14349/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.02.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend EU-Sondergipfel: Was tun Sie für eine europäische Asylpolitik?

 

EU-weit wurden 2022 rund 923.991 Asylanträge gestellt. Jedoch gibt es im EU-Vergleich hinsichtlich der Anzahl an Asylanträgen sehr große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. So wurden beispielsweise in Deutschland 226.467 Asylanträge verzeichnet. In Frankreich wurden 154.597 Anträge gestellt, in Spanien 116.952 und in Österreich 108.490. Schlusslicht ist das an der EU-Außengrenze liegende Nachbarland Ungarn. Hier wurden im Vorjahr nur 46 Asylanträgen gestellt, die Slowakei verzeichnete lediglich 544 und Lettland 622 Anträge. Anteilig an der jeweiligen Gesamtbevölkerung haben daher insbesondere die Länder der Visegrád-Gruppe sehr wenig Flüchtlinge aufgenommen.1 Das liegt daran, dass die Dublin-Verordnung ignoriert wird, viele Asylanträge oft gar nicht angenommen werden und teilweise Asylgesetze den Anforderungen von geltendem EU-Recht widersprechen. Leider setzt die österreichische Regierung nur Maßnahmen, um gerade die Länder zu unterstützen, die sowohl für menschliches Leid als auch für das Blockieren von europäische Lösungen verantwortlich sind, z.B. Ungarn, wo österreichische Polizist:innen für wertvolles Steuergeld eingesetzt werden, obwohl der Umgang mit Asylsuchenden und Migrant:innen menschenrechtlich so problematisch ist, dass auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex Einsätze in Ungarn verweigert.2

Im November 2022 präsentierte der Innenminister einen 5-Punkte Plan "gegen die Schleppermafia und Asylmissbrauch", der folgendes beinhaltet:

Auch die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt, Karoline Edtstadler, und Bundeskanzler Nehammer äußerten sich für die Errichtung eines "Zaunes oder einer Mauer" um Europa.3

Leider sind die Vorschläge der österreichischen Bundesregierung sehr einseitig und werden der Realität nicht gerecht. Zäune und Mauern führen bloß dazu, dass neue Flucht- und Migrationsrouten, die für Betroffene noch riskanter und für Schlepper noch lukrativer werden, entstehen. Die Schengenaußengrenze besteht etwa aus 8.000 Kilometern Landgrenze und 43.000 Kilometern Seegrenze. Auf dem Meer kann man keine Zäune oder Mauern errichten und am Land ist ein solches Vorgehen vor allem eins: teuer. Allein der ungarische Grenzzaun zu Serbien in einer Länge von 175 Kilometern kostete rund 115 Millionen Euro. Und sogar innerhalb der ÖVP gibt es Stimmen, die diesen Vorschlägen widersprechen: "Dass das Problem nicht auf einen Zaun reduziert werden kann, zeigt das Beispiel Ungarn. Dort haben wir einen Zaun, trotzdem kommen die meisten Flüchtlinge über Ungarn nach Österreich. Sie wurden in Ungarn nicht registriert und konnten dort auch kein Asylansuchen stellen. Der Zaun in Ungarn hilft Österreich nicht", sagte Othmar Karas gegenüber der "Presse".4 Die EU-Kommission erteilte der Errichtung eines Zaunes bis dato eine Absage.

Am 9. und 10. Februar 2023 fand der EU-Sondergipfel statt. Wir NEOS haben uns per Antrag auf Stellungnahme6 dafür eingesetzt, dass die österreichische Bundesregierung sich für folgende europäische Lösungen einsetzt:

Auch Handelsprivilegien sollen an die Bereitschaft zu Rückführungsabkommen gekoppelt werden.6

Laut den Schlussfolgerungen des Sondergipfels wurden insbesondere die Themen Rückführungen und Infrastrukturen an EU-Außengrenzen verhandelt, von einem Zaun an den EU-Außengrenzen ist explizit keine Rede. Laut Bundeskanzler Nehammer war der Sondergipfel ein Erfolg, insbesondere kommt in den Schlussfolgerungen "nicht das Nicht-Zaun-bauen vor", so der Kanzler in der ZiB-2 des 10. Februar 2023. Auf die Frage, ob Österreich Bulgarien finanziell beim Bau eines Grenzzaunes zur Türkei unterstützen wurde, gab der Bundeskanzler keine konkrete Antwort. Über die Menschen die im Mittelmeer ertrinken und jene, die Schutzbedürftig sind, wird auch kein Wort verloren. Darüber hinaus spricht Nehammer von Rückführungsabkommen, die stärker forciert werden sollen und ehrlicher Unterstützung für Herkunftsländer und Transitländer, wie aber diese Unterstützung genau aussehen könne, bleibt offen. Auch wie die Registrierungsstellen an den EU-Außengrenzen funktionieren sollen ohne eine Einigung auf einen Verteilungsmodus, ist unklar. Ein Verteilmodus könne laut Nehammer erst in Angriff genommen werden, wenn die Registrierungsstellen an Außengrenzen funktionieren.

Laut Migrationsexperte Gerald Knaus war dieser EU-Sondergipfel ein "politisches Theater". Man rede über "vorteilhafte Partnerschaften mit Transit- und Herkunftsländern irregulärer Migranten", doch wie diese aussehen könnten und verhandelt werden sollen, bleibt unklar." Und hinsichtlich der Zäune argumentierte er, 2022 seien etwa 150.000 Menschen irregulär aus Afrika und dem Nahen Osten in die EU gekommen, davon die allermeisten über das Meer, mehr als 100.000 nur nach Italien - also über eine Grenzen, an der die Errichtung eines Zaunes oder eines Mauer gar nicht möglich ist. Problematisch sind in ersten Linie Staaten, die systematischen Rechtsbruch begehen. Außerdem wurden 2022 viel mehr Flüchtlinge in der EU aufgenommen als 2015. Nur kamen 9 von 10 der Menschen nicht irregulär, sondern regulär aus der Ukraine in die EU – etwa 5 Millionen: „Von dort könnten noch Millionen mehr kommen, wenn es Putin gelingt, seinen Krieg noch lange fortzusetzen. Die beste Fluchtursachenbekämpfung 2023 sind Waffen für die Ukraine, nicht Zäune", so der Forscher.7

Schlussendlich sind all die oben angeführten neuen Vorschläge auch nicht im Regierungsprogramm beinhaltet. Darin liest man vielmehr: "Österreich bekennt sich zu einer Asylpolitik, die in allen Bereichen des Asylverfahrens rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, die die Mindeststandards der Genfer Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Rechts achtet und die auf einem geordneten Prozess mit klaren Regeln basiert". 

 

  1. https://www.derstandard.at/story/2000142796059/oesterreich-verzeichnete-2022-laut-eu-bericht-groessten-anstieg-bei-asylantraegen
  2. https://www.diepresse.com/6241033/oesterreichs-grenzwertiger-einsatz?from=rss
  3. https://kurier.at/politik/inland/edtstadler-wuenscht-sich-zaun-oder-mauer-um-europa/402259797, https://kurier.at/politik/inland/nehammer-wir-muessen-endlich-das-tabu-zaeune-brechen/402260178
  4. https://www.diepresse.com/6248064/es-kann-nicht-das-ziel-sein-die-migration-zu-stoppen?from=rss
  5. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/IV/18/fname_1517744.pdf
  6. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230209_OTS0010/neos-wollen-handelsprivilegien-an-rueckfuehrungsabkommen-koppeln
  7. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/migrations-experte-ueber-flucht-bekaempfung-waffen-fuer-die-ukraine-statt-grenzz-82863448.bild.html

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Einsatz für eine europäische Asylpolitik: Welche der durch den EU Asyl- und Migrationspakt noch vorgesehenen Reformen planen Sie bzw. Ihr Ressort zu unterstützen?
    1. Aus welchen Gründen bzw. aus welchen Gründen nicht?
  1. Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr Ressort jeweils wann gesetzt, um die Verhandlungen bezüglich des EU Asyl- und Migrationspakt voranzutreiben?
  2. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich für die Einhaltung der Menschenrechte Schutzsuchender an den EU-Außengrenzen ein (insb. das Folterverbot und das Recht, einen Asylantrag zu stellen)?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich für die Einführung eines Grundrechtemonitorings an den EU-Außengrenzen ein?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich dafür ein, dass EU-Staaten, die im EU-Vergleich wenige Asylverfahren abhandeln und wenig Flüchtlinge aufnehmen bzw. aufgenommen haben, einen besseren Zugang zum Asylverfahren und bessere Aufnahmestandards für Asylsuchende schaffen?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Mahnten Sie bzw. Ihr Ressort von europäischen Ländern die Einhaltung menschenrechtlicher Standards im Umgang mit Asylsuchenden und -berechtigten ein?
    1. Wenn ja, welche Länder konkret?
    2. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    3. Wenn ja, wann?
    4. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    5. Wenn nein, warum nicht?
    6. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich für einen EU-weiten, fairen Verteilungsschlüssel von Schutzsuchenden ein?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich auf EU-Ebene dafür ein, dass gegen Staaten, deren Umgang mit Asylsuchenden menschenrechtswidrig ist, Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, betreffend welche Länder?
    3. Wenn ja, wann?
    4. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    5. Wenn nein, warum nicht?
    6. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich auf EU-Ebene für den Ausbau von Rückführungen bzw. von Rückführungsabkommen ein?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich (auf EU-Ebene) dafür ein, dass der Ausbau von Rückführungen bzw. von Rückführungsabkommen an Handelsprivilegien gekoppelt wird?
    1. Wenn ja, durch welche konkrete Maßnahme?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
    5. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. "5-Punkte Plan" zu Asyl: Welcher Zeitrahmen ist für die Umsetzung des "5-Punkte-Plan" angedacht?
  2. Wurden vonseiten Ihres Ressorts geprüft, ob die im "5-Punkte-Plan" beinhalteten Maßnahmen rechtlich und faktisch umsetzbar sind?
    1. Wenn ja, wie, wann und mit welchem Ergebnis?
  1. In welchen "sicheren Drittstaaten" sollen Asylverfahren unter welchen Voraussetzungen ermöglicht werden? Bitte um genaue Erläuterung, wie dieses Konzept in der Praxis aussehen würde.
    1. Inwiefern sind menschenrechtliche Standards Inhalt dieses Konzepts? Bitte um genaue Erläuterung, wie dieses Konzept in der Praxis aussehen würde.
    2. Führen Sie bzw. führt Ihr Ressort hierzu bereits Verhandlung mit Drittstaaten?

                                          i.    Wenn ja, mit welchen, seit wann und mit welchem Ergebnis?

                                        ii.    Wenn ja, inwiefern sind menschenrechtliche Standards Inhalt dieser Verhandlungen?

    1. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, damit der Schutzstatus von straffälligen Personen leichter aberkannt wird?
    1. Jeweils wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Ist eine Gesetzesänderung geplant?
    3. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Wie steht der Vorschlag einer Zurückweisungsrichtlinie im Verhältnis zu dem im Regierungsprogramm beinhalteten und völkerrechtlich verankerten Non-Refoulement Prinzip?
  2. Aufgrund welcher Daten- und Faktenlage vertreten Sie bzw. Ihr Ressort die Finanzierung und Errichtung einer Mauer an den EU-Außengrenzen?
    1. Inwiefern würde sich Österreich an der Finanzierung beteiligen?
  1. Was bedeutet der von Ihnen bzw. Ihrem Ressort verwendete Begriff "Asylbremse"? Bitte um konkrete Erläuterung des Termini.
  2. EU-Sondergipfel: Der EU-Sondergipfel wurde vonseiten des Bundeskanzlers als Erfolg gewertet. Wurden Maßnahme(n), die während des Sondergipfels angekündigt bzw. beschlossen wurde(n), bereits umgesetzt?
    1. Wenn ja, welche jeweils wie?
    2. Wenn ja, wann?
    3. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils?
    4. Wenn nein, warum nicht?
  1. Welche Maßnahme(n), die während des Sondergipfels beschlossen wurde(n), wurde(n) nicht umgesetzt?
    1. Aus welchen Gründen jeweils?
  1. Inwiefern ist es ein Erfolg, dass in den Schlussfolgerungen "nicht das Nicht-Zaun-bauen" vorkommt? Bitte um konkrete Erläuterung.
  2. Würde Österreich Bulgarien finanziell beim Bau eines Grenzzaunes zur Türkei unterstützen?
    1. Wenn ja, aus welchen Gründen?
    2. Wenn ja, in welchem Ausmaß?
    3. Wenn nein, warum nicht?
  1. Wie sollen Rückführungsabkommen konkret forciert werden?
    1. Mit welchen Ländern sollen Rückführungsabkommen forciert werden?
    2. Welche Maßnahmen wurden wann mit welchem Ergebnis gesetzt?
    3. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Welche Art von "Unterstützung für Herkunftsländer und Transitländer" ist konkret angedacht?
    1. Betreffend welche Länder? Bitte um Auflistung der Ländern, die unterstützt werden sollen.
    2. Durch welche Maßnahmen wurden Herkunftsländer und Transitländer unterstützt?

                                          i.    Wann und mit welchen Ergebnissen jeweils?

                                        ii.    Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?

  1. Welche Art von "vorteilhaften Partnerschaften" sind mit welchen Ländern angestrebt und was beinhalten sie konkret?
    1. Welche Maßnahmen wurden wann mit welchem Ergebnis gesetzt?
    2. Welche Maßnahmen planen Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich künftig noch zu setzen?
  1. Wie sollen die Registrierungsstellen an den EU-Außengrenzen funktionieren? Bitte um konkrete Erläuterung des Konzepts.
    1. Wird Österreich eine operative Rolle spielen?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Ist ein Grundrechtemonitoring vorgesehen?

                                          i.    Wenn ja, welches durch welche Akteur:innen?

                                        ii.    Wenn nein, wie soll die Einhaltung von Grundrechte insb. das Verbot der Folter eingehalten werden?

    1. Ist ein Verteilungsmodus vorgesehen?

                                          i.    Wenn ja, welcher bzw. wie soll dieser funktionieren?

                                        ii.    Wenn nein, welcher Vorgang ist nach der Registrierung vorgesehen?