14546/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.03.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Anspruch auf das 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF)

Das Recht auf Bildung steht allen Kindern uneingeschränkt zu. Behinderte Kinder haben laut der UN-Kinderrechtskonvention (UN-BRK) nach Artikel 24 das gleiche Recht auf Bildung wie Kinder ohne Behinderung. Das Recht auf inklusive Bildung ist ein Menschenrecht und ist damit unabänderlich und unabdingbar. Eine inklusive Bildung ermöglicht Kindern die Teilhabe an der Gesellschaft und fördert ihre Entwicklung und Selbstständigkeit. Dafür ist es wichtig, dass in der Schule die Entwicklung aller Schüler*innen bestmöglich unterstützt wird. Bildung muss über die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt hinaus gehen und ist grundlegend für ein selbstbestimmtes Leben, gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Entfaltung.

 

Im Bereich des inklusiven Bildungssystems und lebenslanges Lernen hat Österreich laut dem Monitoring Ausschuss (2022),[1] der die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen durch die öffentliche Verwaltung im Bereich der Bundeskompetenz überwacht, leider noch einiges an Nachholbedarf. Zusätzlich werden die Ressourcen für einen inklusiven Unterricht zunehmend abgebaut und es wird stattdessen in den Bau und die Renovierung von Sonderschulen investiert[2]. Die Vereinten Nationen haben in ihren General Comments klargestellt, dass niemand von Bildungseinrichtungen ausgeschlossen werden darf und alle gleichermaßen Zugang zu Bildung haben müssen.[3] Diese Auffassung ist auch im aktuellen Regierungsprogramm enthalten, es fehlt allerdings an der Umsetzung.

 

An vielen Schulen gibt es nach wie vor nicht genügend Ressourcen und Unterstützung für Schüler*innen mit Behinderung im allgemeinen Schulbetrieb, das führt seit Jahren zu einer Benachteiligung von Kindern mit einer Behinderung. Folglich werden Kinder mit einer Behinderung zunehmend in den Sonderschulbetrieb oder zu einem verfrühten Schulabgang gezwungen. Ausschlaggebend dafür ist, dass die Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften im Bereich der inklusiven Pädagogik nicht immer ausreichend ist und zu wenig qualifiziertes Personal verfügbar ist. Das Recht von Menschen mit Behinderungen auf eine inklusive Bildung wird oftmals infrage gestellt, da es mit hohen Kosten verbunden ist. Damit werden Menschen mit Behinderungen immer noch oft an den Kosten, die sie verursachen, gemessen und beurteilt.[4]

 

Der Nationale Aktionsplan „Behinderung 2022-2030“ sollte hier Verbesserung bringen, doch es fehlen die messbaren Ziele und treffsicheren Maßnahmen. Es braucht angemessene Vorkehrungen und Ressourcen, um die Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen und angemessen zu unterstützen. Dazu gehört eine Vereinheitlichung der Modelle inklusiver Bildung bundesweit[5] und Recht auf ein 11. & 12. Schuljahr für alle Kinder. Derzeit muss ein Antrag für einen „verlängerten Schulbesuch“ gestellt werden, der nur gewährt wird, wenn ausreichend „Restplätze“ vorhanden sind. Die Gewährung auf das 11. & 12. Schuljahr ist daher oft Glückssache und kann nicht für alle Schüler*innen gewährleistet werden. Die Sekundarstufe II muss auch für Schüler*innen mit SPF zugänglich sein. Auch die Volksanwaltschaft sprach sich dafür aus, dass die Platzvergabe ausschließlich auf pädagogischen Kriterien basieren muss (Volksanwaltschaft 2022: 1).[6] Der derzeitige Ungleichbehandlung ist mit der UN- Behindertenkonvention und der UN- Kinderrechtskonvention unvereinbar.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Wie viele Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) sind derzeit in den Sonderschulbetrieb eingegliedert? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

a.       Wie haben sich die Zahlen seit 2018 verändert?

2.       Der sonderpädagogische Förderbedarf (SPF) wird bei einer der Aufnahme in die Sekundarstufe laut Schulpflichtgesetz (§8 Abs 3a) aufgehoben, obwohl die Behinderung weiterhin besteht. Wie viele Schüler*innen haben einen anderen Förderbedarf aufgrund einer Behinderung und haben daher keine Möglichkeit für einen verlängerten Schulbesuch?

3.       Wie viele Schüler*innen mit SPF werden derzeit inklusiv im Regelschulsystem (VS, MS; PTS) unterrichtet? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland und Schulart darstellen.

4.       Wie viele Schüler*innen mit Körper-und Sinnesbehinderungen werden in Regelschulen inklusiv unterrichtet, obwohl bei ihnen aufgrund des Regelschulbesuchs der sonderpädagogische Förderbedarf (SPF) aufgehoben wurde?

5.       Wie viele Schüler*innen mit SPF sind derzeit bundesweit im 11. und 12. Schuljahr? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland und Schulart darstellen.

6.       Wie viele Anträge auf das 11. & 12. Schuljahr wurden im Schuljahr 2022/23 gestellt? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

a.       Wie haben sich die Zahlen seit 2012 verändert?

7.       Wie viele Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die das Alter von 15 Jahren überschritten haben, besuchen im Schuljahr 2022/23 eine Schule?

8.       Wie viele Schüler*innen erhalten aus medizinischen Gründen einen Dispens von der Schulpflicht (SchpflG §15) nach Bundesländern für die Schuljahre 2021/22 und 2022/23?

a.       Wie viele solcher Anträge werden derzeit abgelehnt? Bitte beide Fragen aufgeschlüsselt nach Bundesländern darstellen.

9.       Wie viele Schüler*innen werden nach dem SEF-Lehrplan (Lehrplan für Sonderschulen für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf) unterrichtet? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

a.       Wie haben sich die Zahlen seit 2012 verändert?

b.       Wie viele Schüler*innen sind davon im 11. & 12. Schuljahr?

10.   Wie viele Schüler*innen mit SPF verlassen vor dem 11. Schuljahr die Schule und gehen in eine Tagesbetreuung über?

11.   Wie viele Schüler*innen werden nach dem ASO- Lehrplan (Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule) unterrichtet? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

a.       Wie hat sich diese Zahl seit 2012 verändert?

b.       Wie viele Schüler*innen mit SPF befinden sich im BVJ (Berufsvorbereitungsjahr)? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern.

c.       Wie hat sich diese Zahl seit 2012 verändert?

d.       Wie viele sind davon im 11. und 12. Schuljahr?

12.   Wie viele Schüler*innen haben eine persönliche Assistenz in Bildungseinrichtungen des Bundes (PAB) in Anspruch genommen. Bitte nach Bundesländern für die Schuljahre 2021/22 und 2022/23 aufgeschlüsselt darstellen.

13.   Das Rundschreiben „Persönliche Assistenz für Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung in Einrichtungen des Bundes“ (RS 22/2021) wird nur jenen Schüler*innen gewährt, die eine entsprechende Eignung haben. Warum werden Schüler*innen mit bestimmten Behinderungsarten von der persönlichen Assistenz in Bundesschulen ausgeschlossen und können daher auch nicht integriert werden?

14.   Wie viele Schüler*innen mit SPF wiederholen eine Schulstufe im Laufe ihrer Schullaufbahn? Bitte für die Jahre 2019, 2020, 2021 und 2022 darstellen.

15.   Wie viele Kinder mit SPF nehmen an einer schulischen Tagesbetreuung teil? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland und Schulart darstellen.

16.   Inwiefern werden die Ressourcen im sonderpädagogischen Bereich ausgebaut, um das 11. und 12. Schuljahr für alle, die es wollen, zu ermöglichen?

17.   Ab wann und wie wird die Einschulung von Kindern flexibler gestaltet, sodass Kinder, wenn es für sie besser ist, auch noch länger im elementaren Bildungsbereich bleiben können?

18.   Was sind die Maßnahmen, um der steigenden Nachfrage nach dem 11. & 12. Schuljahres für behinderte Kinder nachzukommen?

19.   Gibt es Pläne für die Entwicklung alternativer sonderpädagogischer Angebote in Sekundarstufe 2?

20.   Welche Verhandlungen laufen derzeit, um gleiche Ansprüche für alle Kinder bundesweit durchzusetzen und einheitliche Ansprüche zu ermöglichen?

21.   Für welche Schulart werden die Anträge für das 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit SPF gestellt? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

22.   Wie viele Sonderpädagog*innen mit einem Sondervertrag werden pro Bundesland eingestellt und wie viele sind schon eingesetzt? Bitte für die Jahre 2019, 2020, 2021 und 2022 darstellen.

a.       Wie viele haben davon eine facheinschlägiges Lehramtstudium?

b.       Wie viele haben davon sind derzeit noch im Lehramtstudium für Sonderpädagogik eingebunden?

c.       Wie viele davon sind berufliche Quereinsteiger*innen?

23.   Können Sie uns Auskunft darüber geben, welche Berufe die sogenannten „Lehrassistent*innen“ in der Sonderpädagogik vorher hatten?

a.       Wenn ja, um welche Berufe handelt es sich?

24.   Lässt sich die Tätigkeit „Lehrassistenz“ in der Sonderpädagogik unabhängig von beruflicher Vorerfahrung und facheinschlägiger Ausbildung ausüben oder gibt es hierbei Einschränkungen bzw. Vorgaben?

25.   Wie vielen Kindern mit Behinderung wurde ein Bescheid für sonderpädagogischen Förderbedarf ausgestellt? Bitte um Darstellung der Jahre 2019, 2020, 2021 und 2022.

a.       Wie viele wurden bisher schon im Jahr 2023 ausgestellt?

26.   Wie viele Kinder, die eine ICD-10 F84 Diagnose haben, sind derzeit im schulischen System eingegliedert? Bitte aufgeschlüsselt nach Bundesland darstellen.

 



[1] Wahl, Hannah (2022,30 Nov) Kinder mit Behinderungen haben Recht auf Bildung [Pressemeldung]. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221130_OTS0064/monitoringausschusssteger-kinder-mit-behinderungen-haben-recht-auf-bildung^^

[2] Voithofer, Caroline (2021). Arbeitsgruppe 2: Recht auf Bildung (Art 24 UN-BRK). In: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich und Deutschland. 137-150.

[3] United Nations (2016). General comment No. 4 on Article 24 - the right to inclusive education. www.ohchr.org/en/documents/general-comments-and-recommendations/general-comment-no-4-article-24-right-inclusive

[4] Rieder, Elisabeth (2021). Definitionen, Modelle, Paradigmen und Ansätze zur Umsetzung eines

inklusiven Bildungssystems in Österreich gemäß Artikel 24 UN-BRK. In: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich und Deutschland. 161- 184.

 

[6] Volksanwaltschaft (2022). Stellungnahme zur Bürgerinitiative Nr. 51/BI (XXVII.GP) 2022.