nicht Kosten, die mit dem persönlichen Erscheinen des Angeklagten vor Gericht verbunden sind, zählen. Im Parteiantrag auf Normenkontrolle wurden auch dagegen verfassungsrechtliche Bedenken erhoben und eine entsprechende Gesetzesaufhebung beantragt, die der VfGH jedoch ebenfalls zurückwies. Im gegenständlichen Beitrag wird darauf nicht weiter eingegangen; die Autoren setzen sich allein mit dem Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung auseinander. Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014 (StPRÄG 2014) wurden die Höchstbeträge (jener bertreffend das Schöffenverfahren betrug bis zum Inkrafttreten des StPRÄG 2014 2.500 €) entsprechend angehoben.

[2] Ein Ersatz des Verdienstentgangs bzw eine Entschädigung für Zeitversäumnis sieht die StPO (ebenfalls) nicht vor. Auch daran könnten verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, die jedoch im Parteiantrag nicht releviert wurden und nicht Gegenstand dieses Beitrags sind.

[3] Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014 (StPRÄG 2014) wurden die Höchstbeträge (jener bertreffend [sic!] das Schöffenverfahren betrug bis zum Inkrafttreten des StPRÄG 2014 2.500 €) entsprechend angehoben.