14623/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.03.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Wie nutzen Schulen bestehende Möglichkeiten der partiellen Schulautonomie?

 

Im österreichischen Schulwesen, das grundsätzlich nicht von autonomen Schulen sondern von einer hierarchischen "top-down" Verwaltung und Ressourcensteuerung geprägt ist, wurden durch das Bildungsreformgesetz 2017 einige autonome Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Diese beziehen sich vor allem auf die Unterrichtsorganisation und die Personalauswahl. Eine volle Autonomie mit Übertragung der Ressourcen an die Schulen, also mit Globalbudgets wie bei den Universitäten, ist nicht vorgesehen. 

Im Vorblatt zum Bildungsreformgesetz 2017 (vgl. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/erk/bildungsreformgesetz_2017.html) wird als Ziel der Reform ganz pauschal "Autonome Schulen" genannt. Als Maßnahmen werden dann, weniger weit gefasst, "Schulautonome Unterrichtsorganisation" und "Schulautonome Personalauswahl und -entwicklung" angeführt. 

Ob und in welcher Weise diese Möglichkeiten von den Schulen genutzt werden, ist ein Indikator dafür, ob die Reform von 2017 ihre Ziele erreicht hat und ob das Konzept einer punktuellen oder partiellen Autonomie tragfähig ist. Ein wesentliches Merkmal autonomieförderlicher Reformen wäre das Prinzip "Autonomie statt Bürokratie", also die gleichzeitige Senkung des Verwaltungsaufkommens. Ob dies bereits gelungen ist, scheint fragwürdig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. In den Erläuterungen zum Bildungsreformgesetz 2017 werden vier Punkte genannt, in denen die Reform zu Verbesserungen führen soll. Bitte beschreiben Sie anhand konkreter Beispiele, ob und wie diese Verbesserungen bereits erreicht wurden und wo ggf. weiterer Verbesserungsbedarf gegeben ist:  
    1. Das Bildungsangebot wird verstärkt nach den regionalen Anforderungen ausgerichtet.
    2. Auf die individuellen Fähigkeiten und Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler wird stärker eingegangen.
    3. Die Wirksamkeit des Lernens und Lehrens wird in schulautonomen pädagogischen Konzepten und flexibleren Unterrichtsformen zeitgemäß weiterentwickelt.
    4. Die regionale Vernetzung mit dem schulischen Umfeld und den Schulpartnern wird gestärkt.
  1. Die OECD postulierte 2012 in ihrer jährlichen Studie Education at a Glance: „Gründe für eine Dezentralisierung der Entscheidungskompetenz sind (…) Bürokratieabbau, ein verstärktes Eingehen auf lokale Bedürfnisse (…), ein verbessertes Innovationspotenzial und die Schaffung von mehr Anreizen für eine Verbesserung der Qualität der Schulbildung“. 
    1. War Bürokratieabbau auch ein Ziel der Bildungsreform 2017 in Österreich? Wenn ja, wurde dieses Ziel erreicht?

                                          i.    Was hat sich verändert?

                                        ii.    Gibt es Kennzahlen, die die Veränderungen belegen?

    1. Wenn nein, sind für die Zukunft Reformschritte geplant, die zu einem Abbau des Verwaltungsaufwands an den Schulen führt (und nicht nur zu einer Übertragung an zusätzliche Verwaltungskräfte)?
  1. Laut „Nationalem Bildungsbericht 2009“ besteht ein Zusammenhang zwischen dem Grad an Schulautonomie und der Leistungsfähigkeit eines Schulsystems: „Ein hoher Grad an Schulautonomie ist eine wichtige Bedingung für überdurchschnittliche Schüler/innen/leistungen, so der Schluss einer Vielzahl von Studien“ (NBB 2009, Bd. 2, S. 335). Laut NBB können „hohe Schülerleistungen (…) eher dann erreicht werden, wenn die innere Flexibilität des Systems durch Dezentralisierung (bei gleichzeitiger Senkung des Verwaltungsaufkommens) erhöht wird“. 
    1. Hat die Bildungsreform 2017 aus Ihrer Sicht zu höheren Schülerleistungen geführt?

                                          i.    Wenn ja, woran machen Sie das fest?

                                        ii.    Wenn nein, was ist aus Ihrer Sicht die Ursache? Ist der vorgesehene Grad an Schulautonomie nicht ausreichend, wurde die Reform unzureichend umgesetzt oder war die Annahme des NBB und der OECD falsch?

    1. Wurde die "gleichzeitige Senkung des Verwaltungsaufkommens" erreicht? Wenn ja, inwiefern?
  1. Ein Bereich der Reform 2017 betraf die autonome Unterrichtsorganisation, bspw. hinsichtlich Eröffnungs- und Teilungszahlen von Klassen, klassen- und jahrgangsübergreifende Unterrichtsformen, projektorientierte Unterrichtsphasen, fächerübergreifende Gegenstandsgruppen, Aufbrechen der 50-Minuten-Einheiten etc.
    1. Wie viele der rund 6.000 Schulen in Österreich nutzen derzeit die Möglichkeit, Eröffnungs- und Teilungszahlen abweichend festzulegen? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten und Bundesländern.
    2. In wie vielen Schulen werden klassen- und jahrgangsübergreifende Gruppen gebildet und unterrichtet? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten und Bundesländern.
    3. In wie vielen Schulen werden fächerübergreifende Gegenstandsgruppen gebildet? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten und Bundesländern.
    4. Wie viele Schulen nutzen die Möglichkeit, die Schulwoche anders als in 50-Minuten-Einheiten zu strukturieren? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten und Bundesländern.
    5. Welche Best-practice-Beispiele autonomer Unterrichtsorganisation sind Ihnen bekannt?
  1. Ein weiterer Aspekt der Reform 2017 betraf die Auswahl der Lehrkräfte. 
    1. Wie wurde der erforderliche neue Auswahlprozess ausgestaltet?
    2. Wie viele Schulen nutzen die Möglichkeit, selbst Lehrkräfte auszuwählen? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten.
    3. Bewährt sich das 2017 beschlossene Procedere auch in Zeiten des Lehrkräftemangels oder sind aus Ihrer Sicht Adaptierungen notwendig?
    4. Ist geplant, die schulautonome Personalauswahl auch auf andere Berufsgruppen auszuweiten, beispielsweise auf IT-Administrator:innen, Schulsozialarbeiter:innen, Schulpsychologinnen und Verwaltungsmitarbeiter:innen?
  1. Die Reform 2017 bezog sich auch auf die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte und die Personalentwicklung. Es war geplant, dass als Ergebnis der Reform ca. 55% der Fortbildungen von Schul(cluster)leitungen frei abrufbar und inhaltlich frei gestaltbar sein sollen.
    1. Wurde diese Kennzahl erreicht? Wenn nein, warum nicht?
    2. Wie viele Schulen nutzen die Möglichkeit, Fortbildungen abzurufen?
    3. Ist das Gesamtausmaß konsumierter Fortbildungseinheiten in Folge der Reform gestiegen, gleich geblieben oder gesunken, und in welchem Ausmaß?
  1. Wurde in Folge der Reform 2017 ein finanzieller Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der Schulen geschaffen oder erweitert, bspw. indem Budgetmittel in deren autonome Verfügung übertragen wurden?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, ist dies zukünftig geplant?
  1. Die Nutzung autonomer Gestaltungsspielräume hängt stark von der Schulleitung ab. 
    1. Wurden Maßnahmen gesetzt, das Führungs- und Management-Know-how der Direktor:innen entsprechend zu erweitern? Wenn ja, welche?
    2. Wurden Maßnahmen gesetzt oder sind solche geplant, um das Leitungsteam der Schulen zu erweitern, bspw. in Form der Einsetzung oder Ermöglichung eines mittleren Managements? Wenn ja, welche?
    3. Wurden Maßnahmen gesetzt, Schulleitungen von anderen Aufgaben zu entlasten, um sie für Führungsaufgaben freizuspielen? Wenn ja, welche?
  1. In welcher Weise wurden die Schulleitungen bei der Implementierung der neuen autonomen Möglichkeiten unterstützt? Bitte jeweils um Erläuterung und nach Möglichkeit Quantifizierung der Maßnahmen, sofern zutreffend.
    1. Information/Dissemination (Website, Leitfäden etc.)
    2. Persönliche Beratung und Begleitung
    3. Austausch über Umsetzungserfahrungen zwischen Schulen (Best-Practice, Case Studies, Sparring, Twinning und dergleichen)
  1. Wurde die Implementierung der neuen autonomen Möglichkeiten empirisch begleitet?
    1. Wurden diesbezügliche Einstellungen der Schulleiter:innen erhoben?
    2. Wurde das diesbezügliche Wissen der Schulleiter:innen erhoben?
    3. Wurden erhoben, welche Erfahrungen die Schulleiter:innen mit der Umsetzung dieser autonomen Möglichkeiten gemacht haben?
    4. Wurde erhoben, ob die Schulleiter:innen die Rahmenbedingungen tauglich und förderlich fanden?
    5. Wo wurden die Ergebnisse dieser Erhebungen (a-d) ggf. veröffentlicht?