1468/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Zusammenhang mit im Raum stehenden Falschaussagen im "BVT-Untersuchungsausschuss"

Wie die Kronen Zeitung am 29. Februar 2020 berichtete, wurde im Verfahren zu 10 St 32/18k der Staatsanwaltschaft Wien von dieser von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen.

Dieses Verfahren beruhte auf einer Anzeige der Erstanfragestellerin vom 23. Juli 2019 gegen Personen (u.a. BM a.D. Herbert Kickl, seinen ehemaligen Generalsekretär Peter Goldgruber und Staatsanwält_innen, die in der Causa "BVT" ermittelten), welche im "BVT-Untersuchungsausschuss" als Auskunftspersonen aussagten und hinsichtlich deren Aussagen sich Widersprüche zur Aktenlage oder zu den Aussagen anderer Personen vor dem Untersuchungsausschuss oder in gerichtlichen Einvernahmen ergaben.

Noch vor dieser Anzeige vom 23. Juli 2019 gab es in Zusammenhang mit mutmaßlichen Falschaussagen vor dem Untersuchungsausschuss eine anonyme Anzeige.

Anlässlich der Befragung der Auskunftsperson OStA Mag. Wolfgang Handler am 2. April 2019 durch den Untersuchungsausschuss über die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ("BVT-Untersuchungsausschuss") konnte durch die Erstanfragstellerin herausgearbeitet werden, dass im von der Staatsanwaltschaft Korneuburg zu 4 OStA 65/18d geführten Strafverfahren wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss (§ 288 Abs 1 und 3 StGB) gegen GS Mag. Peter Goldgruber, Dr. Udo Lett, StA Mag. Ursula Schmudermayer, OStA Mag. Wolfgang Handler sowie die drei Hauptbelastungszeugen (Ria-Ursula P., MMag. Martin W., Anton H.) im Verfahren 6 St 2/18f der WKStA gemäß § 35c StAG auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen wurde.

Aus dem Vorgehen nach § 35c StAG ergibt sich, wie auch durch einen Artikel der Tageszeitung "Die Presse" beschrieben, dass keine Ermittlungsschritte durch die Staatsanwaltschaft Korneuburg offenbar gesetzt wurden. Nicht einmal die Protokolle der Sitzungen des Untersuchungsausschusses wurden beigeschafft (https://diepresse.com/home/innenpolitik/5606059/BVT_Keine-Ermittlungen-gegen-Goldgruber-Lett-Schmudermayer).

Gegenüber der Tageszeitung "Die Presse" begründete der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien diese Vorgehensweise wie folgt: "Die anonyme Anzeige beruht auf der bloßen pauschalen Bezichtigung, dass diese Personen gelogen haben. Worin sich das zeigt, wurde nicht weiter ausgeführt."

Dieses Ausbleiben jedweder Ermittlungen veranlasste die Erstanfragestellerin dazu, der Staatsanwaltschaft Wien in einem 13-seitigen Schriftsatz die sich aus den einzelnen Befragungen ergebenden Widersprüche darzulegen. Umso mehr ist es nicht nachvollziehbar, dass abermals von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wurde, da diesmal eben nicht lediglich "pauschale Bezichtigungen" vorgebracht wurden, sondern die jeweiligen Widersprüche detailliert samt Beweismittel dargelegt wurden.

Gemäß § 35c StAG darf dann von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden, wenn kein Anfangsverdacht besteht. § 2 StPO regelt das Prinzip der Amtswegigkeit (Offizialprinzip), also die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung von zur Kenntnis gelangter Anfangsverdachtslagen.

Das Verneinen eines Anfangsverdachtes im konkreten Fall ist schlichtweg denkunmöglich, zumal die Anfragestellerin die einzelnen Widersprüche in ihrer Sachverhaltsdarstellung vom 23. Juli 2019 detailliert beschrieb und die entsprechenden Beweismittel beilegte. Ein derartiges Vorgehen seitens der StA ist nicht nachvollziehbar.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

 

1. War das Verfahren zu 10 St 32/18k der Staatsanwaltschaft Wien berichtspflichtig?

2. Wie viele Berichte wurden seitens der Staatsanwaltschaft erstattet?

3. Wie viele davon fertigte die Staatsanwaltschaft von sich aus an und wie viele wurden angefordert?

4. Wie viele der angeforderten Berichte wurden von der OStA aus eigenem angefordert und wie viele wurden basierend auf § 8a Abs 3 StAG erstellt?

5. Wie oft, wann, von wem und mit welchem Inhalt wurden bei der Staatsanwaltschaft Wien Anfragen im Sinne des § 8a Abs 4 StAG gestellt?

6. Mit welcher detaillierten Begründung wurde nach § 35c StAG vorgegangen?

7. Warum ging die Staatsanwaltschaft trotz der in der Sachverhaltsdarstellung geschilderten objektivierten Sachverhaltselemente davon aus, dass kein Anfangsverdacht im Sinne des § 1 Abs 3 StPO gegeben sei?

a. Warum folgte die OStA Wien allenfalls diesem Vorhaben und der Argumentation der Staatsanwaltschaft Wien?


8. Gab es im gegenständlichen Verfahren Weisungen der OStA?

a. Wenn ja, wann, an wen, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

9. Gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren Weisungen der Bundesministerin für Justiz oder sonstiger befugter Organe?

1. Wenn ja, wann, an wen, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

• Gab es Dienstbesprechungen in der Causa?

a. Wenn ja, wann fanden diese jeweils statt, wer nahm daran Teil, und was war Anlass bzw. Inhalt der Besprechungen?

b. Wurden dabei Weisungen erteilt?

i. Wenn ja, wann, durch wen, an welchen Adressaten, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

ii. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage wurden diese Weisungen erteilt?

iii. Wenn ja, wird die Weisung nach § 29a Abs 3 StAG an das Parlament berichtet?

1. Wenn nein, warum besteht aus Ihrer Sicht für die genannten Weisungen keine Berichtspflicht?

• Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, in denen der ermittelnden Staatsanwaltschaft Handlungen untersagt wurden?

a. Wenn ja, welche Handlungen wurden untersagt?

• Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, in Folge deren als Ergebnis das ursprüngliche Ansinnen der ermittelnden Staatsanwaltschaft abgeändert wurde?

a. Wenn ja, was war das ursprüngliche Ansinnen der ermittelnden Staatsanwaltschaft und was die abgeänderte Vorgehensweise?

b. Wenn ja. wer pochte auf die abgeänderte Vorgehensweise?

• Gab es sonstige Interventionsversuche, welcher Art auch immer, in dieser Causa?

1. Wenn ja, wann, durch wen, bei wem, auf welche Art und Weise und mit welchem Inhalt?

• War SC Pilnacek in irgendeiner Funktion mit dieser Causa befasst?

a. Wenn ja, wann und in welchem Zusammenhang?

b. Gab es Besprechungen/Treffen/schriftliche oder mündliche Kontakte zwischen SC Pilnacek und den in der Causa angezeigten Personen?

i. Wenn ja, wann, auf wessen Initiative und was wurde dabei besprochen?

ii. Wenn ja, wurde über diese Besprechungen/Treffen/schriftliche oder mündliche Kontakte ein Aktenvermerk angelegt?

1. Wenn nein, warum unterblieb dies?

• Wurden irgendwelche Unterlagen zur Beurteilung des Verdachts beigeschafft?

a. Wenn ja, wurden auch die Protokolle des Untersuchungsausschusses beigeschafft?

b. Wenn ja, wurde auch das "Tagebuch" der WKStA im Verfahren 6 St 6/17t (BVT) beigeschafft?

c. Wenn nein, warum unterblieb dies?

• Wurden irgendwelche sonstigen Schritte zur Aufklärung des geschilderten Sachverhaltes unternommen?

• Warum wurden keine Zeugen- bzw. Beschuldigtenvernehmungen durchgeführt?

• Was geschah in den rund 7 Monaten seit Eingang der Sachverhaltsdarstellung bis zum Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens?

• Ist es üblich, dass Akte 7 Monate ohne irgendwelche Ermittlungshandlungen "liegen bleiben", ehe formell nach § 35c StAG von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wird?

a. Wenn ja, warum benötigt dieser Vorgang so viel Zeit?

b. Wenn nein, warum dauerte dies im konkreten Fall ungewöhnlich lange?