14637/J XXVII. GP
Eingelangt am 29.03.2023
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ANFRAGE
der Abgeordneten Peter Schmiedlechner
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Pflegepersonalnotstand in Österreich
Im vergangenen
Wahlkampf haben fast alle Parteien das Thema Pflege für sich entdeckt und
mehr oder weniger ausgereifte Konzepte vorgestellt. Immerhin wird endlich von
der Politik anerkannt, dass es in diesem wichtigen Gesundheitssegment bald
gravierende Probleme geben wird.
Angesichts der steigenden Lebenserwartung wird der Pflegebedarf immer
größer.[1]
Dass der Pflegenotstand kein Problem durch die Corona Krise ist, bestätigen unzählige Artikel in den Medien, wie der oben zitierte Ausschnitt aus einer Radiosendung von Ö1 im Jahr 2019 aufzeigt. Dies bestätigt, dass bereits vor Pandemie-Beginn ein Pflegenotstand vorhanden war, besser gesagt, befand man sich schon mitten darin (siehe nächster Artikel des ÖGB). Die Hilferufe der Pflegepersonen und der Pflege- nstitutionen wollte man seitens der Regierungsparteien von Türkis-Grün nach dem Wahlkampf im September 2019 nicht mehr hören.
Doch spätestens seit der Corona Pandemie 2020 konnte man die Probleme im Gesundheitsbereich nicht mehr unter den Teppich kehren. Das politische Versagen im Gesundheitssystem wurde für die österreichische Gesellschaft sichtbar und spürbar. Auch wurden die milliardenschweren Ausgaben für Corona-Maßnahmen damit gerechtfertigt, das System damit schützen zu wollen! Ein Hohn für die österreichischen Bürger. Plötzlich waren sie dafür verantwortlich, sich gesund halten zu müssen, um das kaputt gesparte Gesundheitssystem nicht zum Zusammenbruch zu bringen.
In einer Studie, welche noch von ihrem Vorgänger Dr. Mückstein für das Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde, wird der Pflegepersonalnotstand in den kommenden Jahren veranschaulicht. Trotz der gesammelten Datenlage zum Thema Arbeitsbedingungen in der Pflege, bekommt man den Eindruck, dass hinsichtlich dieser erschreckenden Ergebnisse noch immer nicht gehandelt wurde.
Am 7. Juli 2022 wurde im Nationalrat von der schwarz-grünen Regierung eine Pflegereform beschlossen. Seitens der Opposition wurde diese Reform als unzureichend erklärt. Es gab vereinzelte Fortschritte, diese seien aber nicht nachhaltig ausgearbeitet. Die Pflegereform steht in der Kritik, mehr eine Ausweitung der Pflegekompetenzen zu sein, anstatt den Mangel an Pflegekräften zu beheben. Auch auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen des so belastenden Pflegepersonals wird keine Rücksicht genommen, um eine Entlastung zu bewirken. Aus dieser unzureichend ausgearbeitenden Pflegereform und nach einem Jahr ihrer Tätigkeit als zuständiger Gesundheitsminister für den Bereich Pflege, stellt sich die Frage, was sie in dieser Zeit für das betroffene Pflegpersonal erreichen konnten bzw. verbessert haben und wie sie dem akuten Pflegepersonalnotstand entgegenwirken.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende
Anfrage
a. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?
2. Durch die demographische Entwicklung werden in den nächsten zehn Jahren zusätzlich zu den pensionierten Pflegekräften weitere Pflegekräfte benötigt. Laut einer Studie des Sozialministeriums wird dies auf ca. 38.000 Pflegepersonen geschätzt. Wie haben sie vor, diesen Bedarf zu decken?
a. Welche konkreten Maßnahmen wurden bis jetzt unternommen?
b. Welchen Erfolg zeitigten diese Maßnahmen?
c. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?
3. Rund 5.000 Personen beenden jährlich an Fachhochschulen, Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und PA-Lehrgängen ihre Ausbildung, weitere 1.000 Personen in Sozialbetreuungsberufen. Durch den schon bestehenden Personalmangel und die bevorstehenden Pensionierungen wird dies den Bedarf nicht decken können. Mit welchen Maßnahmen in der Ausbildung planen Sie, diesen Personalmangel in der Zukunft zu decken?
a. Was wurde bis jetzt unternommen?
b. Welche Wirkung zeigten die Maßnahmen bis jetzt?
c. Welche weiteren neuen Maßnahmen sind geplant? (Bitte geben Sie uns die konkreten Maßnahmen, die geplante Wirkung und den genauen Zeitplan bekannt.)
4. Welche Maßnahmen planen Sie, um die Herausforderung der laufend steigenden Anzahl an pflegebedürftigen Menschen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit den geburtsschwachen Jahrgängen, welche jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, zu decken?
a. Wie sehen die Prognosen aus für
i. die Entwicklung der pflegebedürftigen Menschen?
ii. die Anzahl der Österreicher, welche sich für den Pflegeberuf entscheiden?
iii. die Anzahl der Pfleger, welche aus dem Ausland akquiriert werden?
5. Für viele junge Menschen ist der Beruf in der Pflege zu unattraktiv. Was plant das Bundesministerium, um die Berufe im Pflegesektor für die kommende Generation attraktiv zu machen?
6. Eine Sonderauswertung der Pisa-Studie vom Jahr 2018 durch die OECD zum Thema Berufswünsche ergab, dass Pflegeberufe für männliche Jugendliche im Alter von 15 Jahren nicht unter die TOP 15 fallen. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um männliche Jugendliche für den Pflegeberuf zu begeistern bzw. motivieren?
a. Wurden bis jetzt Maßnahmen getroffen und umgesetzt?
i. Falls ja, mit welchem Erfolg?
b. Wie hat sich die Anzahl der männlichen Pfleger in den letzten zehn Jahren entwickelt?
7. 65 Prozent der Befragten, welche in der Pflege tätig sind, halten es für unwahrscheinlich den Beruf bis zur Pension auszuüben. Welche Maßnahmen hat das Bundesministerium gesetzt, um die Menschen im Pflegeberuf bis zu ihrer Pensionierung zu halten?
a. Welche weiteren Maßnahmen wird das Bundesministerium in der Zukunft setzen, um die Menschen im Pflegeberuf zu halten?
b. 15 % der Befragten von den 65 %, haben konkrete Absichten, den Beruf zu wechseln. Mit welchen Maßnahmen möchten Sie dieser negativen Entwicklung entgegenwirken?
8. Welche Maßnahmen werden Sie setzten, um die harten körperlichen und psychischen Arbeitsbedingungen in der Pflege zu vermindern bzw. auszugleichen?
9. An welchen Schulen in Österreich wird die von Ihnen beschlossene Pflegelehre als Versuchsmodell durchgeführt?
10. Es wurde eine Kostenanalyse der Pflege gefordert. Ist das Bundesministerium diesem Auftrag nachgekommen?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
11. In der Pflegereform wurde auf die Verbesserung der Arbeitssituation des Pflegepersonals völlig vergessen. Warum wurde dies nicht berücksichtigt?
a. Wird in der nahen Zukunft eine Verbesserung der Arbeitssituation des Pflegepersonals umgesetzt?
i. Falls ja, wann?
ii. Falls nein, warum nicht?
12. Eine der belastendsten Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal stellt der Zeitfaktor dar. Der Zeitdruck führt zu einem hohen Arbeitsdruck, wodurch, so wortwörtlich in der Studie des Sozialministeriums, dem Pflegepersonal keine Zeit zum Verschnaufen bleibt. Es bleibt sehr oft keine Zeit, die gesetzliche Mittagspause einzuhalten. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um den Zeitdruck auf das Pflegepersonal zu verringern?
a. Welche weiteren Maßnahmen sind in der nahen Zukunft geplant?
b. Wie wird sichergestellt, dass alle gesetzlichen Pausen eingehalten werden können?
13. Neben der hohen psychischen und emotionalen Belastung stellt die körperliche Belastung eine hohe Unfall- und Verletzungsgefahr dar. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um das Pflegepersonal davor zu schützen?
a. Welche weiteren Maßnahmen sind in der nahen Zukunft geplant, um das Pflegepersonal zu schützen?
14. Ein Drittel des Pflegepersonals ist mit dem Einkommen nicht zufrieden. Durch die Pflegereform werden 520 Millionen Euro den Ländern für die Gehaltserhöhung überwiesen. Im Durchschnitt bedeutet dies 2160 Euro jährlich mehr für jede Pflegeperson. Das sind auf 14 Gehälter/Jahr im Durchschnitt 150 Euro/Monat. Wie beurteilen Sie diese Erhöhung?
a. Ist es eine ausreichende Wertschätzung für das Pflegepersonal?
b. Stellt diese Erhöhung eine Motivation dar, um in der Pflege zu bleiben?
c. Stellt diese Erhöhung eine Motivation dar, eine Beschäftigung im Pflegebereich anzustreben?
15. Warum ist man in der beschlossenen Pflegereform nicht auf die Erhöhung der SEG-Zulagen (Schmutz-, Erschwernis- und Gefahren) als Wertschätzungsfaktor eingegangen?
16. Die atypischen Arbeitszeiten (Wochenenddienste, Nachtarbeitsverpflichtung, Früh- und Abenddienste) in der Pflege stellen vor allem die Frauen mit Kinderbetreuungspflichten vor ein schwieriges Vereinbarkeitsproblem. Welche Maßnahmen sind geplant, um diesem Arbeits- und Familienkonflikt entgegenzuwirken?
17. Allein in Wien sind mit Stichtag 9. Jänner 2023 849 Betten aufgrund des Personalmangels gesperrt. Dies bedeutet lebensbedrohliche Zustände für die Wiener Bevölkerung. Welche konkreten Maßnahmen wurden bis jetzt getroffen, um die mitunter akute Gefährdung der Wiener Bevölkerung zu verhindern?
a. Welche weiteren Maßnahmen in der nahen Zukunft sind geplant, um die mitunter akute Gefährdung der Wiener Bevölkerung zu verhindern?