14463/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.03.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten MMag. Katharina Werner Bakk., Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Tierärztemangel im Nutztierbereich: Status quo und Pläne

 

In Niederösterreich sind laut Medienberichten rund 1.000 Tierärztinnen und Tierärzte tätig. Davon stehen allerdings nur 200 auch für Nutztiere in den landwirtschaftlichen Betrieben zur Verfügung. Eine Pensionierungswelle, die bevorsteht, werde die Situation noch verschärfen, erwartet laut Medienbericht der Präsident der niederösterreichischen Tierärztekammer, Bernhard Kammerer. In fünf Jahren würden etwa 40 Tierärzt:innen fehlen, pro Jahr bräuchte Niederösterreich zwischen 15 und 20 Tierärzt:innen mehr. derzeit gebe es zu wenige Studienplätze an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und zu wenig finanzielle Unterstützung für bereits aktive Landtierärzt:innen, die Wochenend- und Nachtdienste leisten.  Man dürfe auch nicht vergessen, dass es die Tierärztinnen und Tierärzte seien, die eine gesunde Lebensmittelproduktion sicherstellen. Auch das werde durch die angespannte Situation zunehmend schwieriger.(1)

Auch im Burgenland droht laut Berichten eine Pensionierungswelle und es fehlt an Nachwuchs. Tierärztekammer und praktizierende Mediziner hoffen auf mehr Studienplätze und Stipendien.(2) Obwohl es aktuell so viele Tierärzt:innen wie noch nie gibt, steuert man auch in der Steiermark auf Versorgungsengpässe hin. Die Gründe dafür reichen von demographischen Entwicklungen, über einen fehlenden Kollektivvertrag bis hin zu unattraktiven Arbeitszeiten. Walter Obritzhauser, Präsident der Tierärztekammer Steiermark, sieht dafür mehrere Gründe, Ein Grund dafür liegt in der um sich greifenden Spezialisierung und Differenzierung im Beruf. Wir kennen heute die Allgemeinpraktiker:in Tierarzt kaum noch, sondern es gibt den Kleintierpraktiker:innen, es gibt den Nutztierpraktiker:innen für die Bereiche Wiederkäuer, Geflügel, Schwein, oder es gibt den in der Schlachttierfleischuntersuchung tätigen Praktiker:innen. Der zweite Grund liege an der demographischen Situation: In den letzten 20 Jahren sei der Beruf vermehrt weiblich geworden – zwischen 80 und 85 Prozent der Veterinärmedizinstudierenden sind Frauen. Tierärzt:innen suchen im Beruf überwiegend eine unselbstständige Teilzeittätigkeit, auch das führt zur Verschärfung der Versorgungssituation.(3,4) Außerdem stellt der Beruf von Nutztierärzt:innen eine größere körperliche Herausforderung als der einer Kleintierärtz:in dar. Weiters spielt das Gehalt bestimmt eine entscheidende Rolle. Während in der Kleintier- und Pferdemedizin die Besitzer:innen in den meisten Fällen bereit (und in der Lage) sind, viel Geld auszugeben, ist eine Landwirt:in abhängig von der Wirtschaftlichkeit des Betriebes.(5) 

Im Gegensatz zu Tierärzt:innen für Kleintiere kümmern sich Tierärzt:innen für Nutztiere nicht nur um die Therapie des einzelnen Tieres, sondern auch um die Gesunderhaltung der Tierbestände. Zu den Nutztieren zählen jene Tierarten, deren Produkte und deren Fleisch direkt der menschlichen Ernährung dienen bzw. zu Gegenständen des täglichen Gebrauchs weiterverarbeitet werden. Dazu zählen Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Geflügel, Fische aus Aquakulturen, Bienen und mit Einschränkungen auch Pferde.  Regelmäßige Kontrollen des Gesundheitszustandes von landwirtschaftlichen Nutztieren gehören daher zu seinem Aufgabenbereich. Dies ist vor allem wichtig, um Seuchen vorzubeugen und beginnende Erkrankungen einzelner Tiere rechtzeitig zu erkennen. Das Aufgabengebiet der Nutztierärzt:innen umfasst außerdem die Krankheitsprophylaxe, die Verabreichung notwendiger Medikamente sowie die rigorose Überwachung und möglichste Minimierung des Arzneimitteleinsatzes. Regelmäßige Kontrollen des Gesundheitszustandes von landwirtschaftlichen Nutztieren gehören daher zu seinem Aufgabenbereich. Dies ist vor allem wichtig, um Seuchen vorzubeugen und beginnende Erkrankungen einzelner Tiere rechtzeitig zu erkennen. Nutztierärzt:innen führen ebenso künstliche Befruchtungen durch, hilft bei der Geburt und berät die Landwirte hinsichtlich Fütterung und Tierpflege. Die Arbeit des Tierarztes im landwirtschaftlichen Bereich findet in einem ständigen Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zwängen und Belangen des Tierschutzes statt. (6)

Derzeit gibt es in Österreich insgesamt etwa 4.000 Tierärzt:Innen, jährlich beginnen rund 220 Personen (80 - 90 Prozent Frauen) mit dem Veterinärstudium, 150 davon schließen ihr Studium ab. Nur 80 Absolvent:innen arbeiten dann tatsächlich als Tierärzt:innen in der Praxis, lediglich 20 davon im Großtierbereich auf dem Land.(7) Bereits 2019 warnte die Veterinärmedizinische Universität Wien davor, ein zu starker Fokus auf den Kleintierbereich würde für einige Jahre zu Engpässen im Bereich der Nutztierversorgung führen, dies vor allem in Vorarlberg, Tirol, Salzburg, der Steiermark und Kärnten. Besonders viele ältere TierärztInnen über 60 Jahre waren den Umfragedaten der Uni zufolge im Nutztierbereich tätig. Demnach wäre vor allem bis 2025 mit einem erhöhten Ersatzbedarf an Nutztiermediziner:innen zu rechnen, bevor sich die Lage wieder entspannen sollte. (8)

Das Land Tirol und die Veterinärmedizinische Universität Wien stärken seit 2022 ihre Partnerschaft durch den Ausbildungszweig „Der Wiederkäuer im Alpenraum“. Zudem will man junge Menschen durch die „Summer School VetINNSights“ in das Berufsbild von Veterinärmedizinern Einsicht nehmen lassen. Im Rahmen der Summer School soll am Veterinärmedizinstudium interessierten SchülerInnen die Vielfältigkeit des Berufsbildes Tierärztin/Tierarzt mit dem Schwerpunkt der Nutztiermedizin nähergebracht werden. Dabei werden in Rahmen von Vorträgen, Workshops und Exkursionen mit Lehrenden der Vetmeduni verschiedene Themen aus dem Bereich der Nutztiermedizin bearbeitet. (9,10)

Dr. Niki Popper hat in seiner Studie  „Zukunftsprognose des tierärztlichen Berufsstandes“ interessante Ergebnisse erzielt: Die daraus resultierenden Ergebnisse wurden am ÖTK- Zukunftstalk am 22. Juni 2022 erstmals präsentiert. Im Studienjahr 2020/2021 gab es in der Veterinärmedizin 1.366 Studienbewerber*innen (davon 1.164 weiblich und 202 männlich); insgesamt wurden 218 Personen zum Studium zugelassen (180 weiblich, 38 männlich). Jährlich beenden durchschnittlich 164 Studierende ihre Ausbildung. Bemerkenswert dabei ist, dass ein beträchtlicher Teil der Absolvent*innen der Veterinärmedizin nicht in den Beruf einsteigt – die „Drop-out-Rate nach Studienabschluss“ beträgt 33 Prozent. In absoluten Zahlen sind lediglich 110 bis 121 Tierärzt:innen auch reale Berufseinsteiger*innen, wobei nur 25 Tierärzt:innen pro Jahr in den Nutztierbereich einsteigen. Dass nur 54 Prozent der Studienanfänger*innen später versorgungsrelevant im kurativen Bereich tätig werden, ist eine besorgniserregende Entwicklung. Österreichweit steuern wir in den kommenden Jahren auf einen Tierärzt:innenmangel (vor allem im Nutztierbereich) zu: Wie die zitierte Studie belegt, werden im Basisszenario, errechnet aus dem zurückliegenden Datenmaterial, bis zum Jahr 2027 zwischen 32 und 55 Nutztierärzt:innen fehlen, bis 2032 werden es schon 85 bis 120 Personen sein und im Jahr 2037 wird sich die Anzahl der fehlenden Nutztierärzt;innen auf 90 bis 140 Personen erhöhen. Unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie Beschäftigungs- sowie Feminisierungsgrad, Demografie etc. werden laut der Studie bereits in vier Jahren, also im Jahr 2027, etwa 95 bis 120 Personen zusätzlich benötigt.(11)

Betrachtet man die tierärztliche Praxisstruktur in Österreich, so waren im Jahr 2021 insgesamt 443 Ordinationen mit Dienstnehmer:innen auf dem Markt (2016 waren es 418); dem standen 1.385 Ordinationen ohne Dienstnehmer:innen gegenüber (2016 waren es noch 1.427). Hier lässt sich laut Tierärztekammer der klare Trend zu mehr Arbeitsteilung bzw. größeren Gemeinschaftspraxen bereits jetzt ablesen – für die Zukunft gilt: Das Einzelkämpfertum wird deutlich weiter zurückgehen (12)

Laut einer jährlich durchgeführten Studie der Freud Universität über die mentale Gesundheit von Tierärzt:innen weisen diese signifikant höhere Werte hinsichtlich Burnout, Mitgefühlsmüdigkeit und mangelnder Work-Life-Balance auf. (13) In Kooperation mit der Psychologischen Universitätsambulanz der Sigmund Freud Privatuniversität hat die Österreichische Tierärztekammer (ÖTK) nun eine Initiative gestartet, um die psychosoziale Versorgung von Tierärzt:innen zu verbessern. Die ÖTK finanziert für alle Mitglieder Super­vision oder Beratung im Umfang von bis zu fünf Einheiten pro Jahr. Die Durchführung dieser Leistungen übernimmt Abteilung für Mensch­-Tier-­Beziehungen der Universitätsambulanz.(14)

Der Tierärzt:innenmangel vor allem im Nutztierbereich war also absehbar, Zahlen ob dieser Tierärt:innenmangel sich auch im Bereich der Amtstierärzt:innen niederschlägt, sucht man vergeblich. Obwohl der Tierärzt_innenmangel bekannt war, gab es augenscheinlich keine Maßnahmen, die dem entgegenwirken konnten und werden. 

 

(1) https://noe.orf.at/stories/3192968/

(2)https://kurier.at/chronik/burgenland/tieraerztemangel-versorgung-koennte-zusammenbrechen/402279689

(3)https://steiermark.orf.at/stories/3158393/#:~:text=Obwohl%20es%20aktuell%20so%20viele,bis%20hin%20zu%20unattraktiven%20Arbeitszeiten.&text=Rund%20420%20Tier%C3%A4rztinnen%20und%20Tier%C3%A4rzte%20gibt%20es%20in%20der%20Steiermark.

(4)https://www.tieraerztekammer.at/oeffentlicher-bereich/medien-kommunikation/news/detail/newsarticle/detail/News/orfat-kammer-tieraerztemangel-am-land-droht

(5)https://www.tieraerztekammer.at/oeffentlicher-bereich/medien-kommunikation/news/detail/newsarticle/detail/News/kaerntner-regionalmedien-tierarztmangel-schon-im-studium

(6)https://www.tieraerztekammer.at/oeffentlicher-bereich/berufsinformation/berufsbild

(7)https://tv.orf.at/program/orf2/amschaupla242.html

(8)https://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/z/news/2019/Veterinaermedizinische-Versorgung-IHS.pdf

(9)https://tiroler-bauernbund.at/de/themen/tiroler-bauernbund/index.php?we_objectID=3838

(10)https://www.tirol.gv.at/landwirtschaft-forstwirtschaft/agrar/bildung-und-schule/summer-school-vetinnsights/

(11)https://www.vetmeduni.ac.at/universitaet/infoservice/mitteilungsblatt/uebersicht-der-mitteilungsblaetter/studienjahr-2022/2023/10-stueck-13122022

(12)https://www.tieraerzteverlag.at/fileadmin/images/IMAGES_07-08-2022/VETJOURNAL-07-08-2022_ONLINE-AUSGABE.pdf

(13)https://www.tieraerztekammer.at/fileadmin/BoerseUploads/user_upload/MentaleGesundheitTieraerztInnen_Letztversion_Stetina.pdf

(14)https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220214_OTS0002/psychische-ueberlastung-im-berufsalltag-von-tieraerztinnen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Ist dem Ministerium bekannt wie viele Nutztierärzte es in den Jahren 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 in Österreich gab?
    1. wenn ja, bitte Auflistung nach Jahr und Bundesland?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Ist dem Ministerium bekannt wie viele Tierarztpraxen insgesamt  mit Dienstnehmer:innen  2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 in Österreich tätig waren?
    1. wenn ja, bitte Auflistung nach Jahr und Bundesland.
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Ist dem Ministerium bekannt wie viele Nutztierpraxen mit Dienstnehmer:innen 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 in Österreich tätig waren?
    1. wenn ja, bitte Auflistung nach Jahre und Bundesland.
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Ist dem Ministerium bekannt wie sich die Anzahl der zu betreuenden Tiere je Nutztierärzt:in in Österreich seit 2018 entwickelt hat? Bitte Auflistung nach Bundesland und Jahr. 
  2. Gibt es Pläne den Beruf der Nutztierärzt:in attraktiver zu machen?
    1. wenn ja, wie sehen diese konkret aus?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es Pläne dem Nutztierärzt:innenmangel entgegenzuwirken?
    1. wenn ja, wie sehen diese konkret aus?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es Pläne für einen Kollektivvertrag für Tierärzt:innen?
    1. wenn ja, wie sehen diese konkret aus?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Wie viele Amtstierärzt:innen waren  2018, 2019 ,2020 ,2021 und 2022 in Österreich tätig? Bitte Auflistung nach Jahr und Bundesland.
  2. Wie viele freie Stellen für Amtstierärzt:innen gab es 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 in Österreich? Bitte Auflistung nach Jahr und Bundesland.
  3. Gibt es Pläne Tierärzt:innen mit psychosozialem Beratungsangebot zu unterstützen?
    1. wenn ja, wie sehen diese konkret aus?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es Pläne die Sommerschool VetINNSights auch in anderen Bundesländern zu starten?
    1. wenn ja, in welchen Bundesländern und wann?
    2. wenn nein, warum nicht?
  1. War das Ministerium in das VetINNsights-Projekt einbezogen?
    1. wenn ja, ab wann?
    2. wenn ja, welchen Input gab das Ministerium konkret zu diesem Projekt?
    3. wenn ja, welchen Input zog das Ministerium selbst aus diesem Projekt?
    4. wenn nein,, warum nicht?
  1. Die Teilnahme am VetINNsights-Projekt ist kostenlos. Hat das Ministerium Kenntnis davon, wer die Kosten dafür trägt?
    1. wenn ja, wer trägt die Kosten und in welchem Umfang?
    2. wenn nein, warum nicht? 
  1. Hat das Ministerium Kenntnis davon, ob eine Evaluierung zum VetINNsights-Projekt stattfinden wird?
  2. Arbeitet das Ministerium mit dem Bildungsministerium zusammen um die Ausbildung der Tierärzt:innen attraktiver zu gestalten und die Drop-out-Raten zu reduzieren?
  3. Welche konkreten Initiativen startet das Ministerium um dem Tierärtz:innenmangel entgegenzuwirken?
  4. Gibt es bereits Erfolge zu gesetzten Initiativen gegen den Tierärzt:innenmangel?