14401/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.03.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Abwesenheit der Botschafterin

 

Das BMEIA tut Dinge gerne vor Ort. "Hilfe vor Ort" wurde zum geflügelten Wort der Flucht- und Asyldebatte; Diplomatie wird seit jeher am besten durch persönlichen Austausch betrieben. Wohl auch daher gilt eine längere Zeit nicht besetzte Botschaft als Zeichen problematischer zwischenstaatlicher Beziehungen. Und Außenminister Alexander Schallenberg verweist seit Beginn des Russland-Krieges immer wieder darauf, dass die Weiterführung der russischen Botschaft in Wien auch im Zeitalter der Video-Konferenz unabdingbar für das Offenhalten der Gesprächskanäle sei.

Umso erstaunlicher ist es, dass die österreichische Botschaft im für Wiens Diplomatie nicht gerade unbedeutenden Paris seit geraumer Zeit unbesetzt ist. Selbst während der französischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022, einer Zeit höchster diplomatischer Aktivität, war Österreich durch einen stellvertretenden Missionschef, nicht durch einen Botschafter oder eine Botschafterin, in Paris vertreten.

Noch dazu gab es gerade zu dieser wichtigen Zeit Unruhe in Österreichs Vertretung in Frankreich. Wolfgang Wagner, der stellvertretende Missionschef und eigentliche Vertreter von Botschafter Michael Linhart, der in den bewegten Zeiten um den Polit-Rückzug von Sebastian Kurz für einen Kurzauftritt als Außenminister nach Wien berufen wurde, musste 2022 schnell durch Thomas Schnöll, bis dahin OECD, ersetzt werden. Schnöll trat im Jänner 2023 den Posten des stellvertretenden Kabinettschefs von OECD-Chef Mathias Cormann an. Für diese Position verlangen die OECD-Vorschriften aber zwingend eine 12-monatige Abkühlperiode. Diese überbrückte Schnöll als Geschäftsträger der Botschaft in Paris und ersparte sich dadurch gleich eine Übersiedelung, da auch die OECD in Paris ansässig ist. Wagner trat wieder ins zweite Glied zurück. Unmittelbar nach Ablauf der Sperrfrist ging Schnöll zurück zur OECD – und Wagner übernahm erneut die Leitung der Botschaft, diesmal mit dem Titel Geschäftsträger. 

Als wäre all dies nicht verwirrend und für die Botschaft herausfordernd und kostspielig genug, gab es fast die gesamte Zeit eine Botschafterin. Unmittelbar nach Kurz' Rückzug aus der Politik Anfang Dezember 2021 wurde eine seiner engen Vertrauten, Barbara Kaudel-Jensen nur zwei Wochen später zur Botschafterin in Paris bestellt. Doch sie hat diese Position bis heute nicht angetreten. Auch nach dem Abgang Schnölls im Jänner verblieb die Botschafterin in Wien. Was den Personalstand (und die Personalkosten) angeht bedeutet dies, dass sich das BMEIA eine abwesende Botschafterin, einen Geschäftsträger (Wagner) und einen zweiten Geschäftsträger (Schnöll) geleistet hat – und sich nun weiterhin eine abwesende Botschafterin leistet. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche andere Bewerbungen gab es für den Posten in Paris neben Barbara Kaudel-Jensen im Herbst 2021? Bitte um Auflistung der Namen und Bewertung durch die Kommission.
  2. Mit welcher Begründung hat die am 15.12.2021 zur Botschafterin bestellte Kaudel-Jensen ihren Dienst an der Botschaft bis heute nicht angetreten?
  3. Ist es üblich, dass österreichische Großbotschaften ein volles Jahr lang unbesetzt bleiben, bzw. designierte Botschafter:innen ihren Dienst vor Ort nicht antreten?
    1. Wie viele derartige Fälle gibt es derzeit? Wie viele Botschaften sind derzeit nicht besetzt, weil die designierten Botschafter:innen den Dienst vor Ort nicht antreten? Mit welchen Begründungen geschieht dies?
    2. Wie viele derartige Fälle gab es seit 2013? Mit welchen Begründungen traten die designierten Botschafter:innen ihren Dienst vor Ort nicht an?
  1. Bitte um Erläuterung der dienstvertraglichen Verpflichtungen für Diplomat:innen, die ins Ausland entsandt werden, ihren Dienst dort aber nicht antreten.
    1. Bezieht Botschafterin Kaudel-Jensen ihr Gehalt als Botschafterin?
  1. Bundesminister Schallenberg bekräftigt regelmäßig, dass er eine größere Zahl von österreichischen Botschaften für begrüßenswert hielte, aber durch finanzielle Einschränkungen gebunden sei. Wie sind in diesem Zusammenhang die Mehrkosten durch eine abwesende Botschafterin zu rechtfertigen?
  2. Wenn an einer Botschaft wie Paris selbst während der französischen Ratspräsidentschaft kein:e Botschafter:in nötig war, wird das BMEIA eine Evaluierung des Personalstandes bei dieser und vergleichbarer Botschaften anordnen, um gegebenenfalls die Anzahl der akkreditierten Mitarbeiter:innen an die Bedürfnisse anzupassen?
  3. Als Botschafter Schnöll die Vertretung in Paris interimistisch übernahm, verblieb der stellvertretende Missionschef Wagner im Amt? In welcher Position Gab es an der Botschaft in Paris damit zeitgleich eine Botschafterin, einen Geschäftsträger und einen stellvertretenden Missionschef?
    1. Gibt es alle drei Positionen auch nach dem Abgang Schnölls noch?
    2. Nach welche Gehaltsstufen wurden Schnöll und Wagner entlohnt? 
    3. Gab es nach der Ernennung von Botschafter Schnöll als Geschäftsträger eine zusätzliche Planstelle?
  1. Wie viele österreichische Botschaften weltweit werden von Wien aus betreut? Welche Gründe gibt es für derartige Arrangements? 
  2. Die Botschaft in Jerewan wird von Wien aus betreut, obgleich es sich um eine Krisenregion handelt, in der Österreich seine guten Dienste angeboten hat. Gibt es Überlegungen, Posten an Botschaften, die offensichtlich überbesetzt sind, einzusparen und die Mittel für die Besetzung, die Ausweitung oder die Eröffnung von Botschaften in anderen Staaten, an denen Österreich diplomatisches oder wirtschaftliches Interesse hat, zu verwenden?
    1. Wenn nein, warum nicht?