14476/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.03.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Frauen‚ Familie‚ Integration und Medien
betreffend Leistungen der Familienberatungsstellen
Familien brauchen in Notsituationen Unterstützung. So viel ist unbestritten gesellschaftlicher Konsens. Doch jede Familie ist anders, daher bedeutet das für jede Familie andere Umstände und auch unterschiedlichen Hilfsbedarf. Entstanden ist die Debatte über solche Hilfen im Zuge der Strafrechtsreform, als 1974 die Fristenlösung eingeführt wurde. Man wurde sich zwar einig, dass es die Möglichkeit zu Schwangerschaftsabbrüchen geben sollte, dennoch sollten Beratungsangebote zur Verfügung stehen, die die Zahl der Abbrüche gering halten sollten. Ziel war es, Familienplanung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern Familien und besonders Frauen bei Fragen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und potenziellem Abbruch unabhängige Beratung zur Verfügung zu stellen. Möglicherweise auch aufgrund dieses Bias gegenüber Abbrüchen wurden viele der Familienberatungsstellen nicht automatisch von unabhängigen Stellen betrieben, sondern gerade Diözesen und kirchliche Einrichtungen übernahmen große Teile der Aufgabe und stellen bis heute rund ein Fünftel der Förderempfänger und erhalten knapp ein Drittel der Fördergelder(1).
Nachdem sich seit Einführung der Familienberatungsstellen Gesellschaft, Familienkonstruktionen und in weiterer Folge auch die Probleme von Familien verändert haben, stellt sich mittlerweile die Frage, inwiefern die aktuellen Familienberatungen die intendierte Aufgabe noch erfüllen beziehungsweise ob das vorhandene Konstrukt noch den Anforderungen der Gesellschaft entspricht. So spricht das Familienberatungsförderungsgesetz von Angelegenheiten der Familienplanung und wirtschaftlichen und sozialen Belangen werdender Mütter als Gründe für Beratungsangebote (2). Sieht man sich die Themen an, die auf der offiziellen Homepage der Familienberatungsstellen angeführt werden, werden mit insgesamt 13 Kategorien mittlerweile weitaus mehr Themen abgedeckt, als im Gesetz definiert ist (3). Die Vielzahl der Angebote zeigt zwar, dass gesellschaftlichen Veränderungen Anerkennung gezollt wird, andererseits zeigt sich, dass es kaum Informationen gibt, wie welche Angebote genutzt werden. So spiegeln die Aufschlüsselungen des Bundeskanzleramts (4) beispielsweise nicht die Themenauswahl der offiziellen Website zu Familienberatungen, einzelne Themen wie beispielsweise "Schule" oder "Ablösung von Kindern" sind auf der Übersichtsseite der Angebote gar nicht aufgeführt. In der Analyse der genutzten Angebote werden "sexualisierte Gewalt" oder "Migration und Integration" beispielsweise nicht als genutztes Angebot erwähnt. Möglicherweise auch, weil anhand der verfügbaren Informationen gar nicht klar ist, welche Angebote darunter zu verstehen sind - immerhin dürften Beratungsstellen teilweise schon als Beratungsstellen zu Integration zählen, wenn Angebote in einer anderen Sprache verfügbar sind.
Gerade weil die Familienberatungsstellen gerne als Sammelbecken verwendet werden, werden diese immer wieder mit diversesten Aufgaben zur Erleichterung der Situation von Familien betraut. So wurde beispielsweise das Budget für Familienberatungen in der Pandemie um 2,9 Millionen Euro erhöht (5), in der Folge der Kinderschutzdebatte Anfang 2023 wurde eine weitere Budgeterhöhung um weitere drei Millionen Euro angekündigt (6). Auch die Debatte über die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes und potenzielle Beratungsangebote in dessen Rahmen, werfen hier weitere Fragen auf. Immerhin wurde diskutiert, ob diese Beratungen für den vollen Bezug des Kinderbetreuungsgeldes verpflichtend vorgeschrieben werden (7). Nachdem im Familienberatungsförderungsgesetzes (§2.(1)7) vorgeschrieben ist, dass Familienberatungen anonym durchgeführt werden müssen, stellt sich die Frage, ob eine derartige Verpflichtung überhaupt vorgeschrieben werden könnte.
Man sieht also: Die Familienberatungsstellen werden in der politischen Debatte gerne als rasche Lösung vorgeschlagen, was genau unter welchen Umständen von diesen geleistet wird, ist aber nicht so einfach zu erklären. Auch scheinen manche Aspekte mittlerweile überholt zu sein, immerhin stellen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse (die beispielsweise sogenannte NFP-Ausbildungen auf den Prüfstand stellen) vorhandene Angebote in Frage, auch modernere Ansätze, wie Familienberatungsstellen gerade für Integrationsfragen besser genutzt werden können, könnten aufgriffen werden.
Nachdem das Budget für Familienberatungen nach zwischenzeitlichen Kürzungen (8) mehrere Jahre hintereinander aufgestockt wurde und beispielsweise die Honorare für selbstständige Berater:innen noch immer per Verordnung aus dem Jahr 2013 auf 50 Euro pro Beratungseinheit gedeckelt sind (9), müssten die Anzahl der geleisteten Einheiten massiv zugenommen haben. Gerade unter dem Aspekt der Frage, welche Aufgaben durch Familienberatungen erfüllt werden müssen, ist es wohl höchste Zeit, die bisher erbrachten Leistungen einmal genauer zu analysieren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Handelt es sich hierbei um Themen, die nicht genutzt werden?
ii. Falls ja: Wird bei diesen Angeboten trotzdem eine Fördersumme für die Bereitstellung gezahlt?
iii. Falls nein: Wie entsteht die unterschiedliche Auflistung?