14640/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.03.2023
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Anfrage

 

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umweltschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie 

betreffend Flughafen Wien, der sichere Hafen für Wirtschaftskriminalität – Ein Versagen der Aufsicht?

 

 

Kritische Infrastruktur spielt eine zentrale Rolle in der verfassungsrechtlich verankerten, umfassenden Landesverteidigung. Insbesondere Flughäfen kommt in diesem Konzept an der Schnittstelle von militärischer, ziviler und wirtschaftlicher Landesverteidigung eine zentrale Bedeutung zu. Die Funktion als Aufsichtsbehörde umfasst für das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie somit auch die Pflicht, im Zusammenspiel mit anderen Ministerien – wie etwa dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit – die wirtschaftlichen und operativen Tätigkeiten von Unternehmen im Umfeld der kritischen Infrastruktur „Flughafen“ genau zu prüfen.

 

Leider sorgte ausgerechnet der Flughafen Wien-Schwechat, die größte und wichtigste Flug-Infrastruktur Österreichs, in Vergangenheit und Gegenwart verlässlich für zahlreiche Negativschlagzeilen und Skandale. Immer wieder brachten innerhalb der Flughafeninfrastruktur tätige Unternehmen den Flughafen Wien-Schwechat in schweren Verruf.

 

Dies betraf bzw. betrifft aktuell insbesondere folgende Begebenheiten:

 

-          Der Milliardenskandal rund um das Bauvorhaben „Skylink“

-          Der jahrelange Streit rund um die Vergabe von Lizenzen für Duty-Free-Shops mit ungewöhnlich langen Vertragslaufzeiten

-          EU-Untersuchungen aufgrund von undurchsichtigen Lobbyingaktivitäten des am Flughafen Wien-Schwechat tätigen Dienstleisters für Tax-Free-Abwicklungen

-          Das Geflecht von internationalen Briefkastengesellschaften zur Verschleierung der wahren Eigentümer und Geldgeber hinter dem Industry Funds Management (IFM) als größtem Einzelaktionär der Flughafen Wien AG.

 

1. Causa „Großaktionär IFM“

Vor wenigen Wochen winkte Bundeswirtschaftsminister Martin Kocher die von der IFM-Gruppe als größtem Einzelaktionär gewünschte Anteilserhöhung an der Flughafen Wien AG durch. Auch wenn deren Angebot an die Aktieneigentümer im Streubesitz letztlich nicht ganz zum gewünschten Ziel führte, so ist der Einfluss der IFM-Gruppe mit jetzt über 43 % künftig noch größer geworden.[1] Medienberichten zufolge ist bis heute nicht klar, wer eigentlich hinter dem Firmenkonstrukt „IFM“ steht, das sich vordergründig als Veranlager für einen australischen Pensionsfonds geriert und das durch seine Tochter „Airports Group Europa S.a r.l." zum größten Einzelaktionär der Flughafen Wien AG wurde.

Die Tageszeitung „Der Standard" schreibt mit Bezug auf die IFM-Gruppe, die u.a. auch im Flughafen Sydney investiert ist, am 21. Oktober 2022 in ihrem Artikel „Am Beispiel Flughafen: Wer kontrolliert, wenn Offshore-Gelder nach Österreich fließen" wie folgt: [2]

 

Wer das Firmenkonstrukt zurückverfolgt, landet nicht etwa in Australien, sondern bei einem Trust auf den Cayman lslands [...]. Das britische Überseegebiet wird von der EU als Steueroase klassifiziert und gilt als Knotenpunkt für Gelder dubioser Herkunft, ob aus Korruption, Geldwäsche oder Drogenhandel [...]. Und weiter: Im Fall des Flughafens sollen hunderte anonyme Anleger Gelder in einen Trust auf den Caymans eingezahlt haben: eine Art Geldtopf ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Der Trust wird von einer Treuhandagentur verwaltet, einer Anwaltskanzlei namens Conyers, gelegen ebenfalls auf den Caymans. Schließlich wurden die Gelder über eine Firma in Luxemburg in europäische Flughäfen, unter anderem Schwechat, investiert.

 

Es ist gelinde gesagt erstaunlich, dass bislang jede Genehmigung einer Kapitalaufstockung eines derart intransparenten Offshore-Unternehmens mit Verweis auf das Amtsgeheimnis (Verfahren nach dem Investitionskontrollgesetz)[3] und damit unter Ausschaltung der Öffentlichkeit durchgeführt wurde. Ferner stellt sich die Frage, weshalb ein Unternehmen, das derart viele Fragen über den eigentlich wirtschaftlich Berechtigten offenlässt und sich dafür bei Finanzkonstrukten bedient, die laut Medienberichten auch gerne für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt werden, an einem der vulnerabelsten Punkte der Kritischen Infrastruktur der Republik Österreich operieren kann und darf.

 

2. Causa „Duty Free – Heinemann“

Mindestens genauso bemerkenswert sind jedoch auch andere Geschäftspartner, mit denen sich die Flughafen Wien AG als Betreiber des Flughafen Wien-Schwechat umgibt:

 

Seit 2003 ist das Hamburger Unternehmen „Gebrüder Heinemann“ (Gebr. Heinemann) am Flughafen Wien-Schwechat tätig. Im neuen Terminal „Skylink" ist Heinemann der größte Shopbetreiber und bekam im Jahr 2019 seine Lizenz ohne Ausschreibung um ganze elf Jahre(!) bis 2030 verlängert.[4]  Heinemann betreibt u.a. auch die Duty-Free-Shops an einigen europäischen Flughäfen, wie dem Skandalflughafen Berlin-Brandenburg, oder – eine interessante Parallele zu IMF – am Flughafen Sydney.

 

Kürzlich wurde bekannt, dass Gebr. Heinemann wegen Bieterabsprachen in Israel zu einer hohen Geldstrafe von umgerechnet rund 30 Millionen Euro verurteilt wurde. Laut dem deutschen „Handelsblatt“ vom 5. August 2022 haben ein ICC-Tribunal und ein Gericht in Tel Aviv entschieden, dass die Vergabe einer der lukrativsten Duty-Free-Ausschreibungen der Welt für eine milliardenschwere Konzession am Ben-Gurion-Flughafen von Tel Aviv – durch Angebotsmanipulationen und "geheime Absprachen" mit dem australischen Unternehmen James Richardson zustande gekommen ist.[5]

 

Auch hier stellt sich die Frage, weshalb ein Unternehmen, das wegen unlauterem Wettbewerb und Bieterabsprachen gerichtlich verurteilt wurde, an einem der vulnerabelsten Punkte der kritischen Infrastruktur der Republik Österreich operieren kann und darf.

 

3. Causa „Tax-Free-System – Global Blue“

Für die Abwicklung von Tax-Free-Dienstleistungen ist am Flughafen Wien-Schwechat u.a. das Unternehmen „Global Blue“ zugelassen.

 

Im April 2021 wurde bekannt, dass sich die EU-Kartellbehörden mit dem Thema „Tax Free Airport Shopping“ befassen.[6] Der Zahlungsdienstleister „Refundit“ hatte dem Konkurrenten „Global Blue“ vorgeworfen, „übermäßige, unfaire und undurchsichtige“ Anreize zu zahlen, um eine marktbeherrschende Stellung zu behaupten. Die Händlerprovisionen und kostenlosen Dienstleistungen von Global Blue, die wichtigen Händlern angeboten werden, seien räuberisch und seine Preisstrategie ziele darauf ab, neue Marktteilnehmer abzuschrecken und den Markt zu disziplinieren, wodurch die Skaleneffekte zugunsten des dominanten Akteurs Global Blue noch weiter gestärkt würden.

 

All diese Beispiele von intransparenten und dubiosen Vorgängen rund um Unternehmen im Umfeld des Flughafen Wien-Schwechat zeigen, dass es hier dringenden Handlungsbedarf seitens der Aufsichtsbehörde gibt. Offenbar haben mangelnder Wettbewerb, Bequemlichkeit in der Vergabe und ein mangelndes Bewusstsein für den Umfang und die Bedeutung der Kontrollfunktion seitens der Aufsicht dafür gesorgt, dass der Flughafen Wien-Schwechat zu einem sicheren Hafen für dubiose Geschäftspraktiken, intransparente Firmenkonstrukte und verurteilte Wirtschaftsstraftäter wurde.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umweltschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nachstehende

 

 

 

 

 

Anfrage

 

1.    Halten Sie es als Aufsichtsbehörde für problematisch, dass künftig 43 % der Anteile an der Flughafen Wien AG von einem vorgeblich australischen Pensionsfonds gehalten werden, der seine wahren Eigentümer und Geldgeber laut Medienberichten durch Briefkastengesellschaften auf den Cayman Islands verschleiert?

a.    Falls ja, haben Sie Ihre Bedenken im Rahmen Ihrer Aufsichtstätigkeit irgendwann einmal öffentlich oder nicht-öffentlich kundgetan?

                                                 i.    Falls ja, wem gegenüber?

                                                ii.    Falls nein, warum nicht?

b.    Falls nein, warum nicht?

2.    Haben Sie Kenntnisse über die tatsächliche Eigentümerstruktur hinter der IFM-Gruppe?

a.    Falls ja, legen Sie diese bitte dar.

b.    Falls nein, welche Schritte unternehmen Sie, um die wahren wirtschaftlich Berechtigten hinter dieser dubiosen – angeblich australischen – Gruppe herauszufinden?

3.    Wie stellen Sie sicher, dass die IFM-Gruppe in Zukunft keine Mehrheit über den Flughafen Wien-Schwechat erlangen wird?

4.    Fanden oder finden Gespräche von Mitarbeitern Ihres Ressorts mit anderen Aktionären, insbesondere dem Land Niederösterreich und der Stadt Wien statt, um eine Mehrheitsübernahme durch die IFM-Gruppe zu verhindern?

a.    Falls ja, wann und wer war bzw. ist daran beteiligt?

b.    Falls nein, warum nicht?

5.    Wie stellen Sie generell sicher, dass kritische Infrastruktur nicht via Aktiengesellschaften in die Hände unbekannter Eigentümer gelangt, die möglicherweise über Umwege im Einfluss eines Drittlandes stehen?

6.    Wie stellen Sie generell sicher, dass kritische Infrastruktur nicht via Aktiengesellschaften in die Hände unbekannter Eigentümer gelangt, die möglicherweise im Zusammenhang mit Straftaten wie Geldwäsche, Drogenhandel oder Terrorismusfinanzierung stehen?

7.    Unter welchen Bedingungen und unter Einsatz welcher Prüfmechanismen wurden die Duty-Free-Lizenzen am Flughafen Wien-Schwechat im Jahr 2019 um weitere 11 Jahre verlängert?

8.    Ist Ihnen die mediale Berichterstattung rund um Bieterabsprachen beim Duty-Free-Betreiber Gebr. Heinemann bekannt?

a.    Falls ja, haben Sie auf die Verlängerung der Lizenz eingewirkt?

                                                 i.    Falls ja, in welcher Form?

                                                ii.    Falls nein, warum nicht?

b.    Falls nein, halten Sie es für problematisch, dass Ihnen als Aufsichtsbehörde derart brisante Ereignisse rund um Geschäftspartner des Flughafen Wien-Schwechat entgehen?

                                                 i.    Falls ja, wie stellen Sie sicher, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt?

                                                ii.    Falls nein, warum nicht?

9.    Sind Ihnen die Ermittlungen der EU-Kartellbehörde gegen „Global Blue“ bekannt?

a.    Falls ja, haben Sie als Aufsichtsbehörde Schritte in dieser Causa gesetzt?

                                                 i.    Falls ja, in welcher Form?

                                                ii.    Falls nein, warum nicht?

b.    Falls nein, halten Sie es für problematisch, dass Ihnen als Aufsichtsbehörde derart brisante Ereignisse rund um Geschäftspartner des Flughafen Wien-Schwechat entgehen?

                                                 i.    Falls ja, wie stellen Sie sicher, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt?

                                                ii.    Falls nein, warum nicht?

10. Wie erfolgte die Lizenzvergabe an das Unternehmen „Global Blue“ am Flughafen Wien und wie wurde diese Vergabe geprüft?

11. Welche Instrumente stehen Ihnen als Aufsichtsbehörde zur Verfügung, um einen transparenten Vergabeprozess für Dienstleistungen im Bereich der Kritischen Infrastruktur im Allgemeinen und im Bereich des Flughafen Wien-Schwechat im Speziellen zu erwirken?

12. Erachten Sie es als unproblematisch, dass an Flughäfen – noch dazu im Teileigentum der öffentlichen Hand – derart lange Lizenzen wie im Fall der Gebr. Heinemann am Flughafen Wien-Schwechat ohne Ausschreibung vergeben werden?

a.    Falls ja, welche Schritte setzen Sie, um diesem Zustand entgegenzuwirken?

b.    Falls nein, warum nicht?

13. Erachten Sie es als problematisch, dass im Bereich des Flughafen Wien-Schwechat Unternehmen tätig sind, die wegen illegaler Absprachen gerichtlich verurteilt wurden?

a.    Falls ja, welche Schritte setzen Sie, um diesem Zustand entgegenzuwirken?

b.    Falls nein, warum nicht?



[1] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2177902-IFM-stockt-Flughafen-Anteil-auf.html

[2] https://www.derstandard.at/story/2000140128704/am-beispiel-flughafen-wer-kontrolliert-wenn-offshore-gelder-nach-oesterreich

[3] https://www.derstandard.at/story/2000143421490/warum-unbekannte-aus-einer-steueroase-in-den-flughafen-wien-investieren

[4]https://www.viennaairport.com/unternehmen/presse__news/presseaussendungen__news_2?news_beitrag_id=1568961674561

 

[5] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/gunnar-heinemann-aerger-mit-flughafengeschaeften-gebr-heinemann-wegen-illegaler-absprachen-verurteilt/28571338.html

[6] https://www.ft.com/content/9530852c-9b9d-4677-9b09-de7d12460f92