14484/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.03.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend gemeinsame Erklärung von Österreich und Marokko zur Migrations- und Asylpolitik

 

 

Vom 27. Februar 2023 bis 1. März 2023 reisten Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner nach Marokko. Grund für den Staatsbesuch war das 240-Jahre-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie bzw. dem demokratischen Österreich und dem Königreich Marokko. Schon im Vorfeld dieser Reise wurden Fragen von Migration, Asyl und Rückführungen auf die Agenda gesetzt – diese sollen fortan enger mit Marokko beantwortet werden. Der Hintergrund ist, dass eine große Zahl an Asylanträgen von marokkanischen Staatsbürger*innen gestellt wird, die jedoch wenig Chance auf Annahme ihres Asylantrags haben. Dieses Anliegen wurde dem Anschein nach erfüllt. Mehrere Tageszeitungen und Nachrichtensendungen verkündeten die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen Österreich und Marokko.

 

 „Regelmäßige Treffen“[1] solle es geben. „Mehr Tempo bei Rückführungen“[2], erwarte sich der Innenminister. Was die Minister aber genau unterzeichnet haben, was das bedeutet und beinhaltet, ist nicht näher bekannt, von „Erklärungen“, „Abkommen“ und „Vereinbarungen“ ist die Rede. Dass es tatsächlich zu einem Rückführungsabkommen gekommen ist, ist unwahrscheinlich, da das Verhandlungsmandat dafür bei der Europäischen Union liegt. Bemühungen, im Bereich Rückführungen Erfolge zu erzielen, sind grundsätzlich positiv zu sehen, fraglich bleibt aber, wie effektiv die Kooperation ausfallen wird. Dazu soll ein regelmäßig tagender Arbeitskreis eingerichtet werden, auch darüber sind bislang ansonsten wenig fundierte Informationen an die Öffentlichkeit gedrungen.

 

Die Auswirkungen der Kooperation sind auch deswegen fragwürdig, weil zwar viele marokkanische Staatsbürger in Österreich ihren ersten Asylantrag stellen – auch hier zeigt sich der Bärendienst des „Partners“ der Bundesregierung, Viktor Orbán – das Land jedoch schnell wieder verlassen und Medienberichten zufolge nach Spanien oder Frankreich weiterziehen. „8471 Marokkaner suchten im Vorjahr in Österreich um Asyl an. 230 sind derzeit in der Grundversorgung“, wie die Krone berichtet. [3] Hier verlangt auch eine Aussage des Innenministers eine Klarstellung. Wie der Kurier berichtet, erwarte sich Karner mehr Tempo bei Rückführungen, da die Verfahren „derzeit zwei Jahre und damit viel zu lange“ dauern würden. Ob es sich dabei um die Dauer des Asylverfahrens, oder des Rückführungsverfahrens handelt, ist essentiell, weil die Dauer der Asylverfahren nur auf österreichischer Seite verkürzt werden kann. Hierzu bräuchte es aber vor allem eine Verbesserung der Verfahrensqualität im BFA und der personellen Ausstattung des BVwG, um die Dauer der Asylverfahren zu verkürzen.

 

Im Zuge dessen ist auch der Stand des Rückführungsabkommens mit der Republik Indien zu hinterfragen. Dieses wurde zu Jahresbeginn groß angekündigt, seitdem ist es sehr still um dieses Abkommen geworden. Die Probleme, die für das marokkanische Abkommen aufgelistet wurden, treffen aber ähnlich auch auf das Abkommen mit Indien zu.

 

Zuletzt stellt sich auch die Frage, ob es in den Gesprächen zu einem politischen Abtausch mit der österreichischen Haltung im Westsahara-Konflikt gekommen ist. Wie die Presse berichtet[4], sei in der Erklärung mit Marokko auch der marokkanische Autonomieplan aus dem Jahr 2007 Thema gewesen. Österreich war in der Vergangenheit im Sinne einer aktiven Außen- und Neutralitätspolitik auch diplomatische Drehscheibe für Verhandlungen im Westsaharakonflikt. So trafen etwa 2009 mehrfach Vertreter der marokkanischen Regierung und der Frente Polisario zu Gesprächen in Österreich zusammen. Österreich ist im Sinne dieses Engagements einer achtsamen und verbindlichen Außenpolitik beiden Seiten gegenüber verpflichtet.

 

Österreich hat in der Vergangenheit den UN-Prozess zur Streitbeilegung des Westsahara-Konflikts und Abhaltung eines Referendums aktiv unterstützt.  Es ist zu klären, ob die langjährige außenpolitische Linie der Republik nun geändert wurde und auf Basis welcher Grundlagen das entschieden wurde.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage:

 

1.      Welcher Art ist das Dokument, das beim Staatsbesuch mit Marokko unterzeichnet wurde? Handelt es sich um eine Absichtserklärung, ein „Memorandum of Understanding“ wie beim Treffen mit Serbien und Ungarn oder ein konkretes Abkommen?

a.      Welche konkreten Inhalte umfasst dieses Dokument?

b.      Wer war in die Erarbeitung des Dokuments eingebunden?

c.       Wurde es vor Ort verhandelt, oder bereits zuvor zwischen den Regierungen von Österreich und Marokko abgestimmt?

                                                              i.      Falls es zuvor schon abgestimmt war: Wer war in diese Erarbeitung und Abstimmung eingebunden und ab wann wurde daran gearbeitet?

                                                             ii.      Falls es vor Ort verhandelt wurde: Wer war in die Erarbeitung und Verhandlung eingebunden?

2.      War das Außenministerium in die Abstimmung bzw. die Erarbeitung des Abkommens eingebunden?

a.      Wenn ja: In welcher konkreten Form?

b.      Wenn nein: Wieso nicht?

3.      War das Parlament bzw. der zuständige Ausschuss über das Vorhaben informiert bzw. eingebunden?

a.      Wenn ja: Wer, ab wann und durch wen?

4.      Welche konkreten Verbesserungen erwarten Sie durch Unterzeichnung des Dokuments bei Rückführungen marokkanischer Staatsbürger*innen?

5.      Was ist der aktuelle Verhandlungsstand zum Rückführungsabkommen mit Indien?

a.      Wie viele Verhandlungsrunden gab es zu diesem Abkommen?

b.      Was waren die Inhalte?

c.       Wer hat daran teilgenommen?

d.      Soll es hier zu einer baldigen Unterzeichnung kommen?

                                                              i.      Falls ja: Für wann ist diese geplant?

6.      Ist der angekündigte Arbeitskreis zwischen österreichischen und marokkanischen Diplomat*innen bereits eingerichtet?

a.      Gibt es einen konkreten Arbeitsplan? Bitte um Auflistung der Gesprächstermine und des Teilnehmer*innenkreises sowie der vereinbarten Inhalte.

b.      Wer leitet den Arbeitskreis, wer nimmt daran teil und in welchem Ressort wird dieser in Österreich angesiedelt sein?

7.      Wurden im Zuge der Erklärung außenpolitische Positionen Österreichs im Westsahara-Konflikt geändert?

a.      Wenn ja: Auf Basis welcher Grundlagen wurde das entschieden?

8.      Der UNO-Sicherheitsrat hat in der Resolution 1429 das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der Westsahara anerkannt. Unterstützt Österreich nach wie vor dem UN-Prozess zur Streitbeilegung des Konflikts und zur Abhaltung eines Referendums?

9.      Die österreichische Bundesregierung hat nun offenbar anlässlich des Besuchs Unterstützung für den von Marokko 2007 vorgelegten Autonomieplan zum Ausdruck gebracht. Welche Überlegungen stehen hinter dieser geänderten Haltung der Bunderegierung?

10.  Wann gab es von Seiten der österreichischen Bundesregierung zuletzt Gespräche mit Vertretern der Frente Polisario?

11.  Wie hoch sind die Reisekosten für den Staatsbesuch in Marokko und welche Verkehrsmittel wurden dafür genutzt?

12.  Sind weitere derartige Missionen geplant, um auf dem internationalen Parkett über Migration zu sprechen bzw. Vereinbarungen zu treffen?

a.      Wenn ja: Welche und wann?



[1] https://www.kleinezeitung.at/politik/politikaufmacher/6257342/Illegale-Migration_Einigung-ueber-raschere-Rueckfuehrungen-nach

[2] https://kurier.at/politik/inland/kanzler-in-marokko-oesterreich-will-brueckenbauer-nach-afrika-sein/402346422

[3] https://www.krone.at/2942907

[4] https://www.diepresse.com/6257193/die-afrika-strategie-karl-nehammers-beginnt-in-marokko