14617/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.03.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend BWB-Nachbesetzung: Gutachter ohne Informationen für ein politisches Gegengutachten auf Ministeriumskosten?
Die holprige und undurchsichtige Suche nach der Nachfolge an der Spitze der Wettbewerbsbehörde
Die Besetzung der Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zieht sich schon sehr lang und das Bestellungsverfahren wurde von vielen Ungereimtheiten begleitet, über die vielfach in den Medien berichtet wurde. Für Aufsehen und Kritik sorgte, dass der letztlich ausgewählte Kandidat ein Näheverhältnis zum Vorsitzenden und sogar dessen Frau kurzfristig Mitglied des besagten Bestellungsgremiums war (1). Begutachtungskommissionen nach dem Ausschreibungsgesetz haben bei der Postenvergabe im öffentlichen Dienst eine hohe Bedeutung, wie auch die Affäre um die Besetzung des Finanzamtes Braunau gezeigt hat. Von der Begutachtungskommission wurde der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Michael Sachs, an erste Stelle gereiht. Die langjährige stellvertretende Behördenleiterin, Natalie Harsdorf-Borsch, die seit 15 Monaten interimistische Leiterin der BWB ist, wurde trotz all der jahrelangen Erfahrung im Kartellrecht ein Punkt weniger in der Bewertung ihrer Qualifikation eingeräumt. Dies erscheint insbesondere deshalb verwunderlich, da der Erstgereihte keine Erfahrung im Tätigkeitsbereich der BWB vorweisen kann, sondern vielmehr über Expertise beim Beihilfe- und Vergaberecht verfügt.
Grüne Zweifel und türkise Gegengutachten
All diese Ungereimtheiten haben Zweifel offenbar auch bei den Grünen geweckt, die bei einem Rechtsanwalt, Meinhard Novak, ein Gutachten eingeholt haben. Die Streitfrage ist, wie die Voraussetzung der Ausschreibung "Berufserfahrung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts" zu verstehen ist. Das wenig überraschende Ergebnis war, dass damit das Kartellrecht, Marktmachtmissbrauch und die Fusionskontrolle gemeint sind, deren Einhaltung zur Kernaufgabe der Wettbewerbsbehörde zählt. Das Wirtschaftsministerium war von einer solchen Auslegung nicht begeistert und hat in Deutschland ein Gutachten zu einem der in Auftrag gegeben (2). In der Beantwortung einer NEOS-Anfrage räumte Bundesminister Kocher im Jänner 2023 ein, dass bereits der Titel "Gutachten zur Interpretation der Begriffe Wettbewerbsrecht sowie Kartellrecht und Analyse des Gutachtens von Dr. Meinhard Novak" lautete und 10.000 EUR gekostet hat. Daraus ist also klar ersichtlich, dass es sich hierbei um ein Gegengutachten handelt, dass vielmehr der Unterstreichung der eigenen, kreativen Auslegung dient. (3) Bezüglich der Veröffentlichung des Gutachtens wurde auf ein Einvernehmen des Koalitionspartners verwiesen. Regierungskoordinatorin Sigrid Maurer hat im Ö1-Journal erklärt, dass die Grünen einer Veröffentlichung zustimmen würden, wenn die ÖVP diese Frage in die Koalitionskoordinierung einbringt. Dennoch wurde das Gutachten bisher nicht publik gemacht.
Neue Enthüllungen: Gutachter ohne Zugang zu relevanten Informationen
Die Anfragebeantwortung eines Journalisten und Informationsfreiheitsaktivisten nach dem Auskunftspflichtgesetz zeigte auf, dass dem beauftragten Kartellrechtsexperten aus Deutschland, Torsten Köber, lediglich das Gutachten des Rechtsanwalts und das Kartellgesetz zur Verfügung gestellt wurde. Weder die Ausschreibung für die Leitung der BWB noch die Bewerbungsunterlagen standen ihm zur Verfügung. Vonseiten des BMAW wird vielmehr unterstrichen, dass aufgrund "des nötigen Abstandes zum österreichischen Bestellungsprozess" ein deutscher Gutachter ausgesucht wurde. All dies wirft die Frage auf, warum der zuständige Bundesminister Kocher behaupten kann, dass ein Gutachten, dass sich nicht auf den Bestellungsprozess bezieht - also auch nicht auf die Eignung der Kandidaten - die getroffene Wahl bestätigen kann. Auf Nachfrage bestätigt Torsten Köber, dass er lediglich die Frage beantwortet hätte, wie weit man den Begriff "Wettbewerbsrecht" auslegen kann und ob das Beihilfen- und Vergaberecht auch davon umfasst sind. Interessant ist, dass das BMAW dem beauftragen Rechtsexperten verboten hat, das Gutachten vor Abschluss des Bestellungsverfahrens zu veröffentlichen. Wenn im Gutachten, das auf Kosten des Ministeriums erstellt wurde, nur allgemeine Ausführungen zu den Grenzen eines Rechtsbegriffes enthalten sind, ist nicht ersichtlich, warum diese nicht vor der Bestimmung der Nachfolge in der BWB der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden soll.
Kleinkrieg um Postenbesetzung auf Ministeriumskosten
Vieles deutet darauf hin, dass ÖVP Minister Martin Kocher mit Geldern der Ministerien ein Kleinkrieg um Postenbesetzung gegen den Koalitionspartner führen. Hier bedient sich die ÖVP wieder großzügig am Steuertopf, um eigene Kandidaten zu fördern. Steuerzahler:innen müssen damit den Versuch der Politisierung der Wettbewerbsbehörde bezahlen. Die gewählte Argumentation des BMAW passt einerseits nicht zur Weigerung der Veröffentlichung des Gutachtens. Andererseits ist es vermutlich nicht so relevant, wie weit die Grenzen des Wettbewerbsrechts begrifflich gezogen werden, wenn man sich vor Augen führt, dass hier die Nachfolge an der Spitze der Wettbewerbsbehörde gesucht wird. Wie Bundesminister Kocher im Budgetausschuss 08.11.2022 bestätigte, beschäftigt sich keine der 49 Planstellen mit Fragen des Beihilfenrechts. Das sollte entsprechend bei der Postenvergabe berücksichtigt werden.
Quellen
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende