14618/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.03.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Sachverständige psychiatrische Kriminalprognostik
Im Dezember 2022 hat der Nationalrat den längst überfälligen ersten Teil der Reform des Maßnahmenvollzugs (Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz) beschlossen.
Im Gesetz heißt es:
„§ 430. (1) Sobald aufgrund bestimmter Anhaltspunkte (§ 1 Abs. 3 StPO) angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorliegen, gelten folgende Besonderheiten:
(…)
2. Der Betroffene ist durch einen Sachverständigen der Psychiatrie, vorzugsweise eines solchen, der auch für das Fachgebiet psychiatrische Kriminalprognostik eingetragen ist, zu untersuchen. Das Gutachten hat sich auch darauf zu erstrecken, ob es alternative Behandlungs- oder Betreuungsmaßnahmen gibt, die ein vorläufiges Absehen vom Vollzug einer Unterbringung ermöglichen könnten (§ 157a StVG).“[1]
Die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck schreibt dazu in ihrer Stellungnahme:
„Mit dem vorliegenden Entwurf allein wird dieses Ziel allerdings (einmal mehr) schon deshalb nicht zu erreichen sein, weil (…) den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten die im Unterbringungsverfahren beizuziehenden Sachverständigen der Psychiatrie, die nach dem Entwurf vorzugsweise auch noch für das Fachgebiet der psychiatrischen Kriminalprognostik eingetragen sein sollen (vgl. § 430 Abs 1 Z 2 StPO in der vorgeschlagenen Fassung), bereits jetzt nicht in der erforderlichen Zahl zur Verfügung stehen.“[2]
Rund 1400 Menschen sind in Österreich im Maßnahmenvollzug untergebracht.[3] Der Untersuchung der Reformkommission zufolge kommen auf vier fälschlicherweise in den Maßnahmenvollzug eingewiesene ein fälschlicherweise nicht eingewiesener.[4]
In der Vergangenheit hat sich Österreich in Bezug auf den Maßnahmenvollzug mehrfach Kritik auf menschenrechtlicher Ebene eingehandelt. In den Jahren 2015 und 2017 wurde die Republik vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unter anderem wegen zu langer Unterbringungsdauer verurteilt.[5]
Menschen auf unbestimmte Zeit wegzusperren und nicht zu therapieren ist inakzeptabel.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wie viele eingetragene Sachverständige für das Fachgebiet der psychiatrischen Kriminalprognostik gibt es in Österreich?
2. Über welche besondere Ausbildung und Erfahrungen verfügen diese Sachverständigen gegenüber Sachverständigen der Psychiatrie?
3. Wie viele Gutachten haben diese Sachverständigen in den vergangenen zehn Jahren für Staatsanwaltschaften und Strafgerichte erstellt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.
4. Ist diese Anzahl von Sachverständigen ausreichend?
5. Wenn nein, was sind die dafür maßgeblichen Gründe und welche Maßnahmen setzen Sie, um das zu beheben?
6. Wie viele eingetragene Sachverständige für das Fachgebiet der Psychiatrie gibt es in Österreich?
7. Wie viele davon verfügen über eine Berufspraxis als Psychiater, wie viele sind Neurologen?
8. Wie viele der eingetragenen psychiatrischen Sachveständigen erstatten regelmäßig (mehrmals im Jahr) Gutachten für Staatsanwaltschaften und Strafgerichte?
9. Wie hoch ist der Altersdurchschnitt der für das Fachgebiet der Psychiatrie eingetragenen Sachverständigen?
10. Wie viele Gutachten haben diese Sachverständigen in den vergangenen zehn Jahren erstellt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.
11. Ist diese Anzahl von Sachverständigen ausreichend?
12. Wenn nein, was sind die die dafür maßgeblichen Gründe und welche Maßnahmen setzen Sie, um das zu beheben?
13. Wie viele Untersuchungen betreffend Einweisung in den Maßnahmenvollzug wurden in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.
14. Wie viele Folgeuntersuchungen wurden in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.
15. Von wem wurden diese Untersuchungen und Folgeuntersuchungen durchgeführt? Bitte um Aufschlüsselung der Sachverständigen nach Fachbereichen und Jahren.
16. Wie lange beträgt die durchschnittliche Wartefrist, bis ein Gutachten vorliegt? Mit der Bitte um Auflistung der vergangenen zehn Jahre.
17. Wie haben sich die Gebührensätze für psychiatrische Gutachten im GebAG in den vergangenen 20 Jahren entwickelt?
18. Sind diese Gebührensätze zeitgemäß?
19. Planen Sie eine Anpassung dieses Gebührensatzes?
20. Wenn nein, warum nicht?
[1] Vgl.: Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021 (128/ME) | Parlament Österreich
[2] Vgl.: Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021 (14/SN-128/ME) | Parlament Österreich
[3] Vgl.: „Gerechterer“ Vollzug - Reform: Wegsperren von Terroristen wird leichter | krone.at
[4] Vgl.: bericht ag maßnahmenvollzug.pdf
[5] Vgl.: (2) psychisch krank - Rechnungshof kritisiert Reform des Maßnahmenvollzugs - Wiener Zeitung Online