14717/J XXVII. GP
Eingelangt am 30.03.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Christian Drobits und Genoss:innen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Erhebung, Ermittlung und Weitergabe personenbezogener Daten durch Wirtschafts- und Kreditauskunfteien
Ein neuer Energie- oder Handyvertrag, Bestellungen bei Versandhäusern oder im Internet oder ob und zu welchen Konditionen ein Kredit vergeben wird, ist häufig abhängig davon, was eine Abfrage bei einer Bonitätsdatenbank oder Kreditauskunftei ergibt. Wird eine schlechte Zahlungsfähigkeit bescheinigt, ist man von vielen Leistungen ausgeschlossen oder muss zB für einen Kredit zumindest höhere Zinsen bezahlen.
Unternehmen treffen diese Entscheidungen meist nach Einsicht in eine Bonitätsdatenbank; solche Datenbanken werden von Kreditauskunftsdiensten, wie etwa der KSV1870 Holding AG oder der CRIF GmbH geführt. Diese Auskunfteien sammeln systematisch Daten über nicht rechtzeitig bezahlte Rechnungen und informieren andere Unternehmen darüber, wer als kreditwürdig gilt und wer nicht. Dies kann dazu führen, dass Konsumenten:innen, die eigentlich zahlungsfähig sind, der Vertragsabschluss wegen früher nicht rechtzeitig bezahlter Rechnungen oder aber auch wegen fehlerhafter Einträge verweigert wird.
Wie und welche Daten genau für derartige Bonitätsprüfungen gesammelt werden, ist nicht transparent. Zu den Bonitätskriterien gehören neben dem verfügbaren Einkommen auch nicht nachgekommene Zahlungsverpflichtungen, Alter, Geschlecht, Nationalität etc. Oft dürfte auch die Wohngegend darauf Einfluss haben, wie der Bonitäts-Score eines potentiellen Kunden aussieht. Nicht transparent ist auch, wie und wo von den Kreditauskunftsdiensten entsprechende Daten gesammelt werden und auf Grundlage welcher Methoden sie ermittelt und ausgewertet werden. Die intransparente Datensammlung und –erhebung bei der Bonitätsprüfung und Fehler bei der Bonitätsprüfung haben allerdings immer erhebliche Folgen für die betroffenen Personen – vor allem auch in Fällen, wo Menschen durch Identitätsdiebstahl plötzlich mit negativen Bonitätsbewertungen konfrontiert werden.
Bei einem negativen Bonitätsbescheid sollten Konsument:innen immer nach dem Grund und der Kreditauskunftei fragen, deren Informationen Quelle der Informationen des Bonitätschecks war. In der Folge können Konsument:innen gem. der DSGVO bei der Auskunftei alle über sie gespeicherten Daten einfordern und eine Löschung beantragen, für den Fall, dass der Datenauszug unrichtige Informationen enthält.
Einmal jährlich besteht auch Anspruch auf eine unentgeltliche Selbstauskunft nach Art 15 DSGVO zb bei CRIF oder KSV.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende
Anfrage:
1. „Kreditauskunfteien
unterstützen ihre Kunden damit, wirtschaftlich sinnvolle
Geschäftsbeziehungen zu erkennen und leisten damit einen unverzichtbaren
Beitrag zum Funktionieren der Wirtschaft“ (WKÖ). Wer sind die nach
Marktanteil Top 3 der Wirtschafts- und Kreditauskunfteien in Österreich?
2. Wie haben sich deren Umsätze
und Gewinne in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
3. Der KSV bewirbt auf
seiner Homepage sein Produkt „PersonenProfile mit Risikoindicator“
wie folgt: „Viele Datenquellen - ein Ergebnis; verfügbar für
7,5 Mio. Privatpersonen in Österreich;berücksichtigt 470.000 interne
und externe Zahlungsanstände; ca. 9.500 eröffnete und nicht
eröffnete Privatinsolvenzen; ca. 6.000 eröffnete und nicht
eröffnete Unternehmensinsolvenzen; 1,1 Mio. Personen mit
handelsrechtlicher Funktion“. Wie viele Personen sind aktuell im
Datenbestand der Top-3 Kreditauskunfteien aufgenommen und auf welche Daten dieser
Personen haben die Kreditauskunfteien Zugriff?
4. Welche Institutionen und
Unternehmen (wie zB Adressverlage oä.) liefern den Wirtschafts- und
Kreditauskunfteien welche Daten zu Einzelpersonen und deren finanzieller Lage
und auf welcher rechtlichen Basis oder vertraglichen Grundlage erfolgt das?
5. Auf welche
öffentlichen Datenquellen haben Wirtschafts- und Kreditauskunfteien Zugriff?
Wer überprüft die Richtigkeit der Angaben der Wirtschafts- und
Kreditauskunfteien zu Einzelpersonen und deren finanzieller Lage? Wie ist die
Haftung für falsche Auskünfte geregelt?
6. Liegen Ihrem Ressort
Daten vor, wie hoch der Anteil von Falschauskünften bzw. falschen oder
fehlerhaften Angaben durch Wirtschafts- und Kreditauskunfteien ist? Falls ja,
was sind die häufigsten Fehlerquellen?
7. Wie viele Verfahren zu
Kreditauskunfteien wurden bei der Datenschutzbehörde in den vergangenen 5
Jahren geführt, wie viele sind davon mit rechtskräftigem Bescheid
abgeschlossen?
8. Welche sonstigen
Verfahren wurden gegen Kreditauskunfteien in den letzten 5 Jahren geführt?
Wie endeten diese Verfahren?
9. Eine der Aufgaben
von Wirtschaftsauskunfteien ist die Bonitätsprüfung von potentiellen
Kreditnehmer:innen; diese erfolgt zB durch den KSV oder den CRIF. Welche Kontrollmöglichkeiten
gibt es, um Konsument:innen davor zu schützen, dass Banken und
Kreditinstitute aufgrund fehlerhafter Bonitätsprüfungen nicht
unrechtmäßig zu Lasten der Kreditnehmer:innen von zu hoch
angesetzten Zinssätzen profitieren?
10. Angesichts der
wichtigen Rolle, die Bonitätsprüfungen im Alltag spielen: Ist aus
Ihrer Sicht der Schutz der Bürger:innen vor falscher Auskunft und
Bewertung durch Wirtschafts- und Kreditauskunfteien bei der Deckung von notwendigen
oder alltäglichen Bedürfnissen des Lebens, wie die Anmietung einer
Wohnung, beim Ankauf einer Immobilie, Abschluß eines Vertrags, etc.
ausreichend?
11. Das Recht auf
Selbstauskunft über die Bonität steht allen Österreicherinnen
und Österreicher einmal jährlich zu. Liegen Ihrem Ressort Daten vor,
von wie vielen Menschen dies pro Jahr in Anspruch genommen wird?
12.
Bei
Bonitätsprüfungen werden zunehmend auch künstliche Intelligenz
und Big-Data-Analysen eingesetzt, um Muster und Zusammenhänge zwischen
bestimmten Daten und einer Pleitewahrscheinlichkeit zu entdecken. Das Scoring
und die „Bewertung der Kreditwürdigkeit natürlicher
Personen“ wird auch von der EU als besonders relevant identifiziert, weil
diese nicht nur den Zugang zu Kredit beeinflussen, sondern sich auch auf die
Bereitstellung wesentlicher „Dienstleistungen wie Wohnraum,
Elektrizität und Telekommunikationsdienstleistungen“ auswirken.
Wegen der zentralen Bedeutung für die Teilhabe von Bürgern an den
Gewährleistungen der modernen Zivilgesellschaft wurden derartige
KI-Systeme als sogenannte „Hochrisikosysteme“ eingeordnet. Wie ist
die Position Ihres Ressorts zum Einsatz von KI-Systemen bei der
Bonitätsprüfung und der damit verbundenen Gefahr eines
systematischen und automatisierten Ausschlusses von Personen vom
Finanzierungsmarkt beim Kreditscoring und der Bonitätsbewertung?
13. Ist Ihrem Ressort
bekannt ob bei der Bonitätsprüfung durch Kreditauskunfteien GEO-Scores
zum Einsatz kommen, das heißt die Kreditwürdigkeit von Bürger:innen
alleine wegen ihres Wohnorts geringer eingeschätzt wird? Wenn ja, in
welchen Bereichen Österreichs kommen diese Geo-Scores zum Einsatz?
14. Laut der Datenschutz-NGO Noyb dürfen Adressverlage die Daten von Österreicherinnen und Österreichern nur zu Werbezwecken weitergeben. Aktuellen Medienberichten zufolge hat aber die CRIF GmbH Millionen Bonitätsscores anhand von Daten des Adressverlags AZ Direct berechnet – unrechtmäßig, wie die Datenschutzbehörde kürzlich entschieden hat. Die CRIF hat ein Rechtsmittel gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde angekündigt. Laut CRIF „handle (es) sich um eine gänzlich neu aufgeworfene Rechtsfrage, außerdem habe das Wirtschaftsministerium bestätigt, ‚dass Adressverlage Adressdaten an Kreditauskunfteien zu Zwecken der Bonitätsbewertung übermitteln dürfen‘. Teilt Ihr Ressort diese Rechtsauslegung und wenn ja, auf welcher rechtlichen Basis basiert diese Meinung?